wesen seyn. Es sind nemlich alle Fasern an dem mensch- lichen Körper entweder Gefässe, oder Gefässen vorge- spannte Saiten.
Zu diesen füge man noch die Reibungen, welche, wie wir an einem andern Orte gezeigt haben, auf unsere Ka- näle einen grossen Einfluß haben. Denn ob uns diese gleich sehr glatt zu seyn scheinen, und sich dadurch frey- lich das Reiben ein wenig vermindern muß; so zeiget dennoch die gesunde Vernunft, daß ein beständiger und reissender Umlauf des Blutes, durch volle Kanäle, wel- che sich widersezzen, enge sind, und kaum ein einziges Kügelchen durchlassen, ohne Reibung nicht geschehen könne (i).
Wenn man ausserdem überlegt, wie zart die klein- sten Gefässe in der Gehirnrinde, an der Milz, an den ausdämpfenden Flokken, und aller Orten an den klein- sten Theilen sind, und welcher überlegt, wie leicht sich diese Gefässe in einer Entzündung, d. i. in einer Bewe- gung auflösen lassen, welche etwas heftiger als eine natürliche Bewegung ist, wie sie sich in das flüßige We- sen des Eiters verwandeln, wie oft sich die zottigen Häu- te (k) der Därme losschälen und fortgehen, wie wenig dieses an der Blase selten geschieht (l), der wird gar nicht mehr zweifeln, daß nicht das Reiben die Grundstoffe an den innern Wänden der Schlagadern und der Ge- fässe überhaupt verzehren sollte. Daß dieses Verzehren durch die Absonderung, und durch die in das Blut auf- genommene Grundstoffe des Leimes und der Erde ge- schehe; läst sich aus der Vergleichung mit andern Säf- ten beurtheilen, welche ihre Gefässe zerreiben helfen. Und da der Leim weicher und beweglicher als die Erde ist, so ist daraus zu vermuthen, daß Gruben entstehen müssen, und daß die erdigen Grundstoffe, nach dem ein kleiner
Theil
(i)[Spaltenumbruch]L. VI. p. 581.
(k)L. XXIV. p. 32.
(l)[Spaltenumbruch]L. XXV. p. 326.
Leben u. Tod der Menſchen. XXX. B.
weſen ſeyn. Es ſind nemlich alle Faſern an dem menſch- lichen Koͤrper entweder Gefaͤſſe, oder Gefaͤſſen vorge- ſpannte Saiten.
Zu dieſen fuͤge man noch die Reibungen, welche, wie wir an einem andern Orte gezeigt haben, auf unſere Ka- naͤle einen groſſen Einfluß haben. Denn ob uns dieſe gleich ſehr glatt zu ſeyn ſcheinen, und ſich dadurch frey- lich das Reiben ein wenig vermindern muß; ſo zeiget dennoch die geſunde Vernunft, daß ein beſtaͤndiger und reiſſender Umlauf des Blutes, durch volle Kanaͤle, wel- che ſich widerſezzen, enge ſind, und kaum ein einziges Kuͤgelchen durchlaſſen, ohne Reibung nicht geſchehen koͤnne (i).
Wenn man auſſerdem uͤberlegt, wie zart die klein- ſten Gefaͤſſe in der Gehirnrinde, an der Milz, an den ausdaͤmpfenden Flokken, und aller Orten an den klein- ſten Theilen ſind, und welcher uͤberlegt, wie leicht ſich dieſe Gefaͤſſe in einer Entzuͤndung, d. i. in einer Bewe- gung aufloͤſen laſſen, welche etwas heftiger als eine natuͤrliche Bewegung iſt, wie ſie ſich in das fluͤßige We- ſen des Eiters verwandeln, wie oft ſich die zottigen Haͤu- te (k) der Daͤrme losſchaͤlen und fortgehen, wie wenig dieſes an der Blaſe ſelten geſchieht (l), der wird gar nicht mehr zweifeln, daß nicht das Reiben die Grundſtoffe an den innern Waͤnden der Schlagadern und der Ge- faͤſſe uͤberhaupt verzehren ſollte. Daß dieſes Verzehren durch die Abſonderung, und durch die in das Blut auf- genommene Grundſtoffe des Leimes und der Erde ge- ſchehe; laͤſt ſich aus der Vergleichung mit andern Saͤf- ten beurtheilen, welche ihre Gefaͤſſe zerreiben helfen. Und da der Leim weicher und beweglicher als die Erde iſt, ſo iſt daraus zu vermuthen, daß Gruben entſtehen muͤſſen, und daß die erdigen Grundſtoffe, nach dem ein kleiner
Theil
(i)[Spaltenumbruch]L. VI. p. 581.
(k)L. XXIV. p. 32.
(l)[Spaltenumbruch]L. XXV. p. 326.
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[872[874]/0926]
Leben u. Tod der Menſchen. XXX. B.
weſen ſeyn. Es ſind nemlich alle Faſern an dem menſch-
lichen Koͤrper entweder Gefaͤſſe, oder Gefaͤſſen vorge-
ſpannte Saiten.
Zu dieſen fuͤge man noch die Reibungen, welche, wie
wir an einem andern Orte gezeigt haben, auf unſere Ka-
naͤle einen groſſen Einfluß haben. Denn ob uns dieſe
gleich ſehr glatt zu ſeyn ſcheinen, und ſich dadurch frey-
lich das Reiben ein wenig vermindern muß; ſo zeiget
dennoch die geſunde Vernunft, daß ein beſtaͤndiger und
reiſſender Umlauf des Blutes, durch volle Kanaͤle, wel-
che ſich widerſezzen, enge ſind, und kaum ein einziges
Kuͤgelchen durchlaſſen, ohne Reibung nicht geſchehen
koͤnne (i).
Wenn man auſſerdem uͤberlegt, wie zart die klein-
ſten Gefaͤſſe in der Gehirnrinde, an der Milz, an den
ausdaͤmpfenden Flokken, und aller Orten an den klein-
ſten Theilen ſind, und welcher uͤberlegt, wie leicht ſich
dieſe Gefaͤſſe in einer Entzuͤndung, d. i. in einer Bewe-
gung aufloͤſen laſſen, welche etwas heftiger als eine
natuͤrliche Bewegung iſt, wie ſie ſich in das fluͤßige We-
ſen des Eiters verwandeln, wie oft ſich die zottigen Haͤu-
te (k) der Daͤrme losſchaͤlen und fortgehen, wie wenig
dieſes an der Blaſe ſelten geſchieht (l), der wird gar nicht
mehr zweifeln, daß nicht das Reiben die Grundſtoffe
an den innern Waͤnden der Schlagadern und der Ge-
faͤſſe uͤberhaupt verzehren ſollte. Daß dieſes Verzehren
durch die Abſonderung, und durch die in das Blut auf-
genommene Grundſtoffe des Leimes und der Erde ge-
ſchehe; laͤſt ſich aus der Vergleichung mit andern Saͤf-
ten beurtheilen, welche ihre Gefaͤſſe zerreiben helfen. Und
da der Leim weicher und beweglicher als die Erde iſt, ſo
iſt daraus zu vermuthen, daß Gruben entſtehen muͤſſen,
und daß die erdigen Grundſtoffe, nach dem ein kleiner
Theil
(i)
L. VI. p. 581.
(k) L. XXIV. p. 32.
(l)
L. XXV. p. 326.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 872[874]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/926>, abgerufen am 22.11.2024.
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