und auf diese Art bleibe in dem hunderten Jahre nichts vom Herzen mehr übrig (t).
Eben so eitel ist auch das, daß die Lebensgränze der Menschen auch mit dem Alter der Welt kürzer werde (u). Es fand nemlich Vespasian(v) bey demjenigen entsezz- lichen Luxus in Jtalien eine grosse Menge alter und be- jahrter Personen, als derselbe die Kopfsteuer beitreiben ließ: und man sieht offenbar, daß in der Linie der Kö- nige von Frankreich Ludwig der vierzehnte, und unter den Königen Englands George der zweite ein ho- hes Alter erreicht, daß beide aber von dem Könige Sta- nislao noch überlebt worden, und daß auch dieser dem Clemens dem zwölften, auf dem Stuhl Petri, den Preis lassen müssen. Doch es lehren es auch die Zeitbücher von Bern, daß das Lebensalter der beiden Senatskam- mern viel länger als zu unsern Zeiten gedauret, und daß ihre Stellen später wieder besezzt worden. Wir wollen die Ursache von dieser wohlthätigen Veränderung an ei- nem andern Orte melden. Jn London, dieser so grossen Stadt, welche man nicht so der Gesundheit vortheilhaft, als ein Dorf, halten sollte, finden sich doch alle Jahre, unter zwanzig bis vier und zwanzig tausend Verstorbe- nen, welche von neunzig bis hundert Jahre alt gewor- den, gemeiniglich ihrer funfzig, welche das hunderte Jahr erreichen, und man schäzzt diejenigen, welche ein Jahrhundert überlebt, etwa auf drei, fünf oder sieben Personen. Und dennoch war zu den Zeiten Davids das siebenzigste Jahr das Jahr des hohen Alters, dieses über- lebte kein einziger von den jüdischen Königen, und es war bereits zu den Zeiten dieses Königes ein seltenes Glükk wenn jemand das achtzigste Jahr erreichte (x).
§. 15.
(t)[Spaltenumbruch]CENSOR. die natal. c. 17. PLIN. L. XI.
(u) Diese Klage verwirft CAR- DANUS in aphor. p. 209.
(v)[Spaltenumbruch]Conf. PLIN. L. VII. c. 48. Zehn von 120 Jahren und darüber in Jtalien geschäzzt.
(x)PSALM. XC.
III. Abſ. Der Zuſtand des Menſchen.
und auf dieſe Art bleibe in dem hunderten Jahre nichts vom Herzen mehr uͤbrig (t).
Eben ſo eitel iſt auch das, daß die Lebensgraͤnze der Menſchen auch mit dem Alter der Welt kuͤrzer werde (u). Es fand nemlich Veſpaſian(v) bey demjenigen entſezz- lichen Luxus in Jtalien eine groſſe Menge alter und be- jahrter Perſonen, als derſelbe die Kopfſteuer beitreiben ließ: und man ſieht offenbar, daß in der Linie der Koͤ- nige von Frankreich Ludwig der vierzehnte, und unter den Koͤnigen Englands George der zweite ein ho- hes Alter erreicht, daß beide aber von dem Koͤnige Sta- nislao noch uͤberlebt worden, und daß auch dieſer dem Clemens dem zwoͤlften, auf dem Stuhl Petri, den Preis laſſen muͤſſen. Doch es lehren es auch die Zeitbuͤcher von Bern, daß das Lebensalter der beiden Senatskam- mern viel laͤnger als zu unſern Zeiten gedauret, und daß ihre Stellen ſpaͤter wieder beſezzt worden. Wir wollen die Urſache von dieſer wohlthaͤtigen Veraͤnderung an ei- nem andern Orte melden. Jn London, dieſer ſo groſſen Stadt, welche man nicht ſo der Geſundheit vortheilhaft, als ein Dorf, halten ſollte, finden ſich doch alle Jahre, unter zwanzig bis vier und zwanzig tauſend Verſtorbe- nen, welche von neunzig bis hundert Jahre alt gewor- den, gemeiniglich ihrer funfzig, welche das hunderte Jahr erreichen, und man ſchaͤzzt diejenigen, welche ein Jahrhundert uͤberlebt, etwa auf drei, fuͤnf oder ſieben Perſonen. Und dennoch war zu den Zeiten Davids das ſiebenzigſte Jahr das Jahr des hohen Alters, dieſes uͤber- lebte kein einziger von den juͤdiſchen Koͤnigen, und es war bereits zu den Zeiten dieſes Koͤniges ein ſeltenes Gluͤkk wenn jemand das achtzigſte Jahr erreichte (x).
§. 15.
(t)[Spaltenumbruch]CENSOR. die natal. c. 17. PLIN. L. XI.
(u) Dieſe Klage verwirft CAR- DANUS in aphor. p. 209.
(v)[Spaltenumbruch]Conf. PLIN. L. VII. c. 48. Zehn von 120 Jahren und daruͤber in Jtalien geſchaͤzzt.
(x)PSALM. XC.
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[941[943]/0995]
III. Abſ. Der Zuſtand des Menſchen.
und auf dieſe Art bleibe in dem hunderten Jahre nichts
vom Herzen mehr uͤbrig (t).
Eben ſo eitel iſt auch das, daß die Lebensgraͤnze der
Menſchen auch mit dem Alter der Welt kuͤrzer werde (u).
Es fand nemlich Veſpaſian (v) bey demjenigen entſezz-
lichen Luxus in Jtalien eine groſſe Menge alter und be-
jahrter Perſonen, als derſelbe die Kopfſteuer beitreiben
ließ: und man ſieht offenbar, daß in der Linie der Koͤ-
nige von Frankreich Ludwig der vierzehnte, und
unter den Koͤnigen Englands George der zweite ein ho-
hes Alter erreicht, daß beide aber von dem Koͤnige Sta-
nislao noch uͤberlebt worden, und daß auch dieſer dem
Clemens dem zwoͤlften, auf dem Stuhl Petri, den Preis
laſſen muͤſſen. Doch es lehren es auch die Zeitbuͤcher
von Bern, daß das Lebensalter der beiden Senatskam-
mern viel laͤnger als zu unſern Zeiten gedauret, und daß
ihre Stellen ſpaͤter wieder beſezzt worden. Wir wollen
die Urſache von dieſer wohlthaͤtigen Veraͤnderung an ei-
nem andern Orte melden. Jn London, dieſer ſo groſſen
Stadt, welche man nicht ſo der Geſundheit vortheilhaft,
als ein Dorf, halten ſollte, finden ſich doch alle Jahre,
unter zwanzig bis vier und zwanzig tauſend Verſtorbe-
nen, welche von neunzig bis hundert Jahre alt gewor-
den, gemeiniglich ihrer funfzig, welche das hunderte
Jahr erreichen, und man ſchaͤzzt diejenigen, welche ein
Jahrhundert uͤberlebt, etwa auf drei, fuͤnf oder ſieben
Perſonen. Und dennoch war zu den Zeiten Davids das
ſiebenzigſte Jahr das Jahr des hohen Alters, dieſes uͤber-
lebte kein einziger von den juͤdiſchen Koͤnigen, und es
war bereits zu den Zeiten dieſes Koͤniges ein ſeltenes Gluͤkk
wenn jemand das achtzigſte Jahr erreichte (x).
§. 15.
(t)
CENSOR. die natal. c. 17.
PLIN. L. XI.
(u) Dieſe Klage verwirft CAR-
DANUS in aphor. p. 209.
(v)
Conf. PLIN. L. VII. c. 48.
Zehn von 120 Jahren und daruͤber
in Jtalien geſchaͤzzt.
(x) PSALM. XC.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 941[943]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/995>, abgerufen am 23.11.2024.
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