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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157-1167).

Statt des nationalen haben neuere Historiker wie Nitzsch und Lamprecht
wohl den wirtschaftlichen Gegensatz in den Vordergrund gestellt; die bäuer-
liche Naturalwirtschaft der Deutschen sei hier dem höheren geldwirtschaft-
lichen Verkehrsleben der lombardischen Städte brutal entgegengetreten, um
es womöglich auf die niedere Stufe herabzudrücken. Auch dieser Ansicht
wird man -- zum mindesten in solcher Zuspitzung -- schwerlich beipflichten
können. Gewiß bot dies lombardische Leben einem deutschen Beobachter
genug fremdartige Erscheinungen, wie man etwa aus der berühmten Schil-
derung Ottos von Freising ersieht, und bei den deutschen Edelleuten und
Ministerialen, die hier plötzlich mit der Verwaltung betraut wurden, wird es
an Unverständnis so manchem verwickelteren Wirtschaftsvorgange gegenüber
nicht gefehlt haben. Für das piemontesische Gebiet, wo freilich das städtische
Leben viel weniger entwickelt war, ist es auch richtig, daß mit Erfolg dahin
gestrebt wurde, den unmittelbaren Besitz an großen Reichsdomänen, der hier
an die burgundischen Güter des Kaisers anschloß, zielbewußt auszubauen und
nach deutscher Art zu verwalten.1) Mehr aber läßt sich nicht behaupten.
Denn wenn Friedrich schließlich in der Tat den Versuch gemacht hat, das
städtische Leben Mailands zu vernichten, so war das eine rein politische
Maßnahme, mit der er sich zwar gegen den heiligen Geist der geschichtlichen
Entwicklung versündigte, zu der ihm aber niemand anders das Vorbild ge-
geben hatte, als die Mailänder selbst. Und für die übrige Lombardei kann
von einer Unterbindung des geldwirtschaftlichen Verkehrs, der ja im eigensten
Interesse des Fiskus lag, nicht von fern die Rede sein, hat doch Friedrich,
wie wir jetzt wissen, sogar den bedeutsamen Plan eine Zeitlang mit Erfolg
durchgeführt, in der Form von hochwertigen kaiserlichen Denaren eine Ein-
heitsmünze für ganz Reichsitalien zu schaffen2), -- zugleich ein Merkzeichen
seiner zentralistischen Tendenzen!

Und das bleibt nun doch der Kernpunkt der großen Gegensätze: hier
eine starke monarchische Staatsgewalt, die bereits mit dem Feudalismus zu
brechen begann und die kommunale Selbständigkeit dieser städtischen Gemein-
wesen erst recht als eine Behinderung seiner Bewegungsfreiheit, seiner Rechte
und Einnahmen betrachtete, -- dort kraftvolle Bürgerschaften, in staatlosen
Zuständen durch Selbsthilfe groß geworden, stolz auf die in inneren Kämpfen
errungene Autonomie und die alten Rechtsforderungen der Reichsgewalt als
neue, unerhörte Zumutungen empfindend. Gerade dadurch, daß das formale
Recht ganz und gar auf seiten des Kaisers lag, während die Städte für ihre
Sache zum mindesten ein gut Teil historischen Rechts in Anspruch nehmen
konnten, wurde ein maßvoller Ausgleich der Gegensätze erschwert.

Man versteht es, daß nach der Ansicht Friedrichs die ronca-
lischen Normen trotz des vorläufigen Sonderabkommens auch auf
Mailand Anwendung zu finden hatten, aber ebensowohl, daß die
Mailänder, deren Konsuln in Roncaglia freilich zugestimmt hatten,
darin eine vertragsbrüchige Überrumpelung erblickten, sich erneut
zur Wehr setzten und Bundesgenossen fanden, die ebensowenig
auf die freie Konsulnwahl verzichten wollten. Bei der Ausübung
seiner Hoheitsrechte ward es überdies für den Kaiser alsbald ganz

1) Vgl. Matthaei, Die lombardische Politik Kaiser F. I. u. d. Gründung
v. Alessandria, Progr. Großlichterf. 1889.
2) Vgl. Bresslau, I denari imperiali di Federico I. Atti del Congresso
internat. di Scienze storiche, Roma 1904, Vol. VI.
§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157‒1167).

Statt des nationalen haben neuere Historiker wie Nitzsch und Lamprecht
wohl den wirtschaftlichen Gegensatz in den Vordergrund gestellt; die bäuer-
liche Naturalwirtschaft der Deutschen sei hier dem höheren geldwirtschaft-
lichen Verkehrsleben der lombardischen Städte brutal entgegengetreten, um
es womöglich auf die niedere Stufe herabzudrücken. Auch dieser Ansicht
wird man — zum mindesten in solcher Zuspitzung — schwerlich beipflichten
können. Gewiß bot dies lombardische Leben einem deutschen Beobachter
genug fremdartige Erscheinungen, wie man etwa aus der berühmten Schil-
derung Ottos von Freising ersieht, und bei den deutschen Edelleuten und
Ministerialen, die hier plötzlich mit der Verwaltung betraut wurden, wird es
an Unverständnis so manchem verwickelteren Wirtschaftsvorgange gegenüber
nicht gefehlt haben. Für das piemontesische Gebiet, wo freilich das städtische
Leben viel weniger entwickelt war, ist es auch richtig, daß mit Erfolg dahin
gestrebt wurde, den unmittelbaren Besitz an großen Reichsdomänen, der hier
an die burgundischen Güter des Kaisers anschloß, zielbewußt auszubauen und
nach deutscher Art zu verwalten.1) Mehr aber läßt sich nicht behaupten.
Denn wenn Friedrich schließlich in der Tat den Versuch gemacht hat, das
städtische Leben Mailands zu vernichten, so war das eine rein politische
Maßnahme, mit der er sich zwar gegen den heiligen Geist der geschichtlichen
Entwicklung versündigte, zu der ihm aber niemand anders das Vorbild ge-
geben hatte, als die Mailänder selbst. Und für die übrige Lombardei kann
von einer Unterbindung des geldwirtschaftlichen Verkehrs, der ja im eigensten
Interesse des Fiskus lag, nicht von fern die Rede sein, hat doch Friedrich,
wie wir jetzt wissen, sogar den bedeutsamen Plan eine Zeitlang mit Erfolg
durchgeführt, in der Form von hochwertigen kaiserlichen Denaren eine Ein-
heitsmünze für ganz Reichsitalien zu schaffen2), — zugleich ein Merkzeichen
seiner zentralistischen Tendenzen!

Und das bleibt nun doch der Kernpunkt der großen Gegensätze: hier
eine starke monarchische Staatsgewalt, die bereits mit dem Feudalismus zu
brechen begann und die kommunale Selbständigkeit dieser städtischen Gemein-
wesen erst recht als eine Behinderung seiner Bewegungsfreiheit, seiner Rechte
und Einnahmen betrachtete, — dort kraftvolle Bürgerschaften, in staatlosen
Zuständen durch Selbsthilfe groß geworden, stolz auf die in inneren Kämpfen
errungene Autonomie und die alten Rechtsforderungen der Reichsgewalt als
neue, unerhörte Zumutungen empfindend. Gerade dadurch, daß das formale
Recht ganz und gar auf seiten des Kaisers lag, während die Städte für ihre
Sache zum mindesten ein gut Teil historischen Rechts in Anspruch nehmen
konnten, wurde ein maßvoller Ausgleich der Gegensätze erschwert.

Man versteht es, daß nach der Ansicht Friedrichs die ronca-
lischen Normen trotz des vorläufigen Sonderabkommens auch auf
Mailand Anwendung zu finden hatten, aber ebensowohl, daß die
Mailänder, deren Konsuln in Roncaglia freilich zugestimmt hatten,
darin eine vertragsbrüchige Überrumpelung erblickten, sich erneut
zur Wehr setzten und Bundesgenossen fanden, die ebensowenig
auf die freie Konsulnwahl verzichten wollten. Bei der Ausübung
seiner Hoheitsrechte ward es überdies für den Kaiser alsbald ganz

1) Vgl. Matthaei, Die lombardische Politik Kaiser F. I. u. d. Gründung
v. Alessandria, Progr. Großlichterf. 1889.
2) Vgl. Bresslau, I denari imperiali di Federico I. Atti del Congresso
internat. di Scienze storiche, Roma 1904, Vol. VI.
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[133/0141] § 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157‒1167). Statt des nationalen haben neuere Historiker wie Nitzsch und Lamprecht wohl den wirtschaftlichen Gegensatz in den Vordergrund gestellt; die bäuer- liche Naturalwirtschaft der Deutschen sei hier dem höheren geldwirtschaft- lichen Verkehrsleben der lombardischen Städte brutal entgegengetreten, um es womöglich auf die niedere Stufe herabzudrücken. Auch dieser Ansicht wird man — zum mindesten in solcher Zuspitzung — schwerlich beipflichten können. Gewiß bot dies lombardische Leben einem deutschen Beobachter genug fremdartige Erscheinungen, wie man etwa aus der berühmten Schil- derung Ottos von Freising ersieht, und bei den deutschen Edelleuten und Ministerialen, die hier plötzlich mit der Verwaltung betraut wurden, wird es an Unverständnis so manchem verwickelteren Wirtschaftsvorgange gegenüber nicht gefehlt haben. Für das piemontesische Gebiet, wo freilich das städtische Leben viel weniger entwickelt war, ist es auch richtig, daß mit Erfolg dahin gestrebt wurde, den unmittelbaren Besitz an großen Reichsdomänen, der hier an die burgundischen Güter des Kaisers anschloß, zielbewußt auszubauen und nach deutscher Art zu verwalten. 1) Mehr aber läßt sich nicht behaupten. Denn wenn Friedrich schließlich in der Tat den Versuch gemacht hat, das städtische Leben Mailands zu vernichten, so war das eine rein politische Maßnahme, mit der er sich zwar gegen den heiligen Geist der geschichtlichen Entwicklung versündigte, zu der ihm aber niemand anders das Vorbild ge- geben hatte, als die Mailänder selbst. Und für die übrige Lombardei kann von einer Unterbindung des geldwirtschaftlichen Verkehrs, der ja im eigensten Interesse des Fiskus lag, nicht von fern die Rede sein, hat doch Friedrich, wie wir jetzt wissen, sogar den bedeutsamen Plan eine Zeitlang mit Erfolg durchgeführt, in der Form von hochwertigen kaiserlichen Denaren eine Ein- heitsmünze für ganz Reichsitalien zu schaffen 2), — zugleich ein Merkzeichen seiner zentralistischen Tendenzen! Und das bleibt nun doch der Kernpunkt der großen Gegensätze: hier eine starke monarchische Staatsgewalt, die bereits mit dem Feudalismus zu brechen begann und die kommunale Selbständigkeit dieser städtischen Gemein- wesen erst recht als eine Behinderung seiner Bewegungsfreiheit, seiner Rechte und Einnahmen betrachtete, — dort kraftvolle Bürgerschaften, in staatlosen Zuständen durch Selbsthilfe groß geworden, stolz auf die in inneren Kämpfen errungene Autonomie und die alten Rechtsforderungen der Reichsgewalt als neue, unerhörte Zumutungen empfindend. Gerade dadurch, daß das formale Recht ganz und gar auf seiten des Kaisers lag, während die Städte für ihre Sache zum mindesten ein gut Teil historischen Rechts in Anspruch nehmen konnten, wurde ein maßvoller Ausgleich der Gegensätze erschwert. Man versteht es, daß nach der Ansicht Friedrichs die ronca- lischen Normen trotz des vorläufigen Sonderabkommens auch auf Mailand Anwendung zu finden hatten, aber ebensowohl, daß die Mailänder, deren Konsuln in Roncaglia freilich zugestimmt hatten, darin eine vertragsbrüchige Überrumpelung erblickten, sich erneut zur Wehr setzten und Bundesgenossen fanden, die ebensowenig auf die freie Konsulnwahl verzichten wollten. Bei der Ausübung seiner Hoheitsrechte ward es überdies für den Kaiser alsbald ganz 1) Vgl. Matthaei, Die lombardische Politik Kaiser F. I. u. d. Gründung v. Alessandria, Progr. Großlichterf. 1889. 2) Vgl. Bresslau, I denari imperiali di Federico I. Atti del Congresso internat. di Scienze storiche, Roma 1904, Vol. VI.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/141>, abgerufen am 21.11.2024.