Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.II. Abs. Anfänge des Thieres. fortgehenden Strome diejenigen mikroskopischen Thierehervorgekommen, dergleichen man in dem Wasser fin- det, worinnen Heu macerirt worden, nemlich einför- mige, cilindrische, längliche Thierchen, welche eine frey- willige Bewegung nach allerlei Richtungen an sich hät- ten (n). Dieses wären wirkliche Thierchen, weil sie mit ihrer Bewegung anhalten, oder selbige fortsezzen, den Hindernissen ausbiegen, und endlich ein Loch su- chen (o), durch welches sie aus ihrer Pflanze, die ihnen zur Gebärmutter dient, gehen. Es würde der Saame des Getreides, wenn er zu vegetiren anfängt, und durch die Feuchtigkeit verdorben ist (p), innerhalb wenig Stunden belebt, und es entstünden auf solche Weise kleine Aale aus der Kohlengerste (q). Aus eben dieser Gerste (hordeum carbonarium) will der berühmte A- braham Trembley (r) theils Fäden, theils bewegte Kü- gelchen, und dergleichen auch aus dem Roggen (secale corniculatum) (s) hervorkommen gesehen haben, wel- che die erste Stuffe des Lebendigwerdens (t) erreichten. Bei (n) [Spaltenumbruch]
NEEDHAM p. 219. er hält es nicht für Thierchen, was man im Pfefferwasser antrift. Der be- rühmte Lazarus Spallanzani hat sich grosse Mühe gegeben, um zu bestimmen, ob sich überhaupt etwas vegetabilisches in die thieri- sche Natur verwandle. Er hat nie so was gesehen, und meint also, daß die in den vegetabilischen Mate- rien wohnende Thierchen berühmte Männer betrogen haben. Er un- tersuchte hiernächst, ob sich über- haupt mit dem Leben der Vegeta- bilien, und dem Entwikkeln der Saamen, das Leben der zu erzeu- genden Thierchen vereinigen lasse. So fand er gemeiniglich, daß sich bei der Entwikkelung und bei dem Leben der Thierchen, ein Anfang der Fäulniß zeige, und bei ihrem Tode eine völlige Fäulniß. Mit [Spaltenumbruch] dem Keimen stimmet oft das Ent- stehen der Thierchen überein, doch so, daß ein neues Geschlecht von Thieren vor demselben vorhergeht, und darauf solgt, und noch nach der zerstörten und wieder herzu- stellenden Kraft des Keims übrig bleibt. Ueberhaupt hängt also das Entstehen dieser Thierchen von dem Keimen nicht ab, sondern es schei- net nur eben dieselbe wohlthätige Wärme, welche das Keimen der Saamenkörner befördert, auch das neue Leben der Thierchen be- fördern zu helfen. PERRAULT sens exter. p. 50. (o) p. 293. (p) p. 225. (q) p. 226. (r) Ibid. (s) p. 227. (t) p. 226. 227. M 3
II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres. fortgehenden Strome diejenigen mikroskopiſchen Thierehervorgekommen, dergleichen man in dem Waſſer fin- det, worinnen Heu macerirt worden, nemlich einfoͤr- mige, cilindriſche, laͤngliche Thierchen, welche eine frey- willige Bewegung nach allerlei Richtungen an ſich haͤt- ten (n). Dieſes waͤren wirkliche Thierchen, weil ſie mit ihrer Bewegung anhalten, oder ſelbige fortſezzen, den Hinderniſſen ausbiegen, und endlich ein Loch ſu- chen (o), durch welches ſie aus ihrer Pflanze, die ihnen zur Gebaͤrmutter dient, gehen. Es wuͤrde der Saame des Getreides, wenn er zu vegetiren anfaͤngt, und durch die Feuchtigkeit verdorben iſt (p), innerhalb wenig Stunden belebt, und es entſtuͤnden auf ſolche Weiſe kleine Aale aus der Kohlengerſte (q). Aus eben dieſer Gerſte (hordeum carbonarium) will der beruͤhmte A- braham Trembley (r) theils Faͤden, theils bewegte Kuͤ- gelchen, und dergleichen auch aus dem Roggen (ſecale corniculatum) (s) hervorkommen geſehen haben, wel- che die erſte Stuffe des Lebendigwerdens (t) erreichten. Bei (n) [Spaltenumbruch]
NEEDHAM p. 219. er haͤlt es nicht fuͤr Thierchen, was man im Pfefferwaſſer antrift. Der be- ruͤhmte Lazarus Spallanzani hat ſich groſſe Muͤhe gegeben, um zu beſtimmen, ob ſich uͤberhaupt etwas vegetabiliſches in die thieri- ſche Natur verwandle. Er hat nie ſo was geſehen, und meint alſo, daß die in den vegetabiliſchen Mate- rien wohnende Thierchen beruͤhmte Maͤnner betrogen haben. Er un- terſuchte hiernaͤchſt, ob ſich uͤber- haupt mit dem Leben der Vegeta- bilien, und dem Entwikkeln der Saamen, das Leben der zu erzeu- genden Thierchen vereinigen laſſe. So fand er gemeiniglich, daß ſich bei der Entwikkelung und bei dem Leben der Thierchen, ein Anfang der Faͤulniß zeige, und bei ihrem Tode eine voͤllige Faͤulniß. Mit [Spaltenumbruch] dem Keimen ſtimmet oft das Ent- ſtehen der Thierchen uͤberein, doch ſo, daß ein neues Geſchlecht von Thieren vor demſelben vorhergeht, und darauf ſolgt, und noch nach der zerſtoͤrten und wieder herzu- ſtellenden Kraft des Keims uͤbrig bleibt. Ueberhaupt haͤngt alſo das Entſtehen dieſer Thierchen von dem Keimen nicht ab, ſondern es ſchei- net nur eben dieſelbe wohlthaͤtige Waͤrme, welche das Keimen der Saamenkoͤrner befoͤrdert, auch das neue Leben der Thierchen be- foͤrdern zu helfen. PERRAULT ſens exter. p. 50. (o) p. 293. (p) p. 225. (q) p. 226. (r) Ibid. (s) p. 227. (t) p. 226. 227. M 3
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II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres.
fortgehenden Strome diejenigen mikroskopiſchen Thiere
hervorgekommen, dergleichen man in dem Waſſer fin-
det, worinnen Heu macerirt worden, nemlich einfoͤr-
mige, cilindriſche, laͤngliche Thierchen, welche eine frey-
willige Bewegung nach allerlei Richtungen an ſich haͤt-
ten (n). Dieſes waͤren wirkliche Thierchen, weil ſie
mit ihrer Bewegung anhalten, oder ſelbige fortſezzen,
den Hinderniſſen ausbiegen, und endlich ein Loch ſu-
chen (o), durch welches ſie aus ihrer Pflanze, die ihnen
zur Gebaͤrmutter dient, gehen. Es wuͤrde der Saame
des Getreides, wenn er zu vegetiren anfaͤngt, und durch
die Feuchtigkeit verdorben iſt (p), innerhalb wenig
Stunden belebt, und es entſtuͤnden auf ſolche Weiſe
kleine Aale aus der Kohlengerſte (q). Aus eben dieſer
Gerſte (hordeum carbonarium) will der beruͤhmte A-
braham Trembley (r) theils Faͤden, theils bewegte Kuͤ-
gelchen, und dergleichen auch aus dem Roggen (ſecale
corniculatum) (s) hervorkommen geſehen haben, wel-
che die erſte Stuffe des Lebendigwerdens (t) erreichten.
Bei
(n)
NEEDHAM p. 219. er haͤlt
es nicht fuͤr Thierchen, was man
im Pfefferwaſſer antrift. Der be-
ruͤhmte Lazarus Spallanzani
hat ſich groſſe Muͤhe gegeben, um
zu beſtimmen, ob ſich uͤberhaupt
etwas vegetabiliſches in die thieri-
ſche Natur verwandle. Er hat nie
ſo was geſehen, und meint alſo,
daß die in den vegetabiliſchen Mate-
rien wohnende Thierchen beruͤhmte
Maͤnner betrogen haben. Er un-
terſuchte hiernaͤchſt, ob ſich uͤber-
haupt mit dem Leben der Vegeta-
bilien, und dem Entwikkeln der
Saamen, das Leben der zu erzeu-
genden Thierchen vereinigen laſſe.
So fand er gemeiniglich, daß ſich
bei der Entwikkelung und bei dem
Leben der Thierchen, ein Anfang
der Faͤulniß zeige, und bei ihrem
Tode eine voͤllige Faͤulniß. Mit
dem Keimen ſtimmet oft das Ent-
ſtehen der Thierchen uͤberein, doch
ſo, daß ein neues Geſchlecht von
Thieren vor demſelben vorhergeht,
und darauf ſolgt, und noch nach
der zerſtoͤrten und wieder herzu-
ſtellenden Kraft des Keims uͤbrig
bleibt. Ueberhaupt haͤngt alſo das
Entſtehen dieſer Thierchen von dem
Keimen nicht ab, ſondern es ſchei-
net nur eben dieſelbe wohlthaͤtige
Waͤrme, welche das Keimen der
Saamenkoͤrner befoͤrdert, auch
das neue Leben der Thierchen be-
foͤrdern zu helfen. PERRAULT
ſens exter. p. 50.
(o) p. 293.
(p) p. 225.
(q) p. 226.
(r) Ibid.
(s) p. 227.
(t) p. 226. 227.
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