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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

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Die Frucht. XXIX. B.

Endlich machen so gar die menschliche Künsteleien
in dem Wachsen der Knochen eine Veränderung, und
richten selbige nach ihren Absichten ein. Jn Amerika
stekken gewisse Völker, Flachköpfe genannt, die Köpfe
ihrer jungen Kinder in eine Thonmasse, um die eingebil-
dete zierliche Figur (f), nicht ohne Gefar dieser Elenden,
dadurch zu erlangen. Diese Pressung machet die Kno-
chen so wohl dünne (g), als ungemein hart (h). Auch
bildet der Widerstand der benachbarten Körper die Theile
eines belebten Körpers, und man nennet diese Wirksam-
keit, accommodatio.

Selbige habe ich ganz offenbar an der Frucht mit
Augen gesehen, dessen Lunge gleichsam zakkige Merkmale
von den entstehenden Ribben, so in parallelen Zwischen-
räumen dieses Eingeweide zusammendrükken, an sich trägt:
deren Herz sich vermittelst seiner Spizze, zwischen den
beiden Leberlappen, gleichsam ein Nest aushöhlt, und die
Leber bildet, und wiederum gegenseitig von derselben ge-
bildet wird: eben so werden auch die übrigen Theile des
Bauches zum Theil von der Leber ausgebildet, zum Theil
tragen sie das ihre mit Nachdrukk bei, um die Leber zu
bilden.

Ehemals glaubte man, daß das Angesicht von den
Händen und von den Knien der zusammengebogenen
Frucht, seine Bildung bekomme (i), und man redete
von unzählichen dergleichen Punkten.

Man stelle sich auch nicht vor, daß blos die weichen
Theile von den harten gebildet werden, indem sich über-

haupt
(f) [Spaltenumbruch] LAFITEAU Meurs des
Sauvages p. 596. CHARLEVOIX
S. Domingue I. p.
37. Vom Bin-
den werden die Köpfe der Jndianer
flach British. Empire p. 307. sie
drükken am Amazonenfluß Stirn
und Hinterkopf zwischen Brettern
zusammen BELLIN Guyane p. 227.
(g) Schulterblat, Darmknochen
CHESELDEN p. 10.
(h) [Spaltenumbruch] Sind in der Mitte härter
MONRO of the bones ed. V. p.
33. Das Eisen zerbricht an diesen
Knochen der Plattköpfe CHAR-
LEVOIX l. c.
deren Platten der
trokknende Thon näher zusammen-
getrieben.
(i) MISTICHELLI bei dem des
NOUES lettr. p.
186.
Die Frucht. XXIX. B.

Endlich machen ſo gar die menſchliche Kuͤnſteleien
in dem Wachſen der Knochen eine Veraͤnderung, und
richten ſelbige nach ihren Abſichten ein. Jn Amerika
ſtekken gewiſſe Voͤlker, Flachkoͤpfe genannt, die Koͤpfe
ihrer jungen Kinder in eine Thonmaſſe, um die eingebil-
dete zierliche Figur (f), nicht ohne Gefar dieſer Elenden,
dadurch zu erlangen. Dieſe Preſſung machet die Kno-
chen ſo wohl duͤnne (g), als ungemein hart (h). Auch
bildet der Widerſtand der benachbarten Koͤrper die Theile
eines belebten Koͤrpers, und man nennet dieſe Wirkſam-
keit, accommodatio.

Selbige habe ich ganz offenbar an der Frucht mit
Augen geſehen, deſſen Lunge gleichſam zakkige Merkmale
von den entſtehenden Ribben, ſo in parallelen Zwiſchen-
raͤumen dieſes Eingeweide zuſammendruͤkken, an ſich traͤgt:
deren Herz ſich vermittelſt ſeiner Spizze, zwiſchen den
beiden Leberlappen, gleichſam ein Neſt aushoͤhlt, und die
Leber bildet, und wiederum gegenſeitig von derſelben ge-
bildet wird: eben ſo werden auch die uͤbrigen Theile des
Bauches zum Theil von der Leber ausgebildet, zum Theil
tragen ſie das ihre mit Nachdrukk bei, um die Leber zu
bilden.

Ehemals glaubte man, daß das Angeſicht von den
Haͤnden und von den Knien der zuſammengebogenen
Frucht, ſeine Bildung bekomme (i), und man redete
von unzaͤhlichen dergleichen Punkten.

Man ſtelle ſich auch nicht vor, daß blos die weichen
Theile von den harten gebildet werden, indem ſich uͤber-

haupt
(f) [Spaltenumbruch] LAFITEAU Meurs des
Sauvages p. 596. CHARLEVOIX
S. Domingue I. p.
37. Vom Bin-
den werden die Koͤpfe der Jndianer
flach British. Empire p. 307. ſie
druͤkken am Amazonenfluß Stirn
und Hinterkopf zwiſchen Brettern
zuſammen BELLIN Guyane p. 227.
(g) Schulterblat, Darmknochen
CHESELDEN p. 10.
(h) [Spaltenumbruch] Sind in der Mitte haͤrter
MONRO of the bones ed. V. p.
33. Das Eiſen zerbricht an dieſen
Knochen der Plattkoͤpfe CHAR-
LEVOIX l. c.
deren Platten der
trokknende Thon naͤher zuſammen-
getrieben.
(i) MISTICHELLI bei dem des
NOUES lettr. p.
186.
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[506[508]/0560] Die Frucht. XXIX. B. Endlich machen ſo gar die menſchliche Kuͤnſteleien in dem Wachſen der Knochen eine Veraͤnderung, und richten ſelbige nach ihren Abſichten ein. Jn Amerika ſtekken gewiſſe Voͤlker, Flachkoͤpfe genannt, die Koͤpfe ihrer jungen Kinder in eine Thonmaſſe, um die eingebil- dete zierliche Figur (f), nicht ohne Gefar dieſer Elenden, dadurch zu erlangen. Dieſe Preſſung machet die Kno- chen ſo wohl duͤnne (g), als ungemein hart (h). Auch bildet der Widerſtand der benachbarten Koͤrper die Theile eines belebten Koͤrpers, und man nennet dieſe Wirkſam- keit, accommodatio. Selbige habe ich ganz offenbar an der Frucht mit Augen geſehen, deſſen Lunge gleichſam zakkige Merkmale von den entſtehenden Ribben, ſo in parallelen Zwiſchen- raͤumen dieſes Eingeweide zuſammendruͤkken, an ſich traͤgt: deren Herz ſich vermittelſt ſeiner Spizze, zwiſchen den beiden Leberlappen, gleichſam ein Neſt aushoͤhlt, und die Leber bildet, und wiederum gegenſeitig von derſelben ge- bildet wird: eben ſo werden auch die uͤbrigen Theile des Bauches zum Theil von der Leber ausgebildet, zum Theil tragen ſie das ihre mit Nachdrukk bei, um die Leber zu bilden. Ehemals glaubte man, daß das Angeſicht von den Haͤnden und von den Knien der zuſammengebogenen Frucht, ſeine Bildung bekomme (i), und man redete von unzaͤhlichen dergleichen Punkten. Man ſtelle ſich auch nicht vor, daß blos die weichen Theile von den harten gebildet werden, indem ſich uͤber- haupt (f) LAFITEAU Meurs des Sauvages p. 596. CHARLEVOIX S. Domingue I. p. 37. Vom Bin- den werden die Koͤpfe der Jndianer flach British. Empire p. 307. ſie druͤkken am Amazonenfluß Stirn und Hinterkopf zwiſchen Brettern zuſammen BELLIN Guyane p. 227. (g) Schulterblat, Darmknochen CHESELDEN p. 10. (h) Sind in der Mitte haͤrter MONRO of the bones ed. V. p. 33. Das Eiſen zerbricht an dieſen Knochen der Plattkoͤpfe CHAR- LEVOIX l. c. deren Platten der trokknende Thon naͤher zuſammen- getrieben. (i) MISTICHELLI bei dem des NOUES lettr. p. 186.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 506[508]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/560>, abgerufen am 22.11.2024.