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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
Friedrich in den Schoß der Kirche wieder aufnehmen würde;
aber indem er von seinem grundsätzlichen Standpunkt aus jedes
Schiedsgericht ablehnte, kam es zu keiner Verständigung. Selbst
nicht, als die Bahn dazu durch den Tod Viktors IV. scheinbar
frei wurde (April 1164). Diesmal war es offenkundig, wie Reinald
seinem vielleicht doch schwankenden Herrn die Entscheidung über
den Kopf wegnahm, indem er von den kaiserlichen Kardinälen
sofort die Wahl eines neuen Gegenpapstes Paschalis III. vollziehen
ließ. Es kann indes kaum zweifelhaft sein, daß er das nicht, wie
man wohl angenommen hat, aus eigensüchtigen Gründen tat, um
nicht das Opfer eines Ausgleichs mit der Kurie zu werden, sondern
daß er in Friedrichs wohlverstandenem Interesse zu handeln meinte
-- und, wenigstens sofern man das System nicht von Grund aus
wechseln wollte, wohl auch in der Tat handelte, denn eine Vakanz
des Gegenpapsttums mußte dessen bisherige Anhänger Alexander
bedingungslos in die Arme treiben und Friedrich eine uneinge-
schränkte Niederlage bringen. Dieser hat denn auch den Schritt
nachträglich gebilligt. Aber ein ungünstiges Moment blieb dieser
Papstwechsel immerhin; nicht alle Anhänger Viktors erklärten sich
für seinen Nachfolger.

Etwa gleichzeitig erwuchs der italienischen Machtstellung des
Kaisers eine ernste Gefahr. Von Burgund aus war er im Herbst
1162 auf kurze Zeit nach Deutschland zurückgekehrt, wo es galt,
die aufständischen Mainzer für die schmähliche Ermordung ihres
Erzbischofs Arnold von Selenhofen (+ 1160)1) zu züchtigen und
eine Fürstenverschwörung gegen die wachsende Macht des mit dem
Kaiser damals noch auf das engste verbundenen Heinrich des
Löwen im Keime zu ersticken. Da ein neuer Kriegszug nach
Italien bei den deutschen Fürsten keine Gegenliebe fand, begab sich
Friedrich 1163 ohne Heer nach Italien zurück, um die im vorigen
Jahr abgebrochenen sizilischen Pläne wieder aufzunehmen. Dort
hatte inzwischen Reinald als sein Bevollmächtigter geschaltet und
das Reichsgebiet trotz der hier und da gärenden Unzufriedenheit in
straffer Untertänigkeit gehalten. Eben durch diese ganze Wieder-
aufrichtung der kaiserlichen Herrschaft hatte sich schon seit dem
Falle Mailands Venedig bedroht gefühlt. Im Bündnis mit Sizilien
und dem griechischen Kaiser Manuel, mehrfach Aufenthaltsort alexan-
drinischer Kardinäle, wurde es seitdem zu einem Mittelpunkt reichs-
feindlicher Bestrebungen und erweiterte seinen Machtkreis eben im Früh-
jahr 1164 durch Bestechung der kaiserlichen Städte Verona, Vicenza
und Padua zu dem Veroneser Bunde, der seine Spitze offen gegen

1) Gleichzeitige Biographie: Böhmer, Fontes rer. Germ. III.

II. Die Zeit der Staufer.
Friedrich in den Schoß der Kirche wieder aufnehmen würde;
aber indem er von seinem grundsätzlichen Standpunkt aus jedes
Schiedsgericht ablehnte, kam es zu keiner Verständigung. Selbst
nicht, als die Bahn dazu durch den Tod Viktors IV. scheinbar
frei wurde (April 1164). Diesmal war es offenkundig, wie Reinald
seinem vielleicht doch schwankenden Herrn die Entscheidung über
den Kopf wegnahm, indem er von den kaiserlichen Kardinälen
sofort die Wahl eines neuen Gegenpapstes Paschalis III. vollziehen
ließ. Es kann indes kaum zweifelhaft sein, daß er das nicht, wie
man wohl angenommen hat, aus eigensüchtigen Gründen tat, um
nicht das Opfer eines Ausgleichs mit der Kurie zu werden, sondern
daß er in Friedrichs wohlverstandenem Interesse zu handeln meinte
— und, wenigstens sofern man das System nicht von Grund aus
wechseln wollte, wohl auch in der Tat handelte, denn eine Vakanz
des Gegenpapsttums mußte dessen bisherige Anhänger Alexander
bedingungslos in die Arme treiben und Friedrich eine uneinge-
schränkte Niederlage bringen. Dieser hat denn auch den Schritt
nachträglich gebilligt. Aber ein ungünstiges Moment blieb dieser
Papstwechsel immerhin; nicht alle Anhänger Viktors erklärten sich
für seinen Nachfolger.

Etwa gleichzeitig erwuchs der italienischen Machtstellung des
Kaisers eine ernste Gefahr. Von Burgund aus war er im Herbst
1162 auf kurze Zeit nach Deutschland zurückgekehrt, wo es galt,
die aufständischen Mainzer für die schmähliche Ermordung ihres
Erzbischofs Arnold von Selenhofen († 1160)1) zu züchtigen und
eine Fürstenverschwörung gegen die wachsende Macht des mit dem
Kaiser damals noch auf das engste verbundenen Heinrich des
Löwen im Keime zu ersticken. Da ein neuer Kriegszug nach
Italien bei den deutschen Fürsten keine Gegenliebe fand, begab sich
Friedrich 1163 ohne Heer nach Italien zurück, um die im vorigen
Jahr abgebrochenen sizilischen Pläne wieder aufzunehmen. Dort
hatte inzwischen Reinald als sein Bevollmächtigter geschaltet und
das Reichsgebiet trotz der hier und da gärenden Unzufriedenheit in
straffer Untertänigkeit gehalten. Eben durch diese ganze Wieder-
aufrichtung der kaiserlichen Herrschaft hatte sich schon seit dem
Falle Mailands Venedig bedroht gefühlt. Im Bündnis mit Sizilien
und dem griechischen Kaiser Manuel, mehrfach Aufenthaltsort alexan-
drinischer Kardinäle, wurde es seitdem zu einem Mittelpunkt reichs-
feindlicher Bestrebungen und erweiterte seinen Machtkreis eben im Früh-
jahr 1164 durch Bestechung der kaiserlichen Städte Verona, Vicenza
und Padua zu dem Veroneser Bunde, der seine Spitze offen gegen

1) Gleichzeitige Biographie: Böhmer, Fontes rer. Germ. III.
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[140/0148] II. Die Zeit der Staufer. Friedrich in den Schoß der Kirche wieder aufnehmen würde; aber indem er von seinem grundsätzlichen Standpunkt aus jedes Schiedsgericht ablehnte, kam es zu keiner Verständigung. Selbst nicht, als die Bahn dazu durch den Tod Viktors IV. scheinbar frei wurde (April 1164). Diesmal war es offenkundig, wie Reinald seinem vielleicht doch schwankenden Herrn die Entscheidung über den Kopf wegnahm, indem er von den kaiserlichen Kardinälen sofort die Wahl eines neuen Gegenpapstes Paschalis III. vollziehen ließ. Es kann indes kaum zweifelhaft sein, daß er das nicht, wie man wohl angenommen hat, aus eigensüchtigen Gründen tat, um nicht das Opfer eines Ausgleichs mit der Kurie zu werden, sondern daß er in Friedrichs wohlverstandenem Interesse zu handeln meinte — und, wenigstens sofern man das System nicht von Grund aus wechseln wollte, wohl auch in der Tat handelte, denn eine Vakanz des Gegenpapsttums mußte dessen bisherige Anhänger Alexander bedingungslos in die Arme treiben und Friedrich eine uneinge- schränkte Niederlage bringen. Dieser hat denn auch den Schritt nachträglich gebilligt. Aber ein ungünstiges Moment blieb dieser Papstwechsel immerhin; nicht alle Anhänger Viktors erklärten sich für seinen Nachfolger. Etwa gleichzeitig erwuchs der italienischen Machtstellung des Kaisers eine ernste Gefahr. Von Burgund aus war er im Herbst 1162 auf kurze Zeit nach Deutschland zurückgekehrt, wo es galt, die aufständischen Mainzer für die schmähliche Ermordung ihres Erzbischofs Arnold von Selenhofen († 1160) 1) zu züchtigen und eine Fürstenverschwörung gegen die wachsende Macht des mit dem Kaiser damals noch auf das engste verbundenen Heinrich des Löwen im Keime zu ersticken. Da ein neuer Kriegszug nach Italien bei den deutschen Fürsten keine Gegenliebe fand, begab sich Friedrich 1163 ohne Heer nach Italien zurück, um die im vorigen Jahr abgebrochenen sizilischen Pläne wieder aufzunehmen. Dort hatte inzwischen Reinald als sein Bevollmächtigter geschaltet und das Reichsgebiet trotz der hier und da gärenden Unzufriedenheit in straffer Untertänigkeit gehalten. Eben durch diese ganze Wieder- aufrichtung der kaiserlichen Herrschaft hatte sich schon seit dem Falle Mailands Venedig bedroht gefühlt. Im Bündnis mit Sizilien und dem griechischen Kaiser Manuel, mehrfach Aufenthaltsort alexan- drinischer Kardinäle, wurde es seitdem zu einem Mittelpunkt reichs- feindlicher Bestrebungen und erweiterte seinen Machtkreis eben im Früh- jahr 1164 durch Bestechung der kaiserlichen Städte Verona, Vicenza und Padua zu dem Veroneser Bunde, der seine Spitze offen gegen 1) Gleichzeitige Biographie: Böhmer, Fontes rer. Germ. III.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/148>, abgerufen am 21.11.2024.