völlig. Wir nehmen diese anziehende Kraft bei einem bebrüteten Hühnchen, und an der Veränderung des Herzens selbst wahr (g). Nunmehr geschehen diese Auf- tritte fast an dem ganzen Körper eines Menschen, indem nur ein geringer Theil desselben kein Fadengewebe ist (h). Diese Kraft bringt, vermöge der cellulösen Verbindungen der Theile an den Membranen, Muskeln, Drüsen und Gefässen, die Grundstoffe dieser Theile, zu näheren Be- rührungen; und sie ist jederzeit um desto stärker, je fester dieselbe nunmehr, nach Ueberwältigung der ersten Flü- ßigkeit geworden.
Auf solche Art ziehet sich das Nezzwerk der weiten Maschen, und für ein solches kann man alle Membra- nen halten, in ein Nezz von ganz kleinen Maschen zusam- men, und es wird das in den Früchten dazwischen lie- gende Wasser zwischen den festen Grundstoffen wegge- drängt. Auf solche Art wächst beständig die anziehende Kraft, und es würde selbige unendlich groß werden, wenn sich die gesammten Grundstoffe, ohne irgend einen Zwischenraum zu lassen, einander erreichen sollten. Da sich die anziehenden Kräfte wie die Massen verhalten, und in einigen umgekehrten Verhältnisse der Distanzen stehen, so wir zur Zeit noch nicht völlig kennen, so wird sich aus beiderlei Ursachen das Zusammenhängen unserer Grund- stoffe immer mehr und mehr vergrössern. Wenn nem- lich einige Pori vernichtet worden, so werden die festen Massen grösser; und es ziehen sich eben diese Massen, nachdem ihre Zwischenräume abgenommen, mit einer stärkern Gewalt einander an sich. Da aber diese an- ziehende Kraft der verzerrenden Kraft Widerstand thut, so erhellet daraus leicht, daß diejenige eine Antagonistinn von dem Wachsthum sey, welche jederzeit die Oberhand über die andern bekömmt.
Wir
(g)[Spaltenumbruch]Format. du poulet. II. p. 98.
(h)[Spaltenumbruch]L. I. p. 22.
I. Abſ. Das Wachſen des Koͤrpers.
voͤllig. Wir nehmen dieſe anziehende Kraft bei einem bebruͤteten Huͤhnchen, und an der Veraͤnderung des Herzens ſelbſt wahr (g). Nunmehr geſchehen dieſe Auf- tritte faſt an dem ganzen Koͤrper eines Menſchen, indem nur ein geringer Theil deſſelben kein Fadengewebe iſt (h). Dieſe Kraft bringt, vermoͤge der celluloͤſen Verbindungen der Theile an den Membranen, Muskeln, Druͤſen und Gefaͤſſen, die Grundſtoffe dieſer Theile, zu naͤheren Be- ruͤhrungen; und ſie iſt jederzeit um deſto ſtaͤrker, je feſter dieſelbe nunmehr, nach Ueberwaͤltigung der erſten Fluͤ- ßigkeit geworden.
Auf ſolche Art ziehet ſich das Nezzwerk der weiten Maſchen, und fuͤr ein ſolches kann man alle Membra- nen halten, in ein Nezz von ganz kleinen Maſchen zuſam- men, und es wird das in den Fruͤchten dazwiſchen lie- gende Waſſer zwiſchen den feſten Grundſtoffen wegge- draͤngt. Auf ſolche Art waͤchſt beſtaͤndig die anziehende Kraft, und es wuͤrde ſelbige unendlich groß werden, wenn ſich die geſammten Grundſtoffe, ohne irgend einen Zwiſchenraum zu laſſen, einander erreichen ſollten. Da ſich die anziehenden Kraͤfte wie die Maſſen verhalten, und in einigen umgekehrten Verhaͤltniſſe der Diſtanzen ſtehen, ſo wir zur Zeit noch nicht voͤllig kennen, ſo wird ſich aus beiderlei Urſachen das Zuſammenhaͤngen unſerer Grund- ſtoffe immer mehr und mehr vergroͤſſern. Wenn nem- lich einige Pori vernichtet worden, ſo werden die feſten Maſſen groͤſſer; und es ziehen ſich eben dieſe Maſſen, nachdem ihre Zwiſchenraͤume abgenommen, mit einer ſtaͤrkern Gewalt einander an ſich. Da aber dieſe an- ziehende Kraft der verzerrenden Kraft Widerſtand thut, ſo erhellet daraus leicht, daß diejenige eine Antagoniſtinn von dem Wachsthum ſey, welche jederzeit die Oberhand uͤber die andern bekoͤmmt.
Wir
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(h)[Spaltenumbruch]L. I. p. 22.
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[827[829]/0881]
I. Abſ. Das Wachſen des Koͤrpers.
voͤllig. Wir nehmen dieſe anziehende Kraft bei einem
bebruͤteten Huͤhnchen, und an der Veraͤnderung des
Herzens ſelbſt wahr (g). Nunmehr geſchehen dieſe Auf-
tritte faſt an dem ganzen Koͤrper eines Menſchen, indem
nur ein geringer Theil deſſelben kein Fadengewebe iſt (h).
Dieſe Kraft bringt, vermoͤge der celluloͤſen Verbindungen
der Theile an den Membranen, Muskeln, Druͤſen und
Gefaͤſſen, die Grundſtoffe dieſer Theile, zu naͤheren Be-
ruͤhrungen; und ſie iſt jederzeit um deſto ſtaͤrker, je feſter
dieſelbe nunmehr, nach Ueberwaͤltigung der erſten Fluͤ-
ßigkeit geworden.
Auf ſolche Art ziehet ſich das Nezzwerk der weiten
Maſchen, und fuͤr ein ſolches kann man alle Membra-
nen halten, in ein Nezz von ganz kleinen Maſchen zuſam-
men, und es wird das in den Fruͤchten dazwiſchen lie-
gende Waſſer zwiſchen den feſten Grundſtoffen wegge-
draͤngt. Auf ſolche Art waͤchſt beſtaͤndig die anziehende
Kraft, und es wuͤrde ſelbige unendlich groß werden,
wenn ſich die geſammten Grundſtoffe, ohne irgend einen
Zwiſchenraum zu laſſen, einander erreichen ſollten. Da
ſich die anziehenden Kraͤfte wie die Maſſen verhalten, und
in einigen umgekehrten Verhaͤltniſſe der Diſtanzen ſtehen,
ſo wir zur Zeit noch nicht voͤllig kennen, ſo wird ſich aus
beiderlei Urſachen das Zuſammenhaͤngen unſerer Grund-
ſtoffe immer mehr und mehr vergroͤſſern. Wenn nem-
lich einige Pori vernichtet worden, ſo werden die feſten
Maſſen groͤſſer; und es ziehen ſich eben dieſe Maſſen,
nachdem ihre Zwiſchenraͤume abgenommen, mit einer
ſtaͤrkern Gewalt einander an ſich. Da aber dieſe an-
ziehende Kraft der verzerrenden Kraft Widerſtand thut,
ſo erhellet daraus leicht, daß diejenige eine Antagoniſtinn
von dem Wachsthum ſey, welche jederzeit die Oberhand
uͤber die andern bekoͤmmt.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 827[829]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/881>, abgerufen am 22.11.2024.
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