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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

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III. Abs. Der Zustand des Menschen.
erlangen dennoch diese Gefässe wenigstens einen solchen
engen Jnhalt, daß sie auch die dünnste Farbesäfte der
anatomischen Sprizze (a) nicht einnehmen wollen. Diese
Ursache fährt so lange zu wirken fort, bis man endlich
an den Knochen, Sehnen und Membranen kaum von
freyen Stükken einige Gefässe zu Gesichte bekömmt, und
selbige kaum mit aller Kunst zu erweisen vermag.

Noch wird diese Ursache von der bereits erwiesenen
(a*) Verengerung und Härte der Schlagadern unter-
stüzzt: denn auf solche Art kömmt in die kleinste Schlag-
äderchen weniger Saft, und diesen treibt nur eine schwä-
chere Kraft an.

Doch es ziehen sich diese Schlagäderchen selbst, und
zwar noch mehr, als die grossen Stämme, vermittelst
ihrer todten Kraft zusammen, und es verengert sich da-
durch ihre Oefnung. Man sieht es deutlich an den Frö-
schen, wie sich, bei schlechter Nahrung, bei verminder-
ten Vorrathe an Blute, folglich wenn der Nachdrukk
des Blutes schwächer geworden, vermöge dessen sich die
Schlagadern zusammen ziehen, das Verhältniß ihrer
Oefnung zu den Membranen vermindert (b).

Es thut dieses Blindwerden, wenn es aller Orten,
und im ganzen Körper geschieht, eine unglaubliche Wir-
kung. Es hören nämlich nunmehr einige Tausend blind
gewordene Gefässe auf, denen benachbarten Theilen Nah-
rung zuzuführen: folglich hören dieselben auf ernähret
zu werden, allmählig zerstreut sich von allen Seiten die
Flüßigkeit, und sie verwandeln sich in eine feste Masse,
welche von dem langen Zusammenziehen immer kleiner
wird: dieses drükket wieder die benachbarte Gefässe zu-
sammen, und es dient dem Fadengewebe zu einem festen
Punkte, um sich gegen selbigen, als gegen einen unbe-

weg-
(a) [Spaltenumbruch] Die Eingeweide bei einem
Greise von hundert dreißig Jahren
stark Phil. trans. n. 306.
(a*) [Spaltenumbruch] p. 70.
(b) Oper. min. T. I. p. [88].
n.
6.
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III. Abſ. Der Zuſtand des Menſchen.
erlangen dennoch dieſe Gefaͤſſe wenigſtens einen ſolchen
engen Jnhalt, daß ſie auch die duͤnnſte Farbeſaͤfte der
anatomiſchen Sprizze (a) nicht einnehmen wollen. Dieſe
Urſache faͤhrt ſo lange zu wirken fort, bis man endlich
an den Knochen, Sehnen und Membranen kaum von
freyen Stuͤkken einige Gefaͤſſe zu Geſichte bekoͤmmt, und
ſelbige kaum mit aller Kunſt zu erweiſen vermag.

Noch wird dieſe Urſache von der bereits erwieſenen
(a*) Verengerung und Haͤrte der Schlagadern unter-
ſtuͤzzt: denn auf ſolche Art koͤmmt in die kleinſte Schlag-
aͤderchen weniger Saft, und dieſen treibt nur eine ſchwaͤ-
chere Kraft an.

Doch es ziehen ſich dieſe Schlagaͤderchen ſelbſt, und
zwar noch mehr, als die groſſen Staͤmme, vermittelſt
ihrer todten Kraft zuſammen, und es verengert ſich da-
durch ihre Oefnung. Man ſieht es deutlich an den Froͤ-
ſchen, wie ſich, bei ſchlechter Nahrung, bei verminder-
ten Vorrathe an Blute, folglich wenn der Nachdrukk
des Blutes ſchwaͤcher geworden, vermoͤge deſſen ſich die
Schlagadern zuſammen ziehen, das Verhaͤltniß ihrer
Oefnung zu den Membranen vermindert (b).

Es thut dieſes Blindwerden, wenn es aller Orten,
und im ganzen Koͤrper geſchieht, eine unglaubliche Wir-
kung. Es hoͤren naͤmlich nunmehr einige Tauſend blind
gewordene Gefaͤſſe auf, denen benachbarten Theilen Nah-
rung zuzufuͤhren: folglich hoͤren dieſelben auf ernaͤhret
zu werden, allmaͤhlig zerſtreut ſich von allen Seiten die
Fluͤßigkeit, und ſie verwandeln ſich in eine feſte Maſſe,
welche von dem langen Zuſammenziehen immer kleiner
wird: dieſes druͤkket wieder die benachbarte Gefaͤſſe zu-
ſammen, und es dient dem Fadengewebe zu einem feſten
Punkte, um ſich gegen ſelbigen, als gegen einen unbe-

weg-
(a) [Spaltenumbruch] Die Eingeweide bei einem
Greiſe von hundert dreißig Jahren
ſtark Phil. tranſ. n. 306.
(a*) [Spaltenumbruch] p. 70.
(b) Oper. min. T. I. p. [88].
n.
6.
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[901[903]/0955] III. Abſ. Der Zuſtand des Menſchen. erlangen dennoch dieſe Gefaͤſſe wenigſtens einen ſolchen engen Jnhalt, daß ſie auch die duͤnnſte Farbeſaͤfte der anatomiſchen Sprizze (a) nicht einnehmen wollen. Dieſe Urſache faͤhrt ſo lange zu wirken fort, bis man endlich an den Knochen, Sehnen und Membranen kaum von freyen Stuͤkken einige Gefaͤſſe zu Geſichte bekoͤmmt, und ſelbige kaum mit aller Kunſt zu erweiſen vermag. Noch wird dieſe Urſache von der bereits erwieſenen (a*) Verengerung und Haͤrte der Schlagadern unter- ſtuͤzzt: denn auf ſolche Art koͤmmt in die kleinſte Schlag- aͤderchen weniger Saft, und dieſen treibt nur eine ſchwaͤ- chere Kraft an. Doch es ziehen ſich dieſe Schlagaͤderchen ſelbſt, und zwar noch mehr, als die groſſen Staͤmme, vermittelſt ihrer todten Kraft zuſammen, und es verengert ſich da- durch ihre Oefnung. Man ſieht es deutlich an den Froͤ- ſchen, wie ſich, bei ſchlechter Nahrung, bei verminder- ten Vorrathe an Blute, folglich wenn der Nachdrukk des Blutes ſchwaͤcher geworden, vermoͤge deſſen ſich die Schlagadern zuſammen ziehen, das Verhaͤltniß ihrer Oefnung zu den Membranen vermindert (b). Es thut dieſes Blindwerden, wenn es aller Orten, und im ganzen Koͤrper geſchieht, eine unglaubliche Wir- kung. Es hoͤren naͤmlich nunmehr einige Tauſend blind gewordene Gefaͤſſe auf, denen benachbarten Theilen Nah- rung zuzufuͤhren: folglich hoͤren dieſelben auf ernaͤhret zu werden, allmaͤhlig zerſtreut ſich von allen Seiten die Fluͤßigkeit, und ſie verwandeln ſich in eine feſte Maſſe, welche von dem langen Zuſammenziehen immer kleiner wird: dieſes druͤkket wieder die benachbarte Gefaͤſſe zu- ſammen, und es dient dem Fadengewebe zu einem feſten Punkte, um ſich gegen ſelbigen, als gegen einen unbe- weg- (a) Die Eingeweide bei einem Greiſe von hundert dreißig Jahren ſtark Phil. tranſ. n. 306. (a*) p. 70. (b) Oper. min. T. I. p. 88. n. 6. L l l 4

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 901[903]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/955>, abgerufen am 23.11.2024.