Halm, Friedrich [d. i. Eligius Franz Joseph von Münch Bellinghausen]: Die Marzipan-Lise. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–70. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.fort! Ich bin des Gewinsels satt und will Ruhe haben! -- Margit gehorchte und entfernte sich mit dem halbohnmächtigen Ferencz, zu dessen Wiederbelebung der eben stattgehabte Auftritt auch freilich nicht sehr geeignet war. Kaum war die Thüre hinter den Beiden zugefallen, als Horvath, der ihren Abgang mit unmuthig düstern Blicken beobachtet hatte, sich wieder zu Czenczi wandte, die blaß und regungslos dasaß, und von deren Wimpern große Thränen auf die in ihrem Schooße gefalteten Hände niederträuften. Geh auf dein Zimmer, sprach er in milderem Tone, die Erzählung unseres Gastes hat dich aufgeregt, und wenn bei euch Weibsleuten das Rädlein einmal ins Laufen gekommen ist, so will's nicht mehr stille stehen! Geh und ein andermal sei klüger! und damit gute Nacht! -- Czenczi wiederholte tonlos und kaum vernehmlich die letzten Worte des Vaters, verneigte sich schweigend vor dem Gaste und verließ langsam das Gemach. Horvaths Blicke folgten ihr mit dem Ausdrucke schmerzlichen Bedauerns und bitterer Kränkung. Die leidenschaftliche Theilnahme, die Czenczi für den Schreiber bei einem so unbedeutenden Anlaß, wie seine Unpäßlichkeit es war, an den Tag gelegt hatte, ließ über den Zustand ihres Herzens keinen Zweifel übrig, und in Horvaths Brust, der sich in seiner blinden Zuversicht getäuscht, in seinem Stolze verletzt und in die bittere Nothwendigkeit versetzt sah, dem Herzen wehe thun zu müssen, das er am meisten liebte, kämpften die widersprechendsten Gefühle einen harten, fort! Ich bin des Gewinsels satt und will Ruhe haben! — Margit gehorchte und entfernte sich mit dem halbohnmächtigen Ferencz, zu dessen Wiederbelebung der eben stattgehabte Auftritt auch freilich nicht sehr geeignet war. Kaum war die Thüre hinter den Beiden zugefallen, als Horváth, der ihren Abgang mit unmuthig düstern Blicken beobachtet hatte, sich wieder zu Czenczi wandte, die blaß und regungslos dasaß, und von deren Wimpern große Thränen auf die in ihrem Schooße gefalteten Hände niederträuften. Geh auf dein Zimmer, sprach er in milderem Tone, die Erzählung unseres Gastes hat dich aufgeregt, und wenn bei euch Weibsleuten das Rädlein einmal ins Laufen gekommen ist, so will's nicht mehr stille stehen! Geh und ein andermal sei klüger! und damit gute Nacht! — Czenczi wiederholte tonlos und kaum vernehmlich die letzten Worte des Vaters, verneigte sich schweigend vor dem Gaste und verließ langsam das Gemach. Horváths Blicke folgten ihr mit dem Ausdrucke schmerzlichen Bedauerns und bitterer Kränkung. Die leidenschaftliche Theilnahme, die Czenczi für den Schreiber bei einem so unbedeutenden Anlaß, wie seine Unpäßlichkeit es war, an den Tag gelegt hatte, ließ über den Zustand ihres Herzens keinen Zweifel übrig, und in Horváths Brust, der sich in seiner blinden Zuversicht getäuscht, in seinem Stolze verletzt und in die bittere Nothwendigkeit versetzt sah, dem Herzen wehe thun zu müssen, das er am meisten liebte, kämpften die widersprechendsten Gefühle einen harten, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0040"/> fort! Ich bin des Gewinsels satt und will Ruhe haben! — Margit gehorchte und entfernte sich mit dem halbohnmächtigen Ferencz, zu dessen Wiederbelebung der eben stattgehabte Auftritt auch freilich nicht sehr geeignet war.</p><lb/> <p>Kaum war die Thüre hinter den Beiden zugefallen, als Horváth, der ihren Abgang mit unmuthig düstern Blicken beobachtet hatte, sich wieder zu Czenczi wandte, die blaß und regungslos dasaß, und von deren Wimpern große Thränen auf die in ihrem Schooße gefalteten Hände niederträuften. Geh auf dein Zimmer, sprach er in milderem Tone, die Erzählung unseres Gastes hat dich aufgeregt, und wenn bei euch Weibsleuten das Rädlein einmal ins Laufen gekommen ist, so will's nicht mehr stille stehen! Geh und ein andermal sei klüger! und damit gute Nacht! — Czenczi wiederholte tonlos und kaum vernehmlich die letzten Worte des Vaters, verneigte sich schweigend vor dem Gaste und verließ langsam das Gemach. Horváths Blicke folgten ihr mit dem Ausdrucke schmerzlichen Bedauerns und bitterer Kränkung. Die leidenschaftliche Theilnahme, die Czenczi für den Schreiber bei einem so unbedeutenden Anlaß, wie seine Unpäßlichkeit es war, an den Tag gelegt hatte, ließ über den Zustand ihres Herzens keinen Zweifel übrig, und in Horváths Brust, der sich in seiner blinden Zuversicht getäuscht, in seinem Stolze verletzt und in die bittere Nothwendigkeit versetzt sah, dem Herzen wehe thun zu müssen, das er am meisten liebte, kämpften die widersprechendsten Gefühle einen harten,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
fort! Ich bin des Gewinsels satt und will Ruhe haben! — Margit gehorchte und entfernte sich mit dem halbohnmächtigen Ferencz, zu dessen Wiederbelebung der eben stattgehabte Auftritt auch freilich nicht sehr geeignet war.
Kaum war die Thüre hinter den Beiden zugefallen, als Horváth, der ihren Abgang mit unmuthig düstern Blicken beobachtet hatte, sich wieder zu Czenczi wandte, die blaß und regungslos dasaß, und von deren Wimpern große Thränen auf die in ihrem Schooße gefalteten Hände niederträuften. Geh auf dein Zimmer, sprach er in milderem Tone, die Erzählung unseres Gastes hat dich aufgeregt, und wenn bei euch Weibsleuten das Rädlein einmal ins Laufen gekommen ist, so will's nicht mehr stille stehen! Geh und ein andermal sei klüger! und damit gute Nacht! — Czenczi wiederholte tonlos und kaum vernehmlich die letzten Worte des Vaters, verneigte sich schweigend vor dem Gaste und verließ langsam das Gemach. Horváths Blicke folgten ihr mit dem Ausdrucke schmerzlichen Bedauerns und bitterer Kränkung. Die leidenschaftliche Theilnahme, die Czenczi für den Schreiber bei einem so unbedeutenden Anlaß, wie seine Unpäßlichkeit es war, an den Tag gelegt hatte, ließ über den Zustand ihres Herzens keinen Zweifel übrig, und in Horváths Brust, der sich in seiner blinden Zuversicht getäuscht, in seinem Stolze verletzt und in die bittere Nothwendigkeit versetzt sah, dem Herzen wehe thun zu müssen, das er am meisten liebte, kämpften die widersprechendsten Gefühle einen harten,
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