In der Lombardei hatten Beamtendruck und Abgabenlast die heftigste Gährung erzeugt, aber der Kaiser hielt sich jetzt nicht damit auf; der Erfolg im Süden mußte auch hier jede Erhebung im Keim ersticken. Das weitere Vorrücken vollzog sich ähnlich wie bei Lothars späterem Romzuge in zwei getrennten Heeressäulen. Wie damals marschierte der Kaiser mit der Hauptmacht von der Romagna her die Ostküste entlang und nahm nach mehrwöchent- licher Belagerung das zu den Griechen abgefallene Ancona. Der- weil waren die Erzbischöfe Reinald und Christian mit dem Rest der Ritterschaft und den damals zuerst im kaiserlichen Heer ver- wendeten brabantischen Söldnern durch Ligurien und Tuszien gezogen, in das Patrimonium eingedrungen und in einem glänzend durchge- führten Kampfe gegen die weit zahlreicheren Römer bei Tuskulum Sieger geblieben (Mai 1167). Alexander sah sich in dem unzu- verlässigen Rom eingeschlossen, und Paschalis rief den Kaiser zum "Schneiden der Saat, zur Ernte der Trauben" herbei. Gleich vom Marsche aus führte Friedrich sein Heer zum Sturm gegen die Mauern, nahm die Leostadt, ließ seinen Papst in der Peterskirche inthronisieren und empfing mit seiner Gemahlin Beatrix aus seiner Hand noch einmal die Kaiserkrone (1. Aug. 1167). Schon stand man unmittelbar vor dem Ziel, da gelang es Alexander, noch kurz ehe die Tibermündung von pisanischen Galeeren versperrt wurde, in Pilgertracht auf einem Nachen das Meer zu gewinnen und nach Benevent zu flüchten. So ward die Beendigung des Schismas doch wieder ins Unabsehbare verschoben! Immerhin, als dem Kaiser sich nun auch die Tore des eigentlichen Rom öffneten, und seine Hoheit dort unumschränkt anerkannt wurde, schien er doch auf einem Gipfelpunkt seiner Erfolge zu stehen, wie nur Heinrich IV. nach der langersehnten Einnahme der Stadt. Da schleuderte ihn ein furchtbares Naturereignis, das den Zeitgenossen kaum anders als ein Strafgericht Gottes für die Verfolgung des rechtmäßigen Papstes erscheinen konnte, jählings in die Tiefe. Am Tage nach der Krönung ergriff nach einem wolkenbruchartigen Regen mit einer kaum je wiedererlebten Wucht in wenigen Stunden eine tödliche Seuche, wie die ganze Stadt, so auch das kaiserliche Heer, Hoch und Niedrig wahllos dahinraffend. Ihr erlagen über zweitausend Ritter, angesehene Fürsten, wie Konrads III. Sohn Friedrich von Rotenburg und der junge Welf VII., hervorragende Verwaltungsbeamte wie die Bischöfe Hermann von Verden und Daniel von Prag, vor allen andern aber sein größter Staatsmann, der ihn auf diese steile Höhe geführt, und der ihm nun bei dem gefährlichen Abstieg nicht mehr helfend zur Seite stehen konnte: Reinald von Dassel, wenig über fünfzig Jahre alt, aus der Vollkraft des Schaffens hinweggerissen!
II. Die Zeit der Staufer.
In der Lombardei hatten Beamtendruck und Abgabenlast die heftigste Gährung erzeugt, aber der Kaiser hielt sich jetzt nicht damit auf; der Erfolg im Süden mußte auch hier jede Erhebung im Keim ersticken. Das weitere Vorrücken vollzog sich ähnlich wie bei Lothars späterem Romzuge in zwei getrennten Heeressäulen. Wie damals marschierte der Kaiser mit der Hauptmacht von der Romagna her die Ostküste entlang und nahm nach mehrwöchent- licher Belagerung das zu den Griechen abgefallene Ancona. Der- weil waren die Erzbischöfe Reinald und Christian mit dem Rest der Ritterschaft und den damals zuerst im kaiserlichen Heer ver- wendeten brabantischen Söldnern durch Ligurien und Tuszien gezogen, in das Patrimonium eingedrungen und in einem glänzend durchge- führten Kampfe gegen die weit zahlreicheren Römer bei Tuskulum Sieger geblieben (Mai 1167). Alexander sah sich in dem unzu- verlässigen Rom eingeschlossen, und Paschalis rief den Kaiser zum „Schneiden der Saat, zur Ernte der Trauben“ herbei. Gleich vom Marsche aus führte Friedrich sein Heer zum Sturm gegen die Mauern, nahm die Leostadt, ließ seinen Papst in der Peterskirche inthronisieren und empfing mit seiner Gemahlin Beatrix aus seiner Hand noch einmal die Kaiserkrone (1. Aug. 1167). Schon stand man unmittelbar vor dem Ziel, da gelang es Alexander, noch kurz ehe die Tibermündung von pisanischen Galeeren versperrt wurde, in Pilgertracht auf einem Nachen das Meer zu gewinnen und nach Benevent zu flüchten. So ward die Beendigung des Schismas doch wieder ins Unabsehbare verschoben! Immerhin, als dem Kaiser sich nun auch die Tore des eigentlichen Rom öffneten, und seine Hoheit dort unumschränkt anerkannt wurde, schien er doch auf einem Gipfelpunkt seiner Erfolge zu stehen, wie nur Heinrich IV. nach der langersehnten Einnahme der Stadt. Da schleuderte ihn ein furchtbares Naturereignis, das den Zeitgenossen kaum anders als ein Strafgericht Gottes für die Verfolgung des rechtmäßigen Papstes erscheinen konnte, jählings in die Tiefe. Am Tage nach der Krönung ergriff nach einem wolkenbruchartigen Regen mit einer kaum je wiedererlebten Wucht in wenigen Stunden eine tödliche Seuche, wie die ganze Stadt, so auch das kaiserliche Heer, Hoch und Niedrig wahllos dahinraffend. Ihr erlagen über zweitausend Ritter, angesehene Fürsten, wie Konrads III. Sohn Friedrich von Rotenburg und der junge Welf VII., hervorragende Verwaltungsbeamte wie die Bischöfe Hermann von Verden und Daniel von Prag, vor allen andern aber sein größter Staatsmann, der ihn auf diese steile Höhe geführt, und der ihm nun bei dem gefährlichen Abstieg nicht mehr helfend zur Seite stehen konnte: Reinald von Dassel, wenig über fünfzig Jahre alt, aus der Vollkraft des Schaffens hinweggerissen!
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II. Die Zeit der Staufer.
In der Lombardei hatten Beamtendruck und Abgabenlast die
heftigste Gährung erzeugt, aber der Kaiser hielt sich jetzt nicht
damit auf; der Erfolg im Süden mußte auch hier jede Erhebung
im Keim ersticken. Das weitere Vorrücken vollzog sich ähnlich
wie bei Lothars späterem Romzuge in zwei getrennten Heeressäulen.
Wie damals marschierte der Kaiser mit der Hauptmacht von der
Romagna her die Ostküste entlang und nahm nach mehrwöchent-
licher Belagerung das zu den Griechen abgefallene Ancona. Der-
weil waren die Erzbischöfe Reinald und Christian mit dem Rest
der Ritterschaft und den damals zuerst im kaiserlichen Heer ver-
wendeten brabantischen Söldnern durch Ligurien und Tuszien gezogen,
in das Patrimonium eingedrungen und in einem glänzend durchge-
führten Kampfe gegen die weit zahlreicheren Römer bei Tuskulum
Sieger geblieben (Mai 1167). Alexander sah sich in dem unzu-
verlässigen Rom eingeschlossen, und Paschalis rief den Kaiser zum
„Schneiden der Saat, zur Ernte der Trauben“ herbei. Gleich vom
Marsche aus führte Friedrich sein Heer zum Sturm gegen die
Mauern, nahm die Leostadt, ließ seinen Papst in der Peterskirche
inthronisieren und empfing mit seiner Gemahlin Beatrix aus seiner
Hand noch einmal die Kaiserkrone (1. Aug. 1167). Schon stand
man unmittelbar vor dem Ziel, da gelang es Alexander, noch kurz
ehe die Tibermündung von pisanischen Galeeren versperrt wurde,
in Pilgertracht auf einem Nachen das Meer zu gewinnen und nach
Benevent zu flüchten. So ward die Beendigung des Schismas
doch wieder ins Unabsehbare verschoben! Immerhin, als dem
Kaiser sich nun auch die Tore des eigentlichen Rom öffneten, und
seine Hoheit dort unumschränkt anerkannt wurde, schien er doch
auf einem Gipfelpunkt seiner Erfolge zu stehen, wie nur Heinrich IV.
nach der langersehnten Einnahme der Stadt. Da schleuderte ihn
ein furchtbares Naturereignis, das den Zeitgenossen kaum anders
als ein Strafgericht Gottes für die Verfolgung des rechtmäßigen
Papstes erscheinen konnte, jählings in die Tiefe. Am Tage nach
der Krönung ergriff nach einem wolkenbruchartigen Regen mit einer
kaum je wiedererlebten Wucht in wenigen Stunden eine tödliche
Seuche, wie die ganze Stadt, so auch das kaiserliche Heer, Hoch
und Niedrig wahllos dahinraffend. Ihr erlagen über zweitausend
Ritter, angesehene Fürsten, wie Konrads III. Sohn Friedrich von
Rotenburg und der junge Welf VII., hervorragende Verwaltungsbeamte
wie die Bischöfe Hermann von Verden und Daniel von Prag, vor allen
andern aber sein größter Staatsmann, der ihn auf diese steile Höhe
geführt, und der ihm nun bei dem gefährlichen Abstieg nicht mehr
helfend zur Seite stehen konnte: Reinald von Dassel, wenig über
fünfzig Jahre alt, aus der Vollkraft des Schaffens hinweggerissen!
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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/152>, abgerufen am 24.11.2024.
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