Nun liesse sich die Frage aufwerfen, ob dieses un- förmliche Thierchen, auch alsdenn, wenn es noch für die Augen des Forschenden viel zu klein ist, vorher in dem Vater, oder in der Mutter verborgen gewesen; ob es durch eine Erzeugung aus sich selbst, aus an einander schliessenden Theilchen zusammengesezzt worden; oder ob es endlich schnell nnd ohne eine eigenthümliche Erzeugung aus einer Verbindung unorganischer Theile zu einem Ganzen erwachsen ist.
Ueberhaupt ist die Erzeugung aus sich selbst eine un- mögliche Sache (a). Derjenige, welcher den Bau des Körpers nur ein wenig überlegt, wird sogleich merken, daß ein Thier niemals ohne ein Herz gewesen seyn kann (b), weil blos das Herz die einzige Federkraft des Lebens und der Bewegung ist. Nun musten bey dem Herzen auch Schlagadern (c) seyn, welche den Lebenssaft allen Thei- len des Thieres zuführen, und Blutadern, welche das Blut dem Herzen wieder zurükke geben, indem es sogleich austrokknen würde, wofern kein neuer Zufluß den Ab- gang ersezzete.
Auch das ergiebt sich leichtiich, daß nicht blos ein Geribbe von Gefässen in der Frucht vorhanden gewesen seyn könne. Nothwendig müssen bei den Gefässen auch die Eingeweide gewesen seyn, denn diese bestehen ganz und gar aus Gefässen, und dem Fadengewebe. Doch es hat auch niemand Eingeweide, aus neben einander liegenden Theilen zu einem Ganzen werden gesehen. Sie sind, sobald sie sichtbar werden, klein, aber sogleich vollständig (d). Die Muskeln müssen von den ersten Theilen, welche mit gewesen seyn: denn das kleine Thier
bewegt
(a)[Spaltenumbruch]BAYLE diss. phys. III. CHEYNE philos princ. of relig. p. 130. und vormals DEMOCRI- TUS apud CENSORINUM de die natali mit einmal wird das Hühn- [Spaltenumbruch]
chen fertig CROONE bei dem BIRCH T. III. p. 36.
(b)L. IV. p. 446.
(c)Adde CHEYNE 1. c. BON- NET II. p. 26.
(d)BONNET I. p. 149.
II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres.
Nun lieſſe ſich die Frage aufwerfen, ob dieſes un- foͤrmliche Thierchen, auch alsdenn, wenn es noch fuͤr die Augen des Forſchenden viel zu klein iſt, vorher in dem Vater, oder in der Mutter verborgen geweſen; ob es durch eine Erzeugung aus ſich ſelbſt, aus an einander ſchlieſſenden Theilchen zuſammengeſezzt worden; oder ob es endlich ſchnell nnd ohne eine eigenthuͤmliche Erzeugung aus einer Verbindung unorganiſcher Theile zu einem Ganzen erwachſen iſt.
Ueberhaupt iſt die Erzeugung aus ſich ſelbſt eine un- moͤgliche Sache (a). Derjenige, welcher den Bau des Koͤrpers nur ein wenig uͤberlegt, wird ſogleich merken, daß ein Thier niemals ohne ein Herz geweſen ſeyn kann (b), weil blos das Herz die einzige Federkraft des Lebens und der Bewegung iſt. Nun muſten bey dem Herzen auch Schlagadern (c) ſeyn, welche den Lebensſaft allen Thei- len des Thieres zufuͤhren, und Blutadern, welche das Blut dem Herzen wieder zuruͤkke geben, indem es ſogleich austrokknen wuͤrde, wofern kein neuer Zufluß den Ab- gang erſezzete.
Auch das ergiebt ſich leichtiich, daß nicht blos ein Geribbe von Gefaͤſſen in der Frucht vorhanden geweſen ſeyn koͤnne. Nothwendig muͤſſen bei den Gefaͤſſen auch die Eingeweide geweſen ſeyn, denn dieſe beſtehen ganz und gar aus Gefaͤſſen, und dem Fadengewebe. Doch es hat auch niemand Eingeweide, aus neben einander liegenden Theilen zu einem Ganzen werden geſehen. Sie ſind, ſobald ſie ſichtbar werden, klein, aber ſogleich vollſtaͤndig (d). Die Muskeln muͤſſen von den erſten Theilen, welche mit geweſen ſeyn: denn das kleine Thier
bewegt
(a)[Spaltenumbruch]BAYLE diſſ. phyſ. III. CHEYNE philoſ princ. of relig. p. 130. und vormals DEMOCRI- TUS apud CENSORINUM de die natali mit einmal wird das Huͤhn- [Spaltenumbruch]
chen fertig CROONE bei dem BIRCH T. III. p. 36.
(b)L. IV. p. 446.
(c)Adde CHEYNE 1. c. BON- NET II. p. 26.
(d)BONNET I. p. 149.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0303"n="251"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Abſ. Anfaͤnge des Thieres.</hi></fw><lb/><p>Nun lieſſe ſich die Frage aufwerfen, ob dieſes un-<lb/>
foͤrmliche Thierchen, auch alsdenn, wenn es noch fuͤr<lb/>
die Augen des Forſchenden viel zu klein iſt, vorher in dem<lb/>
Vater, oder in der Mutter verborgen geweſen; ob es<lb/>
durch eine Erzeugung aus ſich ſelbſt, aus an einander<lb/>ſchlieſſenden Theilchen zuſammengeſezzt worden; oder ob<lb/>
es endlich ſchnell nnd ohne eine eigenthuͤmliche Erzeugung<lb/>
aus einer Verbindung unorganiſcher Theile zu einem<lb/>
Ganzen erwachſen iſt.</p><lb/><p>Ueberhaupt iſt die Erzeugung aus ſich ſelbſt eine un-<lb/>
moͤgliche Sache <noteplace="foot"n="(a)"><cb/><hirendition="#aq"><hirendition="#g">BAYLE</hi> diſſ. phyſ. III.<lb/>
CHEYNE philoſ princ. of relig.<lb/>
p.</hi> 130. und vormals <hirendition="#aq">DEMOCRI-<lb/>
TUS apud CENSORINUM de die<lb/>
natali</hi> mit einmal wird das Huͤhn-<lb/><cb/>
chen fertig <hirendition="#aq"><hirendition="#g">CROONE</hi></hi> bei dem<lb/><hirendition="#aq">BIRCH T. III. p.</hi> 36.</note>. Derjenige, welcher den Bau des<lb/>
Koͤrpers nur ein wenig uͤberlegt, wird ſogleich merken,<lb/>
daß ein Thier niemals ohne ein Herz geweſen ſeyn kann <noteplace="foot"n="(b)"><hirendition="#aq">L. IV. p.</hi> 446.</note>,<lb/>
weil blos das Herz die einzige Federkraft des Lebens und<lb/>
der Bewegung iſt. Nun muſten bey dem Herzen auch<lb/>
Schlagadern <noteplace="foot"n="(c)"><hirendition="#aq">Adde CHEYNE 1. c. BON-<lb/>
NET II. p.</hi> 26.</note>ſeyn, welche den Lebensſaft allen Thei-<lb/>
len des Thieres zufuͤhren, und Blutadern, welche das<lb/>
Blut dem Herzen wieder zuruͤkke geben, indem es ſogleich<lb/>
austrokknen wuͤrde, wofern kein neuer Zufluß den Ab-<lb/>
gang erſezzete.</p><lb/><p>Auch das ergiebt ſich leichtiich, daß nicht blos ein<lb/>
Geribbe von Gefaͤſſen in der Frucht vorhanden geweſen<lb/>ſeyn koͤnne. Nothwendig muͤſſen bei den Gefaͤſſen auch<lb/>
die Eingeweide geweſen ſeyn, denn dieſe beſtehen ganz<lb/>
und gar aus Gefaͤſſen, und dem Fadengewebe. Doch<lb/>
es hat auch niemand Eingeweide, aus neben einander<lb/>
liegenden Theilen zu einem Ganzen werden geſehen. Sie<lb/>ſind, ſobald ſie ſichtbar werden, klein, aber ſogleich<lb/>
vollſtaͤndig <noteplace="foot"n="(d)"><hirendition="#aq">BONNET I. p.</hi> 149.</note>. Die Muskeln muͤſſen von den erſten<lb/>
Theilen, welche mit geweſen ſeyn: denn das kleine Thier<lb/><fwplace="bottom"type="catch">bewegt</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[251/0303]
II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres.
Nun lieſſe ſich die Frage aufwerfen, ob dieſes un-
foͤrmliche Thierchen, auch alsdenn, wenn es noch fuͤr
die Augen des Forſchenden viel zu klein iſt, vorher in dem
Vater, oder in der Mutter verborgen geweſen; ob es
durch eine Erzeugung aus ſich ſelbſt, aus an einander
ſchlieſſenden Theilchen zuſammengeſezzt worden; oder ob
es endlich ſchnell nnd ohne eine eigenthuͤmliche Erzeugung
aus einer Verbindung unorganiſcher Theile zu einem
Ganzen erwachſen iſt.
Ueberhaupt iſt die Erzeugung aus ſich ſelbſt eine un-
moͤgliche Sache (a). Derjenige, welcher den Bau des
Koͤrpers nur ein wenig uͤberlegt, wird ſogleich merken,
daß ein Thier niemals ohne ein Herz geweſen ſeyn kann (b),
weil blos das Herz die einzige Federkraft des Lebens und
der Bewegung iſt. Nun muſten bey dem Herzen auch
Schlagadern (c) ſeyn, welche den Lebensſaft allen Thei-
len des Thieres zufuͤhren, und Blutadern, welche das
Blut dem Herzen wieder zuruͤkke geben, indem es ſogleich
austrokknen wuͤrde, wofern kein neuer Zufluß den Ab-
gang erſezzete.
Auch das ergiebt ſich leichtiich, daß nicht blos ein
Geribbe von Gefaͤſſen in der Frucht vorhanden geweſen
ſeyn koͤnne. Nothwendig muͤſſen bei den Gefaͤſſen auch
die Eingeweide geweſen ſeyn, denn dieſe beſtehen ganz
und gar aus Gefaͤſſen, und dem Fadengewebe. Doch
es hat auch niemand Eingeweide, aus neben einander
liegenden Theilen zu einem Ganzen werden geſehen. Sie
ſind, ſobald ſie ſichtbar werden, klein, aber ſogleich
vollſtaͤndig (d). Die Muskeln muͤſſen von den erſten
Theilen, welche mit geweſen ſeyn: denn das kleine Thier
bewegt
(a)
BAYLE diſſ. phyſ. III.
CHEYNE philoſ princ. of relig.
p. 130. und vormals DEMOCRI-
TUS apud CENSORINUM de die
natali mit einmal wird das Huͤhn-
chen fertig CROONE bei dem
BIRCH T. III. p. 36.
(b) L. IV. p. 446.
(c) Adde CHEYNE 1. c. BON-
NET II. p. 26.
(d) BONNET I. p. 149.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/303>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.