Solchergestalt wird diejenige Frucht, welche über und über weis war, mit der Zeit völlig, und sehr roth (i). Und so werden die Eingeweide sichtbar, welche sich gleichsam hinter der Larve der Durchsichtigkeit bis dahin verstekkten (k), z. E. die Lunge und die Leber selbst.
Unter eben diesen Ursachen gehöret auch die Aus- spannung des Adernezzes. Da ich das geschwinde Wachs- thum der Harnfruchthaut, wie man sie ohne Grund bei den Vögeln nennt, betrachtete, so sahe ich, daß diese Haut, welche vor dem dritten Tage (l) fast noch ganz und gar keine Breite hatte, das Ansehn von einer dün- nen Schnur bekam. Daher muste der Schlagader- stamm, und dessen Aeste, ihm ganz nahe, und beinahe parallel liegen, und die Winkel zwischen den Stämmen und Aesten, ganz klein seyn.
Sobald nun das Blut in diesen Gefässen ankömmt, so ziehen sich die Aeste der Schlagader von dem Stam- me zurükke, und es wachsen nach eben dem Verhältnisse, wie die ganze Membran wächst, die Winkel zwischen den Stämmen der Gefässe, und zwischen den Aesten grös- ser, es entstehen zwischen den verschobenen Aesten weisse Zwischenstellen, die Winkel bequemen sich besser dem zu- strömenden Blute, so lange bis sie den fünf und vierzig- sten Grad erreichen (m), und unter solcher Stellung die allerbeste Lage bekommen, das Blut in sich aufzunehmen. Eben dieses demonstrirt die Natur an den Baumblät- tern, denn bei diesen liegen ebenfalls die Fasern, wenn die Blätter noch jung sind, in einem Pakke beisammen (n),
sie
(i)[Spaltenumbruch]
Das parenchyma ist bey jungen Thieren bleich, hernach wird es roth. BIRCH T. III. p. 140. in jungen Thieren ist mehr Blnt, als bei alten. LISTER hum. HIR- SCHEL differ. fet. p. 8. PINEAU &c.
(k)Form. du poulet. II. p. 179.
(l)Obs. 78. 79.
(m)[Spaltenumbruch]
Denn in diesem Winkel wird so viel fortrückende Kraft, mit der drükkenden Kraft erhalten, als geschehen kann. Ein kleiner Winkel hat mehr fortrükkende Kraft; ein grosser mehr von der Seitenkraft.
(n)LUDWIG Instit. regn. ve- get. p. 214.
H h 2
IV. Abſ. Das Leben der Frucht.
Solchergeſtalt wird diejenige Frucht, welche uͤber und uͤber weis war, mit der Zeit voͤllig, und ſehr roth (i). Und ſo werden die Eingeweide ſichtbar, welche ſich gleichſam hinter der Larve der Durchſichtigkeit bis dahin verſtekkten (k), z. E. die Lunge und die Leber ſelbſt.
Unter eben dieſen Urſachen gehoͤret auch die Aus- ſpannung des Adernezzes. Da ich das geſchwinde Wachs- thum der Harnfruchthaut, wie man ſie ohne Grund bei den Voͤgeln nennt, betrachtete, ſo ſahe ich, daß dieſe Haut, welche vor dem dritten Tage (l) faſt noch ganz und gar keine Breite hatte, das Anſehn von einer duͤn- nen Schnur bekam. Daher muſte der Schlagader- ſtamm, und deſſen Aeſte, ihm ganz nahe, und beinahe parallel liegen, und die Winkel zwiſchen den Staͤmmen und Aeſten, ganz klein ſeyn.
Sobald nun das Blut in dieſen Gefaͤſſen ankoͤmmt, ſo ziehen ſich die Aeſte der Schlagader von dem Stam- me zuruͤkke, und es wachſen nach eben dem Verhaͤltniſſe, wie die ganze Membran waͤchſt, die Winkel zwiſchen den Staͤmmen der Gefaͤſſe, und zwiſchen den Aeſten groͤſ- ſer, es entſtehen zwiſchen den verſchobenen Aeſten weiſſe Zwiſchenſtellen, die Winkel bequemen ſich beſſer dem zu- ſtroͤmenden Blute, ſo lange bis ſie den fuͤnf und vierzig- ſten Grad erreichen (m), und unter ſolcher Stellung die allerbeſte Lage bekommen, das Blut in ſich aufzunehmen. Eben dieſes demonſtrirt die Natur an den Baumblaͤt- tern, denn bei dieſen liegen ebenfalls die Faſern, wenn die Blaͤtter noch jung ſind, in einem Pakke beiſammen (n),
ſie
(i)[Spaltenumbruch]
Das parenchyma iſt bey jungen Thieren bleich, hernach wird es roth. BIRCH T. III. p. 140. in jungen Thieren iſt mehr Blnt, als bei alten. LISTER hum. HIR- SCHEL differ. fet. p. 8. PINEAU &c.
(k)Form. du poulet. II. p. 179.
(l)Obſ. 78. 79.
(m)[Spaltenumbruch]
Denn in dieſem Winkel wird ſo viel fortruͤckende Kraft, mit der druͤkkenden Kraft erhalten, als geſchehen kann. Ein kleiner Winkel hat mehr fortruͤkkende Kraft; ein groſſer mehr von der Seitenkraft.
(n)LUDWIG Inſtit. regn. ve- get. p. 214.
H h 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0535"n="481[483]"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">IV.</hi> Abſ. Das Leben der Frucht.</hi></fw><lb/><p>Solchergeſtalt wird diejenige Frucht, welche uͤber<lb/>
und uͤber weis war, mit der Zeit voͤllig, und ſehr roth<lb/><noteplace="foot"n="(i)"><cb/>
Das <hirendition="#aq">parenchyma</hi> iſt bey<lb/>
jungen Thieren bleich, hernach wird<lb/>
es roth. <hirendition="#aq"><hirendition="#g">BIRCH</hi> T. III. p.</hi> 140.<lb/>
in jungen Thieren iſt mehr Blnt,<lb/>
als bei alten. <hirendition="#aq">LISTER hum. HIR-<lb/>
SCHEL differ. fet. p. 8. PINEAU<lb/>&c.</hi></note>. Und ſo werden die Eingeweide ſichtbar, welche ſich<lb/>
gleichſam hinter der Larve der Durchſichtigkeit bis dahin<lb/>
verſtekkten <noteplace="foot"n="(k)"><hirendition="#aq">Form. du poulet. II. p.</hi> 179.</note>, z. E. die Lunge und die Leber ſelbſt.</p><lb/><p>Unter eben dieſen Urſachen gehoͤret auch die Aus-<lb/>ſpannung des Adernezzes. Da ich das geſchwinde Wachs-<lb/>
thum der Harnfruchthaut, wie man ſie ohne Grund bei<lb/>
den Voͤgeln nennt, betrachtete, ſo ſahe ich, daß dieſe<lb/>
Haut, welche vor dem dritten Tage <noteplace="foot"n="(l)"><hirendition="#aq">Obſ.</hi> 78. 79.</note> faſt noch ganz<lb/>
und gar keine Breite hatte, das Anſehn von einer duͤn-<lb/>
nen Schnur bekam. Daher muſte der Schlagader-<lb/>ſtamm, und deſſen Aeſte, ihm ganz nahe, und beinahe<lb/>
parallel liegen, und die Winkel zwiſchen den Staͤmmen<lb/>
und Aeſten, ganz klein ſeyn.</p><lb/><p>Sobald nun das Blut in dieſen Gefaͤſſen ankoͤmmt,<lb/>ſo ziehen ſich die Aeſte der Schlagader von dem Stam-<lb/>
me zuruͤkke, und es wachſen nach eben dem Verhaͤltniſſe,<lb/>
wie die ganze Membran waͤchſt, die Winkel zwiſchen<lb/>
den Staͤmmen der Gefaͤſſe, und zwiſchen den Aeſten groͤſ-<lb/>ſer, es entſtehen zwiſchen den verſchobenen Aeſten weiſſe<lb/>
Zwiſchenſtellen, die Winkel bequemen ſich beſſer dem zu-<lb/>ſtroͤmenden Blute, ſo lange bis ſie den fuͤnf und vierzig-<lb/>ſten Grad erreichen <noteplace="foot"n="(m)"><cb/>
Denn in dieſem Winkel<lb/>
wird ſo viel fortruͤckende Kraft,<lb/>
mit der druͤkkenden Kraft erhalten,<lb/>
als geſchehen kann. Ein kleiner<lb/>
Winkel hat mehr fortruͤkkende<lb/>
Kraft; ein groſſer mehr von der<lb/>
Seitenkraft.</note>, und unter ſolcher Stellung die<lb/>
allerbeſte Lage bekommen, das Blut in ſich aufzunehmen.<lb/>
Eben dieſes demonſtrirt die Natur an den Baumblaͤt-<lb/>
tern, denn bei dieſen liegen ebenfalls die Faſern, wenn<lb/>
die Blaͤtter noch jung ſind, in einem Pakke beiſammen <noteplace="foot"n="(n)"><hirendition="#aq">LUDWIG Inſtit. regn. ve-<lb/>
get. p.</hi> 214.</note>,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">H h 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">ſie</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[481[483]/0535]
IV. Abſ. Das Leben der Frucht.
Solchergeſtalt wird diejenige Frucht, welche uͤber
und uͤber weis war, mit der Zeit voͤllig, und ſehr roth
(i). Und ſo werden die Eingeweide ſichtbar, welche ſich
gleichſam hinter der Larve der Durchſichtigkeit bis dahin
verſtekkten (k), z. E. die Lunge und die Leber ſelbſt.
Unter eben dieſen Urſachen gehoͤret auch die Aus-
ſpannung des Adernezzes. Da ich das geſchwinde Wachs-
thum der Harnfruchthaut, wie man ſie ohne Grund bei
den Voͤgeln nennt, betrachtete, ſo ſahe ich, daß dieſe
Haut, welche vor dem dritten Tage (l) faſt noch ganz
und gar keine Breite hatte, das Anſehn von einer duͤn-
nen Schnur bekam. Daher muſte der Schlagader-
ſtamm, und deſſen Aeſte, ihm ganz nahe, und beinahe
parallel liegen, und die Winkel zwiſchen den Staͤmmen
und Aeſten, ganz klein ſeyn.
Sobald nun das Blut in dieſen Gefaͤſſen ankoͤmmt,
ſo ziehen ſich die Aeſte der Schlagader von dem Stam-
me zuruͤkke, und es wachſen nach eben dem Verhaͤltniſſe,
wie die ganze Membran waͤchſt, die Winkel zwiſchen
den Staͤmmen der Gefaͤſſe, und zwiſchen den Aeſten groͤſ-
ſer, es entſtehen zwiſchen den verſchobenen Aeſten weiſſe
Zwiſchenſtellen, die Winkel bequemen ſich beſſer dem zu-
ſtroͤmenden Blute, ſo lange bis ſie den fuͤnf und vierzig-
ſten Grad erreichen (m), und unter ſolcher Stellung die
allerbeſte Lage bekommen, das Blut in ſich aufzunehmen.
Eben dieſes demonſtrirt die Natur an den Baumblaͤt-
tern, denn bei dieſen liegen ebenfalls die Faſern, wenn
die Blaͤtter noch jung ſind, in einem Pakke beiſammen (n),
ſie
(i)
Das parenchyma iſt bey
jungen Thieren bleich, hernach wird
es roth. BIRCH T. III. p. 140.
in jungen Thieren iſt mehr Blnt,
als bei alten. LISTER hum. HIR-
SCHEL differ. fet. p. 8. PINEAU
&c.
(k) Form. du poulet. II. p. 179.
(l) Obſ. 78. 79.
(m)
Denn in dieſem Winkel
wird ſo viel fortruͤckende Kraft,
mit der druͤkkenden Kraft erhalten,
als geſchehen kann. Ein kleiner
Winkel hat mehr fortruͤkkende
Kraft; ein groſſer mehr von der
Seitenkraft.
(n) LUDWIG Inſtit. regn. ve-
get. p. 214.
H h 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 481[483]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/535>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.