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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

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I. Abs. Das Wachsen des Körpers.
man ersiehet daraus, daß auch gesunde Knochen noch
ihre Biegsamkeit behalten.

Künstlicher würde es seyn, dasjenige Wachsthum
zu erklären, welches die beständige Bewegung eines kör-
perlichen Theils zur Ursache hat. Nachdem nemlich je-
des Glied bei einer jeden Lebensart stärker angestrengt
wird, nachdem werden auch seine Muskeln fleischiger.
So war (t) bei einem Mägdchen unter den Esquimaux
der Daum ausserordentlich geschwollen oder aufgetrieben,
und so pflegt der deltaförmige Muskel, so wie der zwey-
köpfige, und die Biegemuskeln der Hände dikk zu wer-
den, so daß auch die Bildhauer selbst den Vorzug dieser
Muskeln kennen (u). Es sind diese Dinge leicht zu ver-
stehen, dahingegen ist das folgende unerklärbarer.

Es ist nemlich mehr als zu gemein, daß man voll-
kommene Zähne, und welche nicht mit den Zähnen der
Früchte eine Aehnlichkeit haben (x), in dem weiblichen
Eierstokke, aber auch bisweilen anderswo antrift, man
findet zuweilen nebst denenselben noch ein Stükk von
Kinnbakken (y), und bey anderer Gelegenheit auch lange
und krause Kopfhaare.

Wären es dergleichen unvollkommene Zähne, wie
sie an einer Frucht vorkommen, so könnte man sie auf
die Rechnung des unzerstörbaren Wesens der Zähne schrei-
ben, welches allein seine Fortdauer behalten; indessen
daß der übrige Körper dieser Frucht zerstöret worden.
Man kann aber hiezu ohnmöglich seine Zuflucht nehmen,
indem es Zähne von einem spätern Alter sind. Hier
bleibt uns also weiter nichts als eine schwache Zuflucht
übrig, nemlich daß der Stamm der Kieferschlagader und
dessen Aeste an seinem Orte in der Frucht übrig geblie-
ben seyn müssen: oder daß wenigstens der Keim eines

Zahns
(t) [Spaltenumbruch] So daß die erstaunlich schla-
gen konnte Algem. magaz. I. wel-
ches oben angeführt worden.
(u) L. XI. p. 570.
(x) [Spaltenumbruch] RUYSCH Thes. I. tab. 3.
f.
1.
(y) L. XXIX.
G g g 3

I. Abſ. Das Wachſen des Koͤrpers.
man erſiehet daraus, daß auch geſunde Knochen noch
ihre Biegſamkeit behalten.

Kuͤnſtlicher wuͤrde es ſeyn, dasjenige Wachsthum
zu erklaͤren, welches die beſtaͤndige Bewegung eines koͤr-
perlichen Theils zur Urſache hat. Nachdem nemlich je-
des Glied bei einer jeden Lebensart ſtaͤrker angeſtrengt
wird, nachdem werden auch ſeine Muskeln fleiſchiger.
So war (t) bei einem Maͤgdchen unter den Eſquimaux
der Daum auſſerordentlich geſchwollen oder aufgetrieben,
und ſo pflegt der deltafoͤrmige Muskel, ſo wie der zwey-
koͤpfige, und die Biegemuskeln der Haͤnde dikk zu wer-
den, ſo daß auch die Bildhauer ſelbſt den Vorzug dieſer
Muskeln kennen (u). Es ſind dieſe Dinge leicht zu ver-
ſtehen, dahingegen iſt das folgende unerklaͤrbarer.

Es iſt nemlich mehr als zu gemein, daß man voll-
kommene Zaͤhne, und welche nicht mit den Zaͤhnen der
Fruͤchte eine Aehnlichkeit haben (x), in dem weiblichen
Eierſtokke, aber auch bisweilen anderswo antrift, man
findet zuweilen nebſt denenſelben noch ein Stuͤkk von
Kinnbakken (y), und bey anderer Gelegenheit auch lange
und krauſe Kopfhaare.

Waͤren es dergleichen unvollkommene Zaͤhne, wie
ſie an einer Frucht vorkommen, ſo koͤnnte man ſie auf
die Rechnung des unzerſtoͤrbaren Weſens der Zaͤhne ſchrei-
ben, welches allein ſeine Fortdauer behalten; indeſſen
daß der uͤbrige Koͤrper dieſer Frucht zerſtoͤret worden.
Man kann aber hiezu ohnmoͤglich ſeine Zuflucht nehmen,
indem es Zaͤhne von einem ſpaͤtern Alter ſind. Hier
bleibt uns alſo weiter nichts als eine ſchwache Zuflucht
uͤbrig, nemlich daß der Stamm der Kieferſchlagader und
deſſen Aeſte an ſeinem Orte in der Frucht uͤbrig geblie-
ben ſeyn muͤſſen: oder daß wenigſtens der Keim eines

Zahns
(t) [Spaltenumbruch] So daß die erſtaunlich ſchla-
gen konnte Algem. magaz. I. wel-
ches oben angefuͤhrt worden.
(u) L. XI. p. 570.
(x) [Spaltenumbruch] RUYSCH Theſ. I. tab. 3.
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1.
(y) L. XXIX.
G g g 3
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[835[837]/0889] I. Abſ. Das Wachſen des Koͤrpers. man erſiehet daraus, daß auch geſunde Knochen noch ihre Biegſamkeit behalten. Kuͤnſtlicher wuͤrde es ſeyn, dasjenige Wachsthum zu erklaͤren, welches die beſtaͤndige Bewegung eines koͤr- perlichen Theils zur Urſache hat. Nachdem nemlich je- des Glied bei einer jeden Lebensart ſtaͤrker angeſtrengt wird, nachdem werden auch ſeine Muskeln fleiſchiger. So war (t) bei einem Maͤgdchen unter den Eſquimaux der Daum auſſerordentlich geſchwollen oder aufgetrieben, und ſo pflegt der deltafoͤrmige Muskel, ſo wie der zwey- koͤpfige, und die Biegemuskeln der Haͤnde dikk zu wer- den, ſo daß auch die Bildhauer ſelbſt den Vorzug dieſer Muskeln kennen (u). Es ſind dieſe Dinge leicht zu ver- ſtehen, dahingegen iſt das folgende unerklaͤrbarer. Es iſt nemlich mehr als zu gemein, daß man voll- kommene Zaͤhne, und welche nicht mit den Zaͤhnen der Fruͤchte eine Aehnlichkeit haben (x), in dem weiblichen Eierſtokke, aber auch bisweilen anderswo antrift, man findet zuweilen nebſt denenſelben noch ein Stuͤkk von Kinnbakken (y), und bey anderer Gelegenheit auch lange und krauſe Kopfhaare. Waͤren es dergleichen unvollkommene Zaͤhne, wie ſie an einer Frucht vorkommen, ſo koͤnnte man ſie auf die Rechnung des unzerſtoͤrbaren Weſens der Zaͤhne ſchrei- ben, welches allein ſeine Fortdauer behalten; indeſſen daß der uͤbrige Koͤrper dieſer Frucht zerſtoͤret worden. Man kann aber hiezu ohnmoͤglich ſeine Zuflucht nehmen, indem es Zaͤhne von einem ſpaͤtern Alter ſind. Hier bleibt uns alſo weiter nichts als eine ſchwache Zuflucht uͤbrig, nemlich daß der Stamm der Kieferſchlagader und deſſen Aeſte an ſeinem Orte in der Frucht uͤbrig geblie- ben ſeyn muͤſſen: oder daß wenigſtens der Keim eines Zahns (t) So daß die erſtaunlich ſchla- gen konnte Algem. magaz. I. wel- ches oben angefuͤhrt worden. (u) L. XI. p. 570. (x) RUYSCH Theſ. I. tab. 3. f. 1. (y) L. XXIX. G g g 3

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 835[837]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/889>, abgerufen am 22.11.2024.