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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 8. Lothar von Supplinburg (1125-1137).

Lothar konnte also mit dem Gewinn des Romzuges, wenn er
ihn mit dem Einsatz verglich, immerhin zufrieden sein. Auch so
viel war nur erreicht, weil eben damals innere Wirren Rogers Kraft
nach außen lähmten; diese augenblickliche Not aber zu einem An-
griff auszunutzen, lehnte der Kaiser trotz dringender Bitten seines
Papstes ab. Indem er sich über die Alpen zurückwandte, wurde
Innozenz' Lage bei neuem Erstarken Rogers bald genug unhaltbar.
Enttäuscht, sah er sich gezwungen, nach Pisa zu flüchten; ihm
hatte der Romzug nicht den erhofften Vorteil gebracht. Noch vor
seinem Abschluß ergab sich die Notwendigkeit eines neuen, mit
umfassenderen Machtmitteln auszuführenden Unternehmens.

Dafür galt es in den nächsten Jahren durch friedenfördernde
Hilfe den Boden zu bereiten. Bernhard selbst war es, der in die
Ausgleichsverhandlungen zwischen Lothar und seinen deutschen
Gegnern vermittelnd eingriff. Nacheinander unterwarfen sich die
beiden staufischen Brüder, die sich nicht lange mehr hätten be-
haupten können, und erlangten gegen Anerkennung des Kaisers
volle Begnadigung (1135). Auch sonst dankte Lothar der Kirche
mancherlei Unterstützung nach innen und außen.

Es waren jene glücklichen Friedensjahre, deren die Chronisten
in den bald hereinbrechenden Wirren mit sehnsüchtigem Lobe ge-
dachten, -- auch unter dem Gesichtspunkte der deutschen Zukunft
gewiß nicht mit Unrecht! Denn in einer Zeit, in der die wirt-
schaftlichen Kräfte des Reiches aus den verhältnismäßig schon
übervölkerten niederländischen und rheinischen Gebieten ostwärts
zu fluten begannen, in der kirchliche und kriegerische Elemente in
gleicher Weise dort ein Betätigungsfeld ersehnten, konnte es von
höchster Bedeutung werden, daß das Königtum Lothars infolge
der Lage seines Stammesherzogtums gewissermaßen einen Front-
wechsel von Südwest nach Nordost vollzog und an die einstmals
allzu jäh abgerissenen Überlieferungen Ottos d. Gr. wieder an-
knüpfte. Während die Gebiete längs der französischen Grenze in
der Sorge des Herrschers zurücktraten, kannte er sich, belehrt durch
die Erfahrungen eines langen Menschenalters, in allen Verhältnissen,
die Sachsen berührten, vortrefflich aus. Die Übertragung der branden-
burgischen Nordmark an den Askanier Albrecht von Ballenstädt
(1134), die Vereinigung der Lausitz mit der schon früher (1123)
verliehenen Mark Meißen unter Konrad von Wettin (1136), die
Verpflanzung der Schauenburger (Adolf I. 1110 bis c. 1128,
Adolf II. c. 1128-1164) von der Weser in die Grafschaften
Holstein und Stormarn zeigten, daß er hier den rechten Mann an
die rechte Stelle zu setzen wußte, und wiesen den großen Ge-
schlechtern der Zukunft ihre historischen Aufgaben. Unmittelbarer

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§ 8. Lothar von Supplinburg (1125‒1137).

Lothar konnte also mit dem Gewinn des Romzuges, wenn er
ihn mit dem Einsatz verglich, immerhin zufrieden sein. Auch so
viel war nur erreicht, weil eben damals innere Wirren Rogers Kraft
nach außen lähmten; diese augenblickliche Not aber zu einem An-
griff auszunutzen, lehnte der Kaiser trotz dringender Bitten seines
Papstes ab. Indem er sich über die Alpen zurückwandte, wurde
Innozenz' Lage bei neuem Erstarken Rogers bald genug unhaltbar.
Enttäuscht, sah er sich gezwungen, nach Pisa zu flüchten; ihm
hatte der Romzug nicht den erhofften Vorteil gebracht. Noch vor
seinem Abschluß ergab sich die Notwendigkeit eines neuen, mit
umfassenderen Machtmitteln auszuführenden Unternehmens.

Dafür galt es in den nächsten Jahren durch friedenfördernde
Hilfe den Boden zu bereiten. Bernhard selbst war es, der in die
Ausgleichsverhandlungen zwischen Lothar und seinen deutschen
Gegnern vermittelnd eingriff. Nacheinander unterwarfen sich die
beiden staufischen Brüder, die sich nicht lange mehr hätten be-
haupten können, und erlangten gegen Anerkennung des Kaisers
volle Begnadigung (1135). Auch sonst dankte Lothar der Kirche
mancherlei Unterstützung nach innen und außen.

Es waren jene glücklichen Friedensjahre, deren die Chronisten
in den bald hereinbrechenden Wirren mit sehnsüchtigem Lobe ge-
dachten, — auch unter dem Gesichtspunkte der deutschen Zukunft
gewiß nicht mit Unrecht! Denn in einer Zeit, in der die wirt-
schaftlichen Kräfte des Reiches aus den verhältnismäßig schon
übervölkerten niederländischen und rheinischen Gebieten ostwärts
zu fluten begannen, in der kirchliche und kriegerische Elemente in
gleicher Weise dort ein Betätigungsfeld ersehnten, konnte es von
höchster Bedeutung werden, daß das Königtum Lothars infolge
der Lage seines Stammesherzogtums gewissermaßen einen Front-
wechsel von Südwest nach Nordost vollzog und an die einstmals
allzu jäh abgerissenen Überlieferungen Ottos d. Gr. wieder an-
knüpfte. Während die Gebiete längs der französischen Grenze in
der Sorge des Herrschers zurücktraten, kannte er sich, belehrt durch
die Erfahrungen eines langen Menschenalters, in allen Verhältnissen,
die Sachsen berührten, vortrefflich aus. Die Übertragung der branden-
burgischen Nordmark an den Askanier Albrecht von Ballenstädt
(1134), die Vereinigung der Lausitz mit der schon früher (1123)
verliehenen Mark Meißen unter Konrad von Wettin (1136), die
Verpflanzung der Schauenburger (Adolf I. 1110 bis c. 1128,
Adolf II. c. 1128‒1164) von der Weser in die Grafschaften
Holstein und Stormarn zeigten, daß er hier den rechten Mann an
die rechte Stelle zu setzen wußte, und wiesen den großen Ge-
schlechtern der Zukunft ihre historischen Aufgaben. Unmittelbarer

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[99/0107] § 8. Lothar von Supplinburg (1125‒1137). Lothar konnte also mit dem Gewinn des Romzuges, wenn er ihn mit dem Einsatz verglich, immerhin zufrieden sein. Auch so viel war nur erreicht, weil eben damals innere Wirren Rogers Kraft nach außen lähmten; diese augenblickliche Not aber zu einem An- griff auszunutzen, lehnte der Kaiser trotz dringender Bitten seines Papstes ab. Indem er sich über die Alpen zurückwandte, wurde Innozenz' Lage bei neuem Erstarken Rogers bald genug unhaltbar. Enttäuscht, sah er sich gezwungen, nach Pisa zu flüchten; ihm hatte der Romzug nicht den erhofften Vorteil gebracht. Noch vor seinem Abschluß ergab sich die Notwendigkeit eines neuen, mit umfassenderen Machtmitteln auszuführenden Unternehmens. Dafür galt es in den nächsten Jahren durch friedenfördernde Hilfe den Boden zu bereiten. Bernhard selbst war es, der in die Ausgleichsverhandlungen zwischen Lothar und seinen deutschen Gegnern vermittelnd eingriff. Nacheinander unterwarfen sich die beiden staufischen Brüder, die sich nicht lange mehr hätten be- haupten können, und erlangten gegen Anerkennung des Kaisers volle Begnadigung (1135). Auch sonst dankte Lothar der Kirche mancherlei Unterstützung nach innen und außen. Es waren jene glücklichen Friedensjahre, deren die Chronisten in den bald hereinbrechenden Wirren mit sehnsüchtigem Lobe ge- dachten, — auch unter dem Gesichtspunkte der deutschen Zukunft gewiß nicht mit Unrecht! Denn in einer Zeit, in der die wirt- schaftlichen Kräfte des Reiches aus den verhältnismäßig schon übervölkerten niederländischen und rheinischen Gebieten ostwärts zu fluten begannen, in der kirchliche und kriegerische Elemente in gleicher Weise dort ein Betätigungsfeld ersehnten, konnte es von höchster Bedeutung werden, daß das Königtum Lothars infolge der Lage seines Stammesherzogtums gewissermaßen einen Front- wechsel von Südwest nach Nordost vollzog und an die einstmals allzu jäh abgerissenen Überlieferungen Ottos d. Gr. wieder an- knüpfte. Während die Gebiete längs der französischen Grenze in der Sorge des Herrschers zurücktraten, kannte er sich, belehrt durch die Erfahrungen eines langen Menschenalters, in allen Verhältnissen, die Sachsen berührten, vortrefflich aus. Die Übertragung der branden- burgischen Nordmark an den Askanier Albrecht von Ballenstädt (1134), die Vereinigung der Lausitz mit der schon früher (1123) verliehenen Mark Meißen unter Konrad von Wettin (1136), die Verpflanzung der Schauenburger (Adolf I. 1110 bis c. 1128, Adolf II. c. 1128‒1164) von der Weser in die Grafschaften Holstein und Stormarn zeigten, daß er hier den rechten Mann an die rechte Stelle zu setzen wußte, und wiesen den großen Ge- schlechtern der Zukunft ihre historischen Aufgaben. Unmittelbarer 7*

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/107>, abgerufen am 21.11.2024.