Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite
IV. Abs. Das Leben der Frucht.

Glaublich ist es auch, daß sich das reizbare Wesen
desselben verringert, da solches in einem ganz zarten
Hühnchen sehr gros ist.

Nun wird das Nervensistem überhaupt in einem
neugebornen Kinde, wenn sich dasselbe der Billigkeit ge-
mäß, wie das Rükkenmark (o) oder der Kopf verhält (p)
grösser, als in einer erwachsenen Person (q), in dem
Verhältnisse 3. 3. oder 63. 33. nemlich wie
216. 27, und wie 9 zu 1. Daher besitzet billig die Frucht
eine schärfere Empfindung, so wie die Kinder, daher sie
von einem groben Tone leichtlich erschrekkt, und zu Con-
vulsionen gebracht werden (r); die Schärfe des Weines
bringt ihrem Körper Erschütterungen bei, sie brechen
schnell, bei dem geringsten Unrechte, in Thränen und
Geschrei aus, das Herz schlägt bei ihnen geschwinder (v),
und es erregt endlich ein geringer Flohstich, welcher bei
Erwachsenen einen Flekken verursacht, an Kindern so-
gar eine Geschwulst.

Obgleich nunmehr die Versuche nicht an den Tag
legen (t), daß das Herz von einer mechanischen Reizung
der Nerven des achten Paares, und des Ribbennervens
in Unordnung gerate; und obgleich einige berühmte
Männer dem Herzen eine Empfindung absprechen (v),
so ist es dennoch offenbar, daß sogar nach dem Exempel
der Leidenschaften, die Nervenkraft die Herzschläge zu
vergrössern, zu vermindern, und zu unterdrucken im
Stande sey.

Wenn daher das Herz in der Frucht eine schärfere
Empfindlichkeit hat, so muß auch in viel schnellerer Zeit,
und von einem kleinern Klümpchen Blut ein völliges, und

nach
(o) [Spaltenumbruch] MALPIGHI incub.
(p) p. 257. 116. 178.
(q) Der Kopf eines neugebor-
nen Kindes ist so gros, als der
dritte Theil, am erwachsenen der
sechste oder achte Theil vom Kör-
per.
(r) [Spaltenumbruch] L. XX. p. 295.
(v) La HIRE. accid. de la vuen
p. 571. L. IV. p.
469.
(t) L. IV. p. 463.
(v) De HAEN.
IV. Abſ. Das Leben der Frucht.

Glaublich iſt es auch, daß ſich das reizbare Weſen
deſſelben verringert, da ſolches in einem ganz zarten
Huͤhnchen ſehr gros iſt.

Nun wird das Nervenſiſtem uͤberhaupt in einem
neugebornen Kinde, wenn ſich daſſelbe der Billigkeit ge-
maͤß, wie das Ruͤkkenmark (o) oder der Kopf verhaͤlt (p)
groͤſſer, als in einer erwachſenen Perſon (q), in dem
Verhaͤltniſſe 3. 3. oder 63. 33. nemlich wie
216. 27, und wie 9 zu 1. Daher beſitzet billig die Frucht
eine ſchaͤrfere Empfindung, ſo wie die Kinder, daher ſie
von einem groben Tone leichtlich erſchrekkt, und zu Con-
vulſionen gebracht werden (r); die Schaͤrfe des Weines
bringt ihrem Koͤrper Erſchuͤtterungen bei, ſie brechen
ſchnell, bei dem geringſten Unrechte, in Thraͤnen und
Geſchrei aus, das Herz ſchlaͤgt bei ihnen geſchwinder (v),
und es erregt endlich ein geringer Flohſtich, welcher bei
Erwachſenen einen Flekken verurſacht, an Kindern ſo-
gar eine Geſchwulſt.

Obgleich nunmehr die Verſuche nicht an den Tag
legen (t), daß das Herz von einer mechaniſchen Reizung
der Nerven des achten Paares, und des Ribbennervens
in Unordnung gerate; und obgleich einige beruͤhmte
Maͤnner dem Herzen eine Empfindung abſprechen (v),
ſo iſt es dennoch offenbar, daß ſogar nach dem Exempel
der Leidenſchaften, die Nervenkraft die Herzſchlaͤge zu
vergroͤſſern, zu vermindern, und zu unterdrucken im
Stande ſey.

Wenn daher das Herz in der Frucht eine ſchaͤrfere
Empfindlichkeit hat, ſo muß auch in viel ſchnellerer Zeit,
und von einem kleinern Kluͤmpchen Blut ein voͤlliges, und

nach
(o) [Spaltenumbruch] MALPIGHI incub.
(p) p. 257. 116. 178.
(q) Der Kopf eines neugebor-
nen Kindes iſt ſo gros, als der
dritte Theil, am erwachſenen der
ſechſte oder achte Theil vom Koͤr-
per.
(r) [Spaltenumbruch] L. XX. p. 295.
(v) La HIRE. accid. de la vuē
p. 571. L. IV. p.
469.
(t) L. IV. p. 463.
(v) De HAEN.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0545" n="491[493]"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Ab&#x017F;. Das Leben der Frucht.</hi> </fw><lb/>
              <p>Glaublich i&#x017F;t es auch, daß &#x017F;ich das reizbare We&#x017F;en<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben verringert, da &#x017F;olches in einem ganz zarten<lb/>
Hu&#x0364;hnchen &#x017F;ehr gros i&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>Nun wird das Nerven&#x017F;i&#x017F;tem u&#x0364;berhaupt in einem<lb/>
neugebornen Kinde, wenn &#x017F;ich da&#x017F;&#x017F;elbe der Billigkeit ge-<lb/>
ma&#x0364;ß, wie das Ru&#x0364;kkenmark <note place="foot" n="(o)"><cb/><hi rendition="#aq">MALPIGHI incub.</hi></note> oder der Kopf verha&#x0364;lt <note place="foot" n="(p)"><hi rendition="#aq">p.</hi> 257. 116. 178.</note><lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, als in einer erwach&#x017F;enen Per&#x017F;on <note place="foot" n="(q)">Der Kopf eines neugebor-<lb/>
nen Kindes i&#x017F;t &#x017F;o gros, als der<lb/>
dritte Theil, am erwach&#x017F;enen der<lb/>
&#x017F;ech&#x017F;te oder achte Theil vom Ko&#x0364;r-<lb/>
per.</note>, in dem<lb/>
Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e <formula notation="TeX">\frac {1}{34}</formula> 3. <formula notation="TeX">\frac {1}{64}</formula> 3. oder 6<hi rendition="#sup">3</hi>. 3<hi rendition="#sup">3</hi>. nemlich wie<lb/>
216. 27, und wie 9 zu 1. Daher be&#x017F;itzet billig die Frucht<lb/>
eine &#x017F;cha&#x0364;rfere Empfindung, &#x017F;o wie die Kinder, daher &#x017F;ie<lb/>
von einem groben Tone leichtlich er&#x017F;chrekkt, und zu Con-<lb/>
vul&#x017F;ionen gebracht werden <note place="foot" n="(r)"><cb/><hi rendition="#aq">L. XX. p.</hi> 295.</note>; die Scha&#x0364;rfe des Weines<lb/>
bringt ihrem Ko&#x0364;rper Er&#x017F;chu&#x0364;tterungen bei, &#x017F;ie brechen<lb/>
&#x017F;chnell, bei dem gering&#x017F;ten Unrechte, in Thra&#x0364;nen und<lb/>
Ge&#x017F;chrei aus, das Herz &#x017F;chla&#x0364;gt bei ihnen ge&#x017F;chwinder <note place="foot" n="(v)"><hi rendition="#aq">La HIRE. accid. de la vue&#x0304;<lb/>
p. 571. L. IV. p.</hi> 469.</note>,<lb/>
und es erregt endlich ein geringer Floh&#x017F;tich, welcher bei<lb/>
Erwach&#x017F;enen einen Flekken verur&#x017F;acht, an Kindern &#x017F;o-<lb/>
gar eine Ge&#x017F;chwul&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>Obgleich nunmehr die Ver&#x017F;uche nicht an den Tag<lb/>
legen <note place="foot" n="(t)"><hi rendition="#aq">L. IV. p.</hi> 463.</note>, daß das Herz von einer mechani&#x017F;chen Reizung<lb/>
der Nerven des achten Paares, und des Ribbennervens<lb/>
in Unordnung gerate; und obgleich einige beru&#x0364;hmte<lb/>
Ma&#x0364;nner dem Herzen eine Empfindung ab&#x017F;prechen <note place="foot" n="(v)"><hi rendition="#aq">De HAEN.</hi></note>,<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t es dennoch offenbar, daß &#x017F;ogar nach dem Exempel<lb/>
der Leiden&#x017F;chaften, die Nervenkraft die Herz&#x017F;chla&#x0364;ge zu<lb/>
vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern, zu vermindern, und zu unterdrucken im<lb/>
Stande &#x017F;ey.</p><lb/>
              <p>Wenn daher das Herz in der Frucht eine &#x017F;cha&#x0364;rfere<lb/>
Empfindlichkeit hat, &#x017F;o muß auch in viel &#x017F;chnellerer Zeit,<lb/>
und von einem kleinern Klu&#x0364;mpchen Blut ein vo&#x0364;lliges, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nach</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[491[493]/0545] IV. Abſ. Das Leben der Frucht. Glaublich iſt es auch, daß ſich das reizbare Weſen deſſelben verringert, da ſolches in einem ganz zarten Huͤhnchen ſehr gros iſt. Nun wird das Nervenſiſtem uͤberhaupt in einem neugebornen Kinde, wenn ſich daſſelbe der Billigkeit ge- maͤß, wie das Ruͤkkenmark (o) oder der Kopf verhaͤlt (p) groͤſſer, als in einer erwachſenen Perſon (q), in dem Verhaͤltniſſe [FORMEL] 3. [FORMEL] 3. oder 63. 33. nemlich wie 216. 27, und wie 9 zu 1. Daher beſitzet billig die Frucht eine ſchaͤrfere Empfindung, ſo wie die Kinder, daher ſie von einem groben Tone leichtlich erſchrekkt, und zu Con- vulſionen gebracht werden (r); die Schaͤrfe des Weines bringt ihrem Koͤrper Erſchuͤtterungen bei, ſie brechen ſchnell, bei dem geringſten Unrechte, in Thraͤnen und Geſchrei aus, das Herz ſchlaͤgt bei ihnen geſchwinder (v), und es erregt endlich ein geringer Flohſtich, welcher bei Erwachſenen einen Flekken verurſacht, an Kindern ſo- gar eine Geſchwulſt. Obgleich nunmehr die Verſuche nicht an den Tag legen (t), daß das Herz von einer mechaniſchen Reizung der Nerven des achten Paares, und des Ribbennervens in Unordnung gerate; und obgleich einige beruͤhmte Maͤnner dem Herzen eine Empfindung abſprechen (v), ſo iſt es dennoch offenbar, daß ſogar nach dem Exempel der Leidenſchaften, die Nervenkraft die Herzſchlaͤge zu vergroͤſſern, zu vermindern, und zu unterdrucken im Stande ſey. Wenn daher das Herz in der Frucht eine ſchaͤrfere Empfindlichkeit hat, ſo muß auch in viel ſchnellerer Zeit, und von einem kleinern Kluͤmpchen Blut ein voͤlliges, und nach (o) MALPIGHI incub. (p) p. 257. 116. 178. (q) Der Kopf eines neugebor- nen Kindes iſt ſo gros, als der dritte Theil, am erwachſenen der ſechſte oder achte Theil vom Koͤr- per. (r) L. XX. p. 295. (v) La HIRE. accid. de la vuē p. 571. L. IV. p. 469. (t) L. IV. p. 463. (v) De HAEN.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/545
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 491[493]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/545>, abgerufen am 26.06.2024.