[Hamann, Johann Georg]: Sokratische Denkwürdigkeiten. Amsterdam [i. e. Königsberg], 1759.Lehr- und Denkart. Was ist natürlicher, sen
Lehr- und Denkart. Was iſt natuͤrlicher, ſen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0058" n="54"/> Lehr- und Denkart. Was iſt natuͤrlicher,<lb/> als daß er ſich genoͤthigt ſahe immer zu fra-<lb/> gen um kluͤger zu werden; daß er leichtglaͤu-<lb/> big that, jedes Meynung fuͤr wahr annahm,<lb/> und lieber die Probe der Spoͤtterey und <hi rendition="#fr">gu-<lb/> ten Laune</hi> als eine ernſthafte Unterſuchung<lb/> anſtellte; daß er alle ſeine Schluͤſſe ſinnlich<lb/> und nach der Aehnlichkeit machte; Einfaͤlle<lb/> ſagte, weil er keine Dialectick verſtand; gleich-<lb/> guͤltig gegen das, was man Wahrheit hieß,<lb/> auch keine Leidenſchaften, beſonders diejeni-<lb/> gen nicht kannte, womit ſich die Edelſten un-<lb/> ter den Athenienſern am meiſten wuſten; daß<lb/> er, wie alle Jdeoten, oft ſo zuverſichtlich und<lb/> entſcheidend ſprach, als wenn er, unter al-<lb/> len Nachteulen ſeines Vaterlandes, die ein-<lb/> zige waͤre, welche der Minerva auf ihrem<lb/> Helm ſaͤße — — Es hat den Sokraten un-<lb/> ſers Alters, den kanoniſchen Lehrern des<lb/> Publicums und verdienſtreichen Patronen<lb/> des menſchlichen Geſchlechts noch nicht gluͤ-<lb/> cken wollen, ihr Muſter in allen ſuͤſſen Feh-<lb/> lern zu erreichen. Weil ſie von der Urkunde<lb/> ſeiner Unwiſſenheit unendlich abweichen; ſo<lb/> muß man alle ſinnreichen Leſearten und Gloſ-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſen</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0058]
Lehr- und Denkart. Was iſt natuͤrlicher,
als daß er ſich genoͤthigt ſahe immer zu fra-
gen um kluͤger zu werden; daß er leichtglaͤu-
big that, jedes Meynung fuͤr wahr annahm,
und lieber die Probe der Spoͤtterey und gu-
ten Laune als eine ernſthafte Unterſuchung
anſtellte; daß er alle ſeine Schluͤſſe ſinnlich
und nach der Aehnlichkeit machte; Einfaͤlle
ſagte, weil er keine Dialectick verſtand; gleich-
guͤltig gegen das, was man Wahrheit hieß,
auch keine Leidenſchaften, beſonders diejeni-
gen nicht kannte, womit ſich die Edelſten un-
ter den Athenienſern am meiſten wuſten; daß
er, wie alle Jdeoten, oft ſo zuverſichtlich und
entſcheidend ſprach, als wenn er, unter al-
len Nachteulen ſeines Vaterlandes, die ein-
zige waͤre, welche der Minerva auf ihrem
Helm ſaͤße — — Es hat den Sokraten un-
ſers Alters, den kanoniſchen Lehrern des
Publicums und verdienſtreichen Patronen
des menſchlichen Geſchlechts noch nicht gluͤ-
cken wollen, ihr Muſter in allen ſuͤſſen Feh-
lern zu erreichen. Weil ſie von der Urkunde
ſeiner Unwiſſenheit unendlich abweichen; ſo
muß man alle ſinnreichen Leſearten und Gloſ-
ſen
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