Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hamann, Johann Georg]: Sokratische Denkwürdigkeiten. Amsterdam [i. e. Königsberg], 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Nach seinem Tode soll er noch einem Chier,
Namens Kyrsas erschienen seyn, der sich un-
weit seines Grabes niedergesetzt hatte und
darüber eingeschlafen war. Die Absicht sei-
ner Reise nach Athen bestand, Sokrates zu
sehen, der damals nicht mehr lebte; nach die-
ser Unterredung also mit desselben Gespenste,
kehrte er in sein Vaterland zurück, das bey
den Alten wegen seines herrlichen Weins be-
kannt ist.

Plato macht die freywillige Armuth des
Sokrates zu einem Zeichen seiner göttlichen
Sendung. Ein grösseres ist seine Gemein-
schaft an dem letzten Schicksale der Prophe-
ten
und Gerechten. *) Ein Bildsäule von
Lysippus war das Denkmal, das die Athe-
nienser seiner Unschuld und dem Frevel ihres
eigenen Blutgerichts setzen liessen.

Schlußrede.

Wer nicht von Brosamen und Allmosen,
noch vom Raube zu leben, und für ein
Schwert alles zu entbehren weiß, ist nicht
geschickt zum Dienst der Wahrheit; Der wer-
de frühe! ein vernünftiger, brauchbarer, ar-

tiger
*) Matth. XXIII. 29.

Nach ſeinem Tode ſoll er noch einem Chier,
Namens Kyrſas erſchienen ſeyn, der ſich un-
weit ſeines Grabes niedergeſetzt hatte und
daruͤber eingeſchlafen war. Die Abſicht ſei-
ner Reiſe nach Athen beſtand, Sokrates zu
ſehen, der damals nicht mehr lebte; nach die-
ſer Unterredung alſo mit deſſelben Geſpenſte,
kehrte er in ſein Vaterland zuruͤck, das bey
den Alten wegen ſeines herrlichen Weins be-
kannt iſt.

Plato macht die freywillige Armuth des
Sokrates zu einem Zeichen ſeiner goͤttlichen
Sendung. Ein groͤſſeres iſt ſeine Gemein-
ſchaft an dem letzten Schickſale der Prophe-
ten
und Gerechten. *) Ein Bildſaͤule von
Lyſippus war das Denkmal, das die Athe-
nienſer ſeiner Unſchuld und dem Frevel ihres
eigenen Blutgerichts ſetzen lieſſen.

Schlußrede.

Wer nicht von Broſamen und Allmoſen,
noch vom Raube zu leben, und fuͤr ein
Schwert alles zu entbehren weiß, iſt nicht
geſchickt zum Dienſt der Wahrheit; Der wer-
de fruͤhe! ein vernuͤnftiger, brauchbarer, ar-

tiger
*) Matth. XXIII. 29.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0067" n="63"/>
            <p>Nach &#x017F;einem Tode &#x017F;oll er noch einem Chier,<lb/>
Namens <hi rendition="#fr">Kyr&#x017F;as</hi> er&#x017F;chienen &#x017F;eyn, der &#x017F;ich un-<lb/>
weit &#x017F;eines Grabes niederge&#x017F;etzt hatte und<lb/>
daru&#x0364;ber einge&#x017F;chlafen war. Die Ab&#x017F;icht &#x017F;ei-<lb/>
ner Rei&#x017F;e nach Athen be&#x017F;tand, Sokrates zu<lb/>
&#x017F;ehen, der damals nicht mehr lebte; nach die-<lb/>
&#x017F;er Unterredung al&#x017F;o mit de&#x017F;&#x017F;elben Ge&#x017F;pen&#x017F;te,<lb/>
kehrte er in &#x017F;ein Vaterland zuru&#x0364;ck, das bey<lb/>
den Alten wegen &#x017F;eines herrlichen Weins be-<lb/>
kannt i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Plato macht die freywillige Armuth des<lb/>
Sokrates zu einem Zeichen &#x017F;einer go&#x0364;ttlichen<lb/>
Sendung. Ein gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;eres i&#x017F;t &#x017F;eine Gemein-<lb/>
&#x017F;chaft an dem letzten Schick&#x017F;ale der <hi rendition="#fr">Prophe-<lb/>
ten</hi> und <hi rendition="#fr">Gerechten.</hi> <note place="foot" n="*)">Matth. <hi rendition="#aq">XXIII.</hi> 29.</note> Ein Bild&#x017F;a&#x0364;ule von<lb/>
Ly&#x017F;ippus war das Denkmal, das die Athe-<lb/>
nien&#x017F;er &#x017F;einer Un&#x017F;chuld und dem Frevel ihres<lb/>
eigenen Blutgerichts &#x017F;etzen lie&#x017F;&#x017F;en.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Schlußrede.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">W</hi>er nicht von <hi rendition="#fr">Bro&#x017F;amen</hi> und <hi rendition="#fr">Allmo&#x017F;en,</hi><lb/>
noch vom <hi rendition="#fr">Raube</hi> zu leben, und fu&#x0364;r ein<lb/><hi rendition="#fr">Schwert</hi> alles zu entbehren weiß, i&#x017F;t nicht<lb/>
ge&#x017F;chickt zum Dien&#x017F;t der Wahrheit; Der wer-<lb/>
de fru&#x0364;he! ein vernu&#x0364;nftiger, brauchbarer, ar-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">tiger</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0067] Nach ſeinem Tode ſoll er noch einem Chier, Namens Kyrſas erſchienen ſeyn, der ſich un- weit ſeines Grabes niedergeſetzt hatte und daruͤber eingeſchlafen war. Die Abſicht ſei- ner Reiſe nach Athen beſtand, Sokrates zu ſehen, der damals nicht mehr lebte; nach die- ſer Unterredung alſo mit deſſelben Geſpenſte, kehrte er in ſein Vaterland zuruͤck, das bey den Alten wegen ſeines herrlichen Weins be- kannt iſt. Plato macht die freywillige Armuth des Sokrates zu einem Zeichen ſeiner goͤttlichen Sendung. Ein groͤſſeres iſt ſeine Gemein- ſchaft an dem letzten Schickſale der Prophe- ten und Gerechten. *) Ein Bildſaͤule von Lyſippus war das Denkmal, das die Athe- nienſer ſeiner Unſchuld und dem Frevel ihres eigenen Blutgerichts ſetzen lieſſen. Schlußrede. Wer nicht von Broſamen und Allmoſen, noch vom Raube zu leben, und fuͤr ein Schwert alles zu entbehren weiß, iſt nicht geſchickt zum Dienſt der Wahrheit; Der wer- de fruͤhe! ein vernuͤnftiger, brauchbarer, ar- tiger *) Matth. XXIII. 29.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hamann_denkwuerdigkeiten_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hamann_denkwuerdigkeiten_1759/67
Zitationshilfe: [Hamann, Johann Georg]: Sokratische Denkwürdigkeiten. Amsterdam [i. e. Königsberg], 1759, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hamann_denkwuerdigkeiten_1759/67>, abgerufen am 22.11.2024.