Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Halm, Friedrich [d. i. Eligius Franz Joseph von Münch Bellinghausen]: Die Marzipan-Lise. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–70. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Gründung eines Bürgerspitals und Waisenhauses in bester Form Rechtens letzwillig hinterlassen! -- Ein Murmeln und Flüstern des Staunens zog brausend durch die Versammlung, während der junge Mann eine Weile stumm und gedankenlos den Sprechenden anstarrte; als aber hier und dort in der Menge ein: Gott segne sie! ein: Ruhe sie in Frieden! laut wurde, als die erst stumpfe und mehr neugierige als erschütterte Menge plötzlich vom Drang des Dankgefühls hingerissen wie Ein Mann sich auf die Kniee warf und ein Gebet für ihre ermordete Wohlthäterin anstimmte, da flammte in seinem Auge die Glut des feindlichsten Hasses auf, die, als sein Blick sich abwendend wieder auf die Leiche fiel, in den Ausdruck wahnsinniger Wuth sich verwandelte; er knirschte mit den Zähnen, wühlte mit den Händen in seinem Haar, dann stieß er einen Schrei aus, der halb wie Schmerzgeheul, halb wie Gelächter der Verzweiflung erklang, taumelte, verdrehte die Augen und schlug im nächsten Augenblick leblos wie ein Stück Holz neben der Leiche hin!

Herr Steidler, der in dem Bemühen, seinen Zuhörern die Eindrücke des vorlängst Erlebten recht anschaulich zu vergegenwärtigen, ungewöhnlich lebhaft geworden war, hielt hier inne, um sich zu sammeln und seine Erinnerungen für die Fortsetzung seiner Erzählung zu ordnen, als vom Ofen her, hinter dem schon lange schwere Athemzüge hörbar geworden, nun plötzlich ein dumpfes, ängstliches Stöhnen wie das Röcheln eines Erstickenden erscholl. Herr Jesus, jammerte Base Margit, es spukt!

Gründung eines Bürgerspitals und Waisenhauses in bester Form Rechtens letzwillig hinterlassen! — Ein Murmeln und Flüstern des Staunens zog brausend durch die Versammlung, während der junge Mann eine Weile stumm und gedankenlos den Sprechenden anstarrte; als aber hier und dort in der Menge ein: Gott segne sie! ein: Ruhe sie in Frieden! laut wurde, als die erst stumpfe und mehr neugierige als erschütterte Menge plötzlich vom Drang des Dankgefühls hingerissen wie Ein Mann sich auf die Kniee warf und ein Gebet für ihre ermordete Wohlthäterin anstimmte, da flammte in seinem Auge die Glut des feindlichsten Hasses auf, die, als sein Blick sich abwendend wieder auf die Leiche fiel, in den Ausdruck wahnsinniger Wuth sich verwandelte; er knirschte mit den Zähnen, wühlte mit den Händen in seinem Haar, dann stieß er einen Schrei aus, der halb wie Schmerzgeheul, halb wie Gelächter der Verzweiflung erklang, taumelte, verdrehte die Augen und schlug im nächsten Augenblick leblos wie ein Stück Holz neben der Leiche hin!

Herr Steidler, der in dem Bemühen, seinen Zuhörern die Eindrücke des vorlängst Erlebten recht anschaulich zu vergegenwärtigen, ungewöhnlich lebhaft geworden war, hielt hier inne, um sich zu sammeln und seine Erinnerungen für die Fortsetzung seiner Erzählung zu ordnen, als vom Ofen her, hinter dem schon lange schwere Athemzüge hörbar geworden, nun plötzlich ein dumpfes, ängstliches Stöhnen wie das Röcheln eines Erstickenden erscholl. Herr Jesus, jammerte Base Margit, es spukt!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="0">
        <p><pb facs="#f0038"/>
Gründung eines Bürgerspitals und Waisenhauses in     bester Form Rechtens letzwillig hinterlassen! &#x2014; Ein Murmeln und Flüstern des Staunens zog     brausend durch die Versammlung, während der junge Mann eine Weile stumm und gedankenlos den     Sprechenden anstarrte; als aber hier und dort in der Menge ein: Gott segne sie! ein: Ruhe sie in     Frieden! laut wurde, als die erst stumpfe und mehr neugierige als erschütterte Menge plötzlich     vom Drang des Dankgefühls hingerissen wie Ein Mann sich auf die Kniee warf und ein Gebet für     ihre ermordete Wohlthäterin anstimmte, da flammte in seinem Auge die Glut des feindlichsten     Hasses auf, die, als sein Blick sich abwendend wieder auf die Leiche fiel, in den Ausdruck     wahnsinniger Wuth sich verwandelte; er knirschte mit den Zähnen, wühlte mit den Händen in seinem     Haar, dann stieß er einen Schrei aus, der halb wie Schmerzgeheul, halb wie Gelächter der     Verzweiflung erklang, taumelte, verdrehte die Augen und schlug im nächsten Augenblick leblos wie     ein Stück Holz neben der Leiche hin!</p><lb/>
        <p>Herr Steidler, der in dem Bemühen, seinen Zuhörern die Eindrücke des vorlängst Erlebten recht     anschaulich zu vergegenwärtigen, ungewöhnlich lebhaft geworden war, hielt hier inne, um sich zu     sammeln und seine Erinnerungen für die Fortsetzung seiner Erzählung zu ordnen, als vom Ofen her,     hinter dem schon lange schwere Athemzüge hörbar geworden, nun plötzlich ein dumpfes, ängstliches     Stöhnen wie das Röcheln eines Erstickenden erscholl. Herr Jesus, jammerte Base Margit, es spukt!<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0038] Gründung eines Bürgerspitals und Waisenhauses in bester Form Rechtens letzwillig hinterlassen! — Ein Murmeln und Flüstern des Staunens zog brausend durch die Versammlung, während der junge Mann eine Weile stumm und gedankenlos den Sprechenden anstarrte; als aber hier und dort in der Menge ein: Gott segne sie! ein: Ruhe sie in Frieden! laut wurde, als die erst stumpfe und mehr neugierige als erschütterte Menge plötzlich vom Drang des Dankgefühls hingerissen wie Ein Mann sich auf die Kniee warf und ein Gebet für ihre ermordete Wohlthäterin anstimmte, da flammte in seinem Auge die Glut des feindlichsten Hasses auf, die, als sein Blick sich abwendend wieder auf die Leiche fiel, in den Ausdruck wahnsinniger Wuth sich verwandelte; er knirschte mit den Zähnen, wühlte mit den Händen in seinem Haar, dann stieß er einen Schrei aus, der halb wie Schmerzgeheul, halb wie Gelächter der Verzweiflung erklang, taumelte, verdrehte die Augen und schlug im nächsten Augenblick leblos wie ein Stück Holz neben der Leiche hin! Herr Steidler, der in dem Bemühen, seinen Zuhörern die Eindrücke des vorlängst Erlebten recht anschaulich zu vergegenwärtigen, ungewöhnlich lebhaft geworden war, hielt hier inne, um sich zu sammeln und seine Erinnerungen für die Fortsetzung seiner Erzählung zu ordnen, als vom Ofen her, hinter dem schon lange schwere Athemzüge hörbar geworden, nun plötzlich ein dumpfes, ängstliches Stöhnen wie das Röcheln eines Erstickenden erscholl. Herr Jesus, jammerte Base Margit, es spukt!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:52:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:52:38Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/halm_lise_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/halm_lise_1910/38
Zitationshilfe: Halm, Friedrich [d. i. Eligius Franz Joseph von Münch Bellinghausen]: Die Marzipan-Lise. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–70. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/halm_lise_1910/38>, abgerufen am 23.11.2024.