Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Halm, Friedrich [d. i. Eligius Franz Joseph von Münch Bellinghausen]: Die Marzipan-Lise. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–70. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

-- Ich muß! Ich muß! versetzte Antal, indem er sich mit der mächtigen Hand vor die Stirne schlug, ich habe im Zorn meine Seele dem Teufel verschworen, wenn noch ein Wort über meine Lippen käme, das Einen hier im Hause beträfe; ich darf nur Eins, fuhr er fort, indem er die Hände faltete, bitten, bitten darf ich Euch, macht die Augen auf und sehet den Weg, den Ihr geht! Schafft Rath, da es noch Zeit ist! Denkt nach, warum der hübsche Kis Sandor zu jung und der wackere Barna Laßlo zu alt war, Euer Schwiegersohn zu werden! Denkt nach, nehmt Euer Herz in die Hand und Gott -- segne Euch! und damit küßte er schluchzend dem Herrn die Hände und den Saum des Kleides und fuhr zur Thür hinaus.

Horvath stand betroffen und von Staunen und ungewisser Angst wie gelähmt; als er, wieder zur Besinnung gekommen, Antal nacheilte, war dieser längst auf sein Wäglein gesprungen, hatte mit Zunge und Peitschenknall das Gespann angetrieben und flog von Staubeswirbeln umhüllt, in echt ungarischem Jagen der Heimath zu.

Spät am Abend desselben Tages, als die Dämmerung längst hereingebrochen war, kehrte der Schreiber Ferencz in seinen Szür eingehüllt, einen schweren Geldsack unter dem Arm, von Bakony-Bel zurück. Die heller als gewöhnlich durch das Küchenfenster herleuchtende Flamme des Herdfeuers und ein ihm unbekannter Knecht, der ein paar sichtlich ermüdete Rosse pfeifend im Hofe herum-

— Ich muß! Ich muß! versetzte Antal, indem er sich mit der mächtigen Hand vor die Stirne schlug, ich habe im Zorn meine Seele dem Teufel verschworen, wenn noch ein Wort über meine Lippen käme, das Einen hier im Hause beträfe; ich darf nur Eins, fuhr er fort, indem er die Hände faltete, bitten, bitten darf ich Euch, macht die Augen auf und sehet den Weg, den Ihr geht! Schafft Rath, da es noch Zeit ist! Denkt nach, warum der hübsche Kis Sándor zu jung und der wackere Barna Láßló zu alt war, Euer Schwiegersohn zu werden! Denkt nach, nehmt Euer Herz in die Hand und Gott — segne Euch! und damit küßte er schluchzend dem Herrn die Hände und den Saum des Kleides und fuhr zur Thür hinaus.

Horváth stand betroffen und von Staunen und ungewisser Angst wie gelähmt; als er, wieder zur Besinnung gekommen, Antal nacheilte, war dieser längst auf sein Wäglein gesprungen, hatte mit Zunge und Peitschenknall das Gespann angetrieben und flog von Staubeswirbeln umhüllt, in echt ungarischem Jagen der Heimath zu.

Spät am Abend desselben Tages, als die Dämmerung längst hereingebrochen war, kehrte der Schreiber Ferencz in seinen Szür eingehüllt, einen schweren Geldsack unter dem Arm, von Bakony-Bél zurück. Die heller als gewöhnlich durch das Küchenfenster herleuchtende Flamme des Herdfeuers und ein ihm unbekannter Knecht, der ein paar sichtlich ermüdete Rosse pfeifend im Hofe herum-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="0">
        <p><pb facs="#f0022"/>
&#x2014; Ich muß! Ich muß! versetzte Antal, indem er sich mit der mächtigen Hand vor die Stirne     schlug, ich habe im Zorn meine Seele dem Teufel verschworen, wenn noch ein Wort über meine     Lippen käme, das Einen hier im Hause beträfe; ich darf nur Eins, fuhr er fort, indem er die     Hände faltete, bitten, bitten darf ich Euch, macht die Augen auf und sehet den Weg, den Ihr     geht! Schafft Rath, da es noch Zeit ist! Denkt nach, warum der hübsche Kis Sándor zu jung und     der wackere Barna Láßló zu alt war, Euer Schwiegersohn zu werden! Denkt nach, nehmt Euer Herz in     die Hand und Gott &#x2014; segne Euch! und damit küßte er schluchzend dem Herrn die Hände und den Saum     des Kleides und fuhr zur Thür hinaus.</p><lb/>
        <p>Horváth stand betroffen und von Staunen und ungewisser Angst wie gelähmt; als er, wieder zur     Besinnung gekommen, Antal nacheilte, war dieser längst auf sein Wäglein gesprungen, hatte mit     Zunge und Peitschenknall das Gespann angetrieben und flog von Staubeswirbeln umhüllt, in echt     ungarischem Jagen der Heimath zu.</p><lb/>
        <p>Spät am Abend desselben Tages, als die Dämmerung längst hereingebrochen war, kehrte der     Schreiber Ferencz in seinen Szür eingehüllt, einen schweren Geldsack unter dem Arm, von     Bakony-Bél zurück. Die heller als gewöhnlich durch das Küchenfenster herleuchtende Flamme des     Herdfeuers und ein ihm unbekannter Knecht, der ein paar sichtlich ermüdete Rosse pfeifend im     Hofe herum-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0022] — Ich muß! Ich muß! versetzte Antal, indem er sich mit der mächtigen Hand vor die Stirne schlug, ich habe im Zorn meine Seele dem Teufel verschworen, wenn noch ein Wort über meine Lippen käme, das Einen hier im Hause beträfe; ich darf nur Eins, fuhr er fort, indem er die Hände faltete, bitten, bitten darf ich Euch, macht die Augen auf und sehet den Weg, den Ihr geht! Schafft Rath, da es noch Zeit ist! Denkt nach, warum der hübsche Kis Sándor zu jung und der wackere Barna Láßló zu alt war, Euer Schwiegersohn zu werden! Denkt nach, nehmt Euer Herz in die Hand und Gott — segne Euch! und damit küßte er schluchzend dem Herrn die Hände und den Saum des Kleides und fuhr zur Thür hinaus. Horváth stand betroffen und von Staunen und ungewisser Angst wie gelähmt; als er, wieder zur Besinnung gekommen, Antal nacheilte, war dieser längst auf sein Wäglein gesprungen, hatte mit Zunge und Peitschenknall das Gespann angetrieben und flog von Staubeswirbeln umhüllt, in echt ungarischem Jagen der Heimath zu. Spät am Abend desselben Tages, als die Dämmerung längst hereingebrochen war, kehrte der Schreiber Ferencz in seinen Szür eingehüllt, einen schweren Geldsack unter dem Arm, von Bakony-Bél zurück. Die heller als gewöhnlich durch das Küchenfenster herleuchtende Flamme des Herdfeuers und ein ihm unbekannter Knecht, der ein paar sichtlich ermüdete Rosse pfeifend im Hofe herum-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:52:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:52:38Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/halm_lise_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/halm_lise_1910/22
Zitationshilfe: Halm, Friedrich [d. i. Eligius Franz Joseph von Münch Bellinghausen]: Die Marzipan-Lise. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–70. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/halm_lise_1910/22>, abgerufen am 03.12.2024.