Wir müssen nunmehr zeigen, auf was für Gründen dieser Rath eigentlich beruhe.
Wenn der Kuchen herausgezogen worden, so bleibt die Gebärmutter gleichsam als ein verstümmeltes Glied (a) blutig zurükke, sie ist voller abgerissenen und offenste- hender Gefässe, welches theils Blutadern sind, welche eine grosse Weite (b), und wie ich gesehen, sogar bis auf zwo Linien haben, theils sind dieses gewundene Schlag- adern (c), und hie und da ausgerissene und schwimmende Flokken.
Man siehet also, daß diese zerrissene Gefässe eine Menge Blut, wie aus aufgerissenen Quellen von sich strömen müssen.
Diese Menge des hervorstürzenden Blutes ist so groß, daß Kindbetterinnen bisweilen, und kaum daß der Kuchen hervorgezogen worden, mit einem einzigen Seufzer todt darnieder gesunken sind (d), und es sind mir davon zwei sehr klägliche Exempel von Damen bekannt; oder sie ge- ben auch, während des Herausnehmens des Kuchens, wenn dieses gleich von erfahrnen Wehemüttern geschehen, den Geist mit dem wegströmenden Blute von sich (e).
Es trägt sich dieses Unglükk seltener zu; gemeiner aber ist es, daß die Gebärmutter von dem sich ergiessen- den Blute (f) und dessen geronnenen Klumpen angefüllt wird, und es befehlen daher einige neuere Geburtshelfer (g) diese Gerinnungen mit der Hand zusammen zu strei- chen, und die ganze Gebärmutter sogleich zu reinigen.
Un-
(a)[Spaltenumbruch]HARVEI p. 274.
(b)ALBIN tab. uter. gravid. 7. & adnot. L. V. t. 1. 2. VATER uter. gravid. p. 16. NOORT- WYCK. HEUERMAN T. IV. p. 410. ROEDERER t. 6. f. 1. HORN praelect. I. HASENOEHRE de abortu Mem. de l'Acad. 1708 p. 189.
(c)ALBIN. ROEDERER t. 6. f. 1. 3.
(d)[Spaltenumbruch]DENYS p. 65. La MOTTE p. 523. CHAPMAN cas. 7. MAU- RICEAU p. 384.
(e) Da ein fest angewachsener Kuchen losgelöset wurde. HENKEL VII Samml. p. 4. ein, in der Ge- durt zerrissener Kuchen SMELLIE cas. 311.
(f)MEKEREN obs. 55. add. MELLI commare p. 40.
(g)GIFFARD. cas. 31.
Die Frucht. XXIX. B.
Wir muͤſſen nunmehr zeigen, auf was fuͤr Gruͤnden dieſer Rath eigentlich beruhe.
Wenn der Kuchen herausgezogen worden, ſo bleibt die Gebaͤrmutter gleichſam als ein verſtuͤmmeltes Glied (a) blutig zuruͤkke, ſie iſt voller abgeriſſenen und offenſte- hender Gefaͤſſe, welches theils Blutadern ſind, welche eine groſſe Weite (b), und wie ich geſehen, ſogar bis auf zwo Linien haben, theils ſind dieſes gewundene Schlag- adern (c), und hie und da ausgeriſſene und ſchwimmende Flokken.
Man ſiehet alſo, daß dieſe zerriſſene Gefaͤſſe eine Menge Blut, wie aus aufgeriſſenen Quellen von ſich ſtroͤmen muͤſſen.
Dieſe Menge des hervorſtuͤrzenden Blutes iſt ſo groß, daß Kindbetterinnen bisweilen, und kaum daß der Kuchen hervorgezogen worden, mit einem einzigen Seufzer todt darnieder geſunken ſind (d), und es ſind mir davon zwei ſehr klaͤgliche Exempel von Damen bekannt; oder ſie ge- ben auch, waͤhrend des Herausnehmens des Kuchens, wenn dieſes gleich von erfahrnen Wehemuͤttern geſchehen, den Geiſt mit dem wegſtroͤmenden Blute von ſich (e).
Es traͤgt ſich dieſes Ungluͤkk ſeltener zu; gemeiner aber iſt es, daß die Gebaͤrmutter von dem ſich ergieſſen- den Blute (f) und deſſen geronnenen Klumpen angefuͤllt wird, und es befehlen daher einige neuere Geburtshelfer (g) dieſe Gerinnungen mit der Hand zuſammen zu ſtrei- chen, und die ganze Gebaͤrmutter ſogleich zu reinigen.
Un-
(a)[Spaltenumbruch]HARVEI p. 274.
(b)ALBIN tab. uter. gravid. 7. & adnot. L. V. t. 1. 2. VATER uter. gravid. p. 16. NOORT- WYCK. HEUERMAN T. IV. p. 410. ROEDERER t. 6. f. 1. HORN prælect. I. HASENOEHRE de abortu Mem. de l’Acad. 1708 p. 189.
(c)ALBIN. ROEDERER t. 6. f. 1. 3.
(d)[Spaltenumbruch]DENYS p. 65. La MOTTE p. 523. CHAPMAN caſ. 7. MAU- RICEAU p. 384.
(e) Da ein feſt angewachſener Kuchen losgeloͤſet wurde. HENKEL VII Samml. p. 4. ein, in der Ge- durt zerriſſener Kuchen SMELLIE caſ. 311.
(f)MEKEREN obſ. 55. add. MELLI commare p. 40.
(g)GIFFARD. caſ. 31.
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[748[750]/0802]
Die Frucht. XXIX. B.
Wir muͤſſen nunmehr zeigen, auf was fuͤr Gruͤnden
dieſer Rath eigentlich beruhe.
Wenn der Kuchen herausgezogen worden, ſo bleibt
die Gebaͤrmutter gleichſam als ein verſtuͤmmeltes Glied
(a) blutig zuruͤkke, ſie iſt voller abgeriſſenen und offenſte-
hender Gefaͤſſe, welches theils Blutadern ſind, welche
eine groſſe Weite (b), und wie ich geſehen, ſogar bis auf
zwo Linien haben, theils ſind dieſes gewundene Schlag-
adern (c), und hie und da ausgeriſſene und ſchwimmende
Flokken.
Man ſiehet alſo, daß dieſe zerriſſene Gefaͤſſe eine
Menge Blut, wie aus aufgeriſſenen Quellen von ſich
ſtroͤmen muͤſſen.
Dieſe Menge des hervorſtuͤrzenden Blutes iſt ſo groß,
daß Kindbetterinnen bisweilen, und kaum daß der Kuchen
hervorgezogen worden, mit einem einzigen Seufzer todt
darnieder geſunken ſind (d), und es ſind mir davon zwei
ſehr klaͤgliche Exempel von Damen bekannt; oder ſie ge-
ben auch, waͤhrend des Herausnehmens des Kuchens,
wenn dieſes gleich von erfahrnen Wehemuͤttern geſchehen,
den Geiſt mit dem wegſtroͤmenden Blute von ſich (e).
Es traͤgt ſich dieſes Ungluͤkk ſeltener zu; gemeiner
aber iſt es, daß die Gebaͤrmutter von dem ſich ergieſſen-
den Blute (f) und deſſen geronnenen Klumpen angefuͤllt
wird, und es befehlen daher einige neuere Geburtshelfer
(g) dieſe Gerinnungen mit der Hand zuſammen zu ſtrei-
chen, und die ganze Gebaͤrmutter ſogleich zu reinigen.
Un-
(a)
HARVEI p. 274.
(b) ALBIN tab. uter. gravid.
7. & adnot. L. V. t. 1. 2. VATER
uter. gravid. p. 16. NOORT-
WYCK. HEUERMAN T. IV.
p. 410. ROEDERER t. 6. f. 1.
HORN prælect. I. HASENOEHRE
de abortu Mem. de l’Acad. 1708
p. 189.
(c) ALBIN. ROEDERER t. 6.
f. 1. 3.
(d)
DENYS p. 65. La MOTTE
p. 523. CHAPMAN caſ. 7. MAU-
RICEAU p. 384.
(e) Da ein feſt angewachſener
Kuchen losgeloͤſet wurde. HENKEL
VII Samml. p. 4. ein, in der Ge-
durt zerriſſener Kuchen SMELLIE
caſ. 311.
(f) MEKEREN obſ. 55. add.
MELLI commare p. 40.
(g) GIFFARD. caſ. 31.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 748[750]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/802>, abgerufen am 22.11.2024.
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