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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 10. Die Anfänge Friedrichs I. (1152-1157).
lands gebührt, auf dem Sterbebette. Es mochte ihm schwer genug
werden, als er sein siebenjähriges Söhnchen Friedrich überging und
seinen schon gereiften und bewährten Neffen Friedrich von Schwaben
durch Übersendung der Reichsinsignien als den erwünschten Nach-
folger bezeichnete. Darin lag Rettung, falls die Wahl der Fürsten
mit seinem Wunsche zusammentraf; denn für die beiden großen
Aufgaben, die des neuen Herrschers harrten: die Beseitigung des
staufisch-welfischen Zwiespalts in Deutschland und die Zurück-
drängung der päpstlich-kirchlichen Übermacht in Europa war kaum
eine geeignetere Persönlichkeit denkbar als Friedrich Barbarossa.

§ 10. Die Anfänge Friedrichs I. (1152-1157).

Weniger die Richtung und Ergebnisse von Friedrichs nicht
eben schöpferischer Politik haben ihm im Andenken des deutschen
Volkes einen Platz gleich hinter Karl d. Gr. verschafft, als seine
starke, heldenhafte Persönlichkeit, der vollkommenste Ausdruck
des deutschen Rittertums in seiner höchsten Blüte. Eben das
Typische seines Wesens, das die höchsten weltlichen Zeitideale ver-
körperte, bedeutete nicht etwa Schwäche, sondern durch Verminde-
rung der Reibungen eine Verstärkung der Wirkungskraft. Auch
innere Kämpfe haben diese Wucht kaum je gemindert. Selbstsicher
und tatenfroh hatte er sein Leben bis an die Schwelle der dreißig
durchgestürmt, frühzeitig gereift und fertig. Schon in der äußeren
Erscheinung, der mittelgroßen, ebenmäßigen Figur, der modischen
Tracht des rötlichblonden Haares und Bartes, der stetigen Heiter-
keit seines Gesichtsausdrucks, entsprach er mehr dem neuen Ritter-
ideal, als der ungeschlachten Kraftgestalt altgermanischer Recken.
Noch mehr in Bildung und Wesen! Ohne Anwartschaft auf den
Thron unliterarisch erzogen, so daß er beim Verkehr mit Fremden
stets des Dolmetschers bedurfte, hatte er doch für deutsche Dich-
tung, Geschichtschreibung und Baukunst förderndes Interesse, ge-
wann, durch Personengedächtnis und natürliche Redegabe unter-
stützt, leicht die Herzen, beherrschte völlig die höfischen Formen
und hielt vor allem streng die Krone der Zucht, die vielgepriesene
"maze" inne. Wenn er im Kriege, der "lustigen Jagd", diese Grenze
für unser Gefühl gelegentlich überschritten zu haben scheint, am
Feldstreit selbst eine wilde Freude zeigte, einen leichten Kampf
gegen Mittelitaliener einmal verächtlich Knabenspiel, nicht Männer-
arbeit nannte, zur Niederzwingung von Rebellen auch grausame Mittel,
wie vor Crema die Anheftung der Gefangenen an die Belagerungs-
werkzeuge zu deren Schutz, nicht verschmähte, so dachten die ritter-

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§ 10. Die Anfänge Friedrichs I. (1152‒1157).
lands gebührt, auf dem Sterbebette. Es mochte ihm schwer genug
werden, als er sein siebenjähriges Söhnchen Friedrich überging und
seinen schon gereiften und bewährten Neffen Friedrich von Schwaben
durch Übersendung der Reichsinsignien als den erwünschten Nach-
folger bezeichnete. Darin lag Rettung, falls die Wahl der Fürsten
mit seinem Wunsche zusammentraf; denn für die beiden großen
Aufgaben, die des neuen Herrschers harrten: die Beseitigung des
staufisch-welfischen Zwiespalts in Deutschland und die Zurück-
drängung der päpstlich-kirchlichen Übermacht in Europa war kaum
eine geeignetere Persönlichkeit denkbar als Friedrich Barbarossa.

§ 10. Die Anfänge Friedrichs I. (1152‒1157).

Weniger die Richtung und Ergebnisse von Friedrichs nicht
eben schöpferischer Politik haben ihm im Andenken des deutschen
Volkes einen Platz gleich hinter Karl d. Gr. verschafft, als seine
starke, heldenhafte Persönlichkeit, der vollkommenste Ausdruck
des deutschen Rittertums in seiner höchsten Blüte. Eben das
Typische seines Wesens, das die höchsten weltlichen Zeitideale ver-
körperte, bedeutete nicht etwa Schwäche, sondern durch Verminde-
rung der Reibungen eine Verstärkung der Wirkungskraft. Auch
innere Kämpfe haben diese Wucht kaum je gemindert. Selbstsicher
und tatenfroh hatte er sein Leben bis an die Schwelle der dreißig
durchgestürmt, frühzeitig gereift und fertig. Schon in der äußeren
Erscheinung, der mittelgroßen, ebenmäßigen Figur, der modischen
Tracht des rötlichblonden Haares und Bartes, der stetigen Heiter-
keit seines Gesichtsausdrucks, entsprach er mehr dem neuen Ritter-
ideal, als der ungeschlachten Kraftgestalt altgermanischer Recken.
Noch mehr in Bildung und Wesen! Ohne Anwartschaft auf den
Thron unliterarisch erzogen, so daß er beim Verkehr mit Fremden
stets des Dolmetschers bedurfte, hatte er doch für deutsche Dich-
tung, Geschichtschreibung und Baukunst förderndes Interesse, ge-
wann, durch Personengedächtnis und natürliche Redegabe unter-
stützt, leicht die Herzen, beherrschte völlig die höfischen Formen
und hielt vor allem streng die Krone der Zucht, die vielgepriesene
„mâze“ inne. Wenn er im Kriege, der „lustigen Jagd“, diese Grenze
für unser Gefühl gelegentlich überschritten zu haben scheint, am
Feldstreit selbst eine wilde Freude zeigte, einen leichten Kampf
gegen Mittelitaliener einmal verächtlich Knabenspiel, nicht Männer-
arbeit nannte, zur Niederzwingung von Rebellen auch grausame Mittel,
wie vor Crema die Anheftung der Gefangenen an die Belagerungs-
werkzeuge zu deren Schutz, nicht verschmähte, so dachten die ritter-

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[115/0123] § 10. Die Anfänge Friedrichs I. (1152‒1157). lands gebührt, auf dem Sterbebette. Es mochte ihm schwer genug werden, als er sein siebenjähriges Söhnchen Friedrich überging und seinen schon gereiften und bewährten Neffen Friedrich von Schwaben durch Übersendung der Reichsinsignien als den erwünschten Nach- folger bezeichnete. Darin lag Rettung, falls die Wahl der Fürsten mit seinem Wunsche zusammentraf; denn für die beiden großen Aufgaben, die des neuen Herrschers harrten: die Beseitigung des staufisch-welfischen Zwiespalts in Deutschland und die Zurück- drängung der päpstlich-kirchlichen Übermacht in Europa war kaum eine geeignetere Persönlichkeit denkbar als Friedrich Barbarossa. § 10. Die Anfänge Friedrichs I. (1152‒1157). Weniger die Richtung und Ergebnisse von Friedrichs nicht eben schöpferischer Politik haben ihm im Andenken des deutschen Volkes einen Platz gleich hinter Karl d. Gr. verschafft, als seine starke, heldenhafte Persönlichkeit, der vollkommenste Ausdruck des deutschen Rittertums in seiner höchsten Blüte. Eben das Typische seines Wesens, das die höchsten weltlichen Zeitideale ver- körperte, bedeutete nicht etwa Schwäche, sondern durch Verminde- rung der Reibungen eine Verstärkung der Wirkungskraft. Auch innere Kämpfe haben diese Wucht kaum je gemindert. Selbstsicher und tatenfroh hatte er sein Leben bis an die Schwelle der dreißig durchgestürmt, frühzeitig gereift und fertig. Schon in der äußeren Erscheinung, der mittelgroßen, ebenmäßigen Figur, der modischen Tracht des rötlichblonden Haares und Bartes, der stetigen Heiter- keit seines Gesichtsausdrucks, entsprach er mehr dem neuen Ritter- ideal, als der ungeschlachten Kraftgestalt altgermanischer Recken. Noch mehr in Bildung und Wesen! Ohne Anwartschaft auf den Thron unliterarisch erzogen, so daß er beim Verkehr mit Fremden stets des Dolmetschers bedurfte, hatte er doch für deutsche Dich- tung, Geschichtschreibung und Baukunst förderndes Interesse, ge- wann, durch Personengedächtnis und natürliche Redegabe unter- stützt, leicht die Herzen, beherrschte völlig die höfischen Formen und hielt vor allem streng die Krone der Zucht, die vielgepriesene „mâze“ inne. Wenn er im Kriege, der „lustigen Jagd“, diese Grenze für unser Gefühl gelegentlich überschritten zu haben scheint, am Feldstreit selbst eine wilde Freude zeigte, einen leichten Kampf gegen Mittelitaliener einmal verächtlich Knabenspiel, nicht Männer- arbeit nannte, zur Niederzwingung von Rebellen auch grausame Mittel, wie vor Crema die Anheftung der Gefangenen an die Belagerungs- werkzeuge zu deren Schutz, nicht verschmähte, so dachten die ritter- 8*

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/123>, abgerufen am 21.11.2024.