Stamm verloren gegangen. Sobald nemlich, als ein Mensch die Gefahr des heissen Brandes überstanden, und die Hand, wie es nicht selten geschieht, Leben, Wär- me und Puls wieder bekommen, alsdenn wird das von der gebundenen Schlagader zurükkgetriebene Blut, in ir- gend eine, von den dreien zurükklaufenden (a) Adern, welche ich an einem andern Orte beschrieben, abgeleitet. Dieses Blut füllet sie an, und man siehet sie unterhalb dem Bande, wegen des neuen Zuflusses vom Blute, für den Ellnbogenstamm an.
Nach meinen Gedanken wächset nun das Bekken, und die Füsse, nach der Geburt auf folgende Weise. Man bindet die Nabelschlagadern, und es verschwindet die Nabelschnur, in welche diese Adern sich begaben, als ob sie verbrannt wäre, sehr geschwinde. Folglich stür- zet sich das Blut, so auf die gemeinschaftliche Bekken- schlagader (iliaca) fällt, mit einer grössern Gewalt in die äussere Bekkenschlagader, so ein freier Ast der gemein- schaftlichen Bekkenader ist (b), und erweitert selbige je- derzeit durch einen neuen Zufluß von Blut.
Daher wächset alles, was weich, und noch unreif ist, die Hüfte, Schenkel, und Füsse: und die Frucht, wel- che überhaupt schwimmend war, so wie das Kind, wel- ches kroch, verwandelt sich vermittelst dieser grössern Nah- rung der Hüfte, in ein zweifüßiges gehendes Thier, in- dem es blos durch diese Stellung in den Stand gesezzet wird, über die Natur herrschen zu können.
Eben dieses vereinigt sich nun, wenn einer der Aeste zwar nicht zu Grunde gerichtet wird, aber dennoch keine völlige Passage mehr hat. Alsdenn stürzt sich nemlich Kraft dieses Gefezzes, so unsre Versuche bestätigen, das Blut mit seiner völligen Gewalt in die freie Schlagader, sobald es sich von dem widerstehenden Stamme abwendet.
Eben
(a)[Spaltenumbruch]Icon anat. fasc. VI. T. V. & ic. arter. corp. tot. post.
(b)[Spaltenumbruch]Conf. Oper. min. de motu sanguinis exp. 54.
IV. Abſ. Das Leben der Frucht.
Stamm verloren gegangen. Sobald nemlich, als ein Menſch die Gefahr des heiſſen Brandes uͤberſtanden, und die Hand, wie es nicht ſelten geſchieht, Leben, Waͤr- me und Puls wieder bekommen, alsdenn wird das von der gebundenen Schlagader zuruͤkkgetriebene Blut, in ir- gend eine, von den dreien zuruͤkklaufenden (a) Adern, welche ich an einem andern Orte beſchrieben, abgeleitet. Dieſes Blut fuͤllet ſie an, und man ſiehet ſie unterhalb dem Bande, wegen des neuen Zufluſſes vom Blute, fuͤr den Ellnbogenſtamm an.
Nach meinen Gedanken waͤchſet nun das Bekken, und die Fuͤſſe, nach der Geburt auf folgende Weiſe. Man bindet die Nabelſchlagadern, und es verſchwindet die Nabelſchnur, in welche dieſe Adern ſich begaben, als ob ſie verbrannt waͤre, ſehr geſchwinde. Folglich ſtuͤr- zet ſich das Blut, ſo auf die gemeinſchaftliche Bekken- ſchlagader (iliaca) faͤllt, mit einer groͤſſern Gewalt in die aͤuſſere Bekkenſchlagader, ſo ein freier Aſt der gemein- ſchaftlichen Bekkenader iſt (b), und erweitert ſelbige je- derzeit durch einen neuen Zufluß von Blut.
Daher waͤchſet alles, was weich, und noch unreif iſt, die Huͤfte, Schenkel, und Fuͤſſe: und die Frucht, wel- che uͤberhaupt ſchwimmend war, ſo wie das Kind, wel- ches kroch, verwandelt ſich vermittelſt dieſer groͤſſern Nah- rung der Huͤfte, in ein zweifuͤßiges gehendes Thier, in- dem es blos durch dieſe Stellung in den Stand geſezzet wird, uͤber die Natur herrſchen zu koͤnnen.
Eben dieſes vereinigt ſich nun, wenn einer der Aeſte zwar nicht zu Grunde gerichtet wird, aber dennoch keine voͤllige Paſſage mehr hat. Alsdenn ſtuͤrzt ſich nemlich Kraft dieſes Gefezzes, ſo unſre Verſuche beſtaͤtigen, das Blut mit ſeiner voͤlligen Gewalt in die freie Schlagader, ſobald es ſich von dem widerſtehenden Stamme abwendet.
Eben
(a)[Spaltenumbruch]Icon anat. faſc. VI. T. V. & ic. arter. corp. tot. poſt.
(b)[Spaltenumbruch]Conf. Oper. min. de motu ſanguinis exp. 54.
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[509[511]/0563]
IV. Abſ. Das Leben der Frucht.
Stamm verloren gegangen. Sobald nemlich, als ein
Menſch die Gefahr des heiſſen Brandes uͤberſtanden,
und die Hand, wie es nicht ſelten geſchieht, Leben, Waͤr-
me und Puls wieder bekommen, alsdenn wird das von
der gebundenen Schlagader zuruͤkkgetriebene Blut, in ir-
gend eine, von den dreien zuruͤkklaufenden (a) Adern,
welche ich an einem andern Orte beſchrieben, abgeleitet.
Dieſes Blut fuͤllet ſie an, und man ſiehet ſie unterhalb
dem Bande, wegen des neuen Zufluſſes vom Blute, fuͤr
den Ellnbogenſtamm an.
Nach meinen Gedanken waͤchſet nun das Bekken,
und die Fuͤſſe, nach der Geburt auf folgende Weiſe.
Man bindet die Nabelſchlagadern, und es verſchwindet
die Nabelſchnur, in welche dieſe Adern ſich begaben, als
ob ſie verbrannt waͤre, ſehr geſchwinde. Folglich ſtuͤr-
zet ſich das Blut, ſo auf die gemeinſchaftliche Bekken-
ſchlagader (iliaca) faͤllt, mit einer groͤſſern Gewalt in die
aͤuſſere Bekkenſchlagader, ſo ein freier Aſt der gemein-
ſchaftlichen Bekkenader iſt (b), und erweitert ſelbige je-
derzeit durch einen neuen Zufluß von Blut.
Daher waͤchſet alles, was weich, und noch unreif iſt,
die Huͤfte, Schenkel, und Fuͤſſe: und die Frucht, wel-
che uͤberhaupt ſchwimmend war, ſo wie das Kind, wel-
ches kroch, verwandelt ſich vermittelſt dieſer groͤſſern Nah-
rung der Huͤfte, in ein zweifuͤßiges gehendes Thier, in-
dem es blos durch dieſe Stellung in den Stand geſezzet
wird, uͤber die Natur herrſchen zu koͤnnen.
Eben dieſes vereinigt ſich nun, wenn einer der Aeſte
zwar nicht zu Grunde gerichtet wird, aber dennoch keine
voͤllige Paſſage mehr hat. Alsdenn ſtuͤrzt ſich nemlich
Kraft dieſes Gefezzes, ſo unſre Verſuche beſtaͤtigen, das
Blut mit ſeiner voͤlligen Gewalt in die freie Schlagader,
ſobald es ſich von dem widerſtehenden Stamme abwendet.
Eben
(a)
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(b)
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 509[511]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/563>, abgerufen am 22.11.2024.
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