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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 15. Innozenz III. und die deutschen Thronwirren. (1198-1216).

Alle diese Spaltungen steigerten den Einfluß des Papstes.
Obschon Philipp der Kirche innerlich enger verbunden war, als
sein Gegner, konnte von vornherein kaum ein Zweifel darüber be-
stehen, auf wessen Seite Innozenz neigte. Denn Philipp vertrat
die staufischen Überlieferungen, die Reichsherrschaft in Mittelitalien,
die Vormundschaft über Friedrich von Sizilien, während Otto, der
als der schwächere Teil ganz anders auf die Unterstützung der
Kurie angewiesen war, sogleich zu verstehen gab, er werde die
italienischen Ansprüche des Papstes anerkennen1), und durch den
Verzicht auf das Spolienrecht auch hinsichtlich der deutschen Kirche
weitere Nachgiebigkeit erwarten ließ. Indessen Innozenz war klug
genug, seine Entscheidung nicht zu übereilen; denn der Bürgerkrieg
brachte eine erwünschte Schwächung der gefürchteten deutschen
Macht. Freilich nur so lange, als der eine Teil nicht unbedingt
die Oberhand gewann. Dahin aber schien die Entwicklung der
beiden folgenden Jahre zu führen. Während Innozenz, wie einst
Gregor VII., die Anerkennung seines Schiedsgerichtes von beiden
Thronbewerbern forderte, erließ eine glänzende Versammlung von
fürstlichen Anhängern Philipps, unter denen insbesondere die
Bischöfe in noch ungebrochener Treue gegen das staufische Haus
nahezu vollzählig vertreten waren, einen geharnischten, ganz und
gar von imperialistischem Geiste erfüllten Protest gegen die Ein-
mischung des Papstes in den deutschen Thronstreit, sowie gegen
seine italienischen Ansprüche und stellte einen Romzug Philipps zur
Einholung der Kaiserkrone in nahe Aussicht. Diese Speyrer Er-
klärung vom 28. Mai 11992) reiht sich den Kundgebungen von
Besancon, Würzburg und Gelnhausen würdig an und schließt die
Kette. Von da ab sah Deutschland nichts Ähnliches mehr bis zu
den Tagen von Rense und Frankfurt. -- Als dann der ehrwürdige
Erzbischof Konrad von Mainz aus dem Orient zurückkehrte, konnte
sein Vermittlungsversuch für Otto jedenfalls nur ungünstig ausfallen
(1200). Dieser selbst sah sich seit dem Tode Richards Löwenherz
(1199) von England im Stich gelassen, sein Königtum schien sich,
wie er selbst schrieb, "in Staub und Asche aufzulösen".

Da endlich trat Innozenz III. in einer berühmt gewordenen
Denkschrift (Deliberatio) mit seiner Entscheidung hervor (Ende 1200).
Indem er mit scheinbarer Unparteilichkeit die Rechte der drei
Thronbewerber erörterte -- denn auch Friedrichs II. Anspruch

1) Durch Krabbo, Neues Arch. 27, 515 ff. ist festgestellt, daß 1198 von
Otto zwar Verhandlungen mit dem Papste eingeleitet, aber noch keine eid-
lichen und urkundlichen Zusicherungen gegeben wurden.
2) Dies Jahresdatum darf jetzt gegenüber früheren Schwankungen als
sichergestellt gelten.
§ 15. Innozenz III. und die deutschen Thronwirren. (1198‒1216).

Alle diese Spaltungen steigerten den Einfluß des Papstes.
Obschon Philipp der Kirche innerlich enger verbunden war, als
sein Gegner, konnte von vornherein kaum ein Zweifel darüber be-
stehen, auf wessen Seite Innozenz neigte. Denn Philipp vertrat
die staufischen Überlieferungen, die Reichsherrschaft in Mittelitalien,
die Vormundschaft über Friedrich von Sizilien, während Otto, der
als der schwächere Teil ganz anders auf die Unterstützung der
Kurie angewiesen war, sogleich zu verstehen gab, er werde die
italienischen Ansprüche des Papstes anerkennen1), und durch den
Verzicht auf das Spolienrecht auch hinsichtlich der deutschen Kirche
weitere Nachgiebigkeit erwarten ließ. Indessen Innozenz war klug
genug, seine Entscheidung nicht zu übereilen; denn der Bürgerkrieg
brachte eine erwünschte Schwächung der gefürchteten deutschen
Macht. Freilich nur so lange, als der eine Teil nicht unbedingt
die Oberhand gewann. Dahin aber schien die Entwicklung der
beiden folgenden Jahre zu führen. Während Innozenz, wie einst
Gregor VII., die Anerkennung seines Schiedsgerichtes von beiden
Thronbewerbern forderte, erließ eine glänzende Versammlung von
fürstlichen Anhängern Philipps, unter denen insbesondere die
Bischöfe in noch ungebrochener Treue gegen das staufische Haus
nahezu vollzählig vertreten waren, einen geharnischten, ganz und
gar von imperialistischem Geiste erfüllten Protest gegen die Ein-
mischung des Papstes in den deutschen Thronstreit, sowie gegen
seine italienischen Ansprüche und stellte einen Romzug Philipps zur
Einholung der Kaiserkrone in nahe Aussicht. Diese Speyrer Er-
klärung vom 28. Mai 11992) reiht sich den Kundgebungen von
Besançon, Würzburg und Gelnhausen würdig an und schließt die
Kette. Von da ab sah Deutschland nichts Ähnliches mehr bis zu
den Tagen von Rense und Frankfurt. — Als dann der ehrwürdige
Erzbischof Konrad von Mainz aus dem Orient zurückkehrte, konnte
sein Vermittlungsversuch für Otto jedenfalls nur ungünstig ausfallen
(1200). Dieser selbst sah sich seit dem Tode Richards Löwenherz
(1199) von England im Stich gelassen, sein Königtum schien sich,
wie er selbst schrieb, „in Staub und Asche aufzulösen“.

Da endlich trat Innozenz III. in einer berühmt gewordenen
Denkschrift (Deliberatio) mit seiner Entscheidung hervor (Ende 1200).
Indem er mit scheinbarer Unparteilichkeit die Rechte der drei
Thronbewerber erörterte — denn auch Friedrichs II. Anspruch

1) Durch Krabbo, Neues Arch. 27, 515 ff. ist festgestellt, daß 1198 von
Otto zwar Verhandlungen mit dem Papste eingeleitet, aber noch keine eid-
lichen und urkundlichen Zusicherungen gegeben wurden.
2) Dies Jahresdatum darf jetzt gegenüber früheren Schwankungen als
sichergestellt gelten.
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[191/0199] § 15. Innozenz III. und die deutschen Thronwirren. (1198‒1216). Alle diese Spaltungen steigerten den Einfluß des Papstes. Obschon Philipp der Kirche innerlich enger verbunden war, als sein Gegner, konnte von vornherein kaum ein Zweifel darüber be- stehen, auf wessen Seite Innozenz neigte. Denn Philipp vertrat die staufischen Überlieferungen, die Reichsherrschaft in Mittelitalien, die Vormundschaft über Friedrich von Sizilien, während Otto, der als der schwächere Teil ganz anders auf die Unterstützung der Kurie angewiesen war, sogleich zu verstehen gab, er werde die italienischen Ansprüche des Papstes anerkennen 1), und durch den Verzicht auf das Spolienrecht auch hinsichtlich der deutschen Kirche weitere Nachgiebigkeit erwarten ließ. Indessen Innozenz war klug genug, seine Entscheidung nicht zu übereilen; denn der Bürgerkrieg brachte eine erwünschte Schwächung der gefürchteten deutschen Macht. Freilich nur so lange, als der eine Teil nicht unbedingt die Oberhand gewann. Dahin aber schien die Entwicklung der beiden folgenden Jahre zu führen. Während Innozenz, wie einst Gregor VII., die Anerkennung seines Schiedsgerichtes von beiden Thronbewerbern forderte, erließ eine glänzende Versammlung von fürstlichen Anhängern Philipps, unter denen insbesondere die Bischöfe in noch ungebrochener Treue gegen das staufische Haus nahezu vollzählig vertreten waren, einen geharnischten, ganz und gar von imperialistischem Geiste erfüllten Protest gegen die Ein- mischung des Papstes in den deutschen Thronstreit, sowie gegen seine italienischen Ansprüche und stellte einen Romzug Philipps zur Einholung der Kaiserkrone in nahe Aussicht. Diese Speyrer Er- klärung vom 28. Mai 1199 2) reiht sich den Kundgebungen von Besançon, Würzburg und Gelnhausen würdig an und schließt die Kette. Von da ab sah Deutschland nichts Ähnliches mehr bis zu den Tagen von Rense und Frankfurt. — Als dann der ehrwürdige Erzbischof Konrad von Mainz aus dem Orient zurückkehrte, konnte sein Vermittlungsversuch für Otto jedenfalls nur ungünstig ausfallen (1200). Dieser selbst sah sich seit dem Tode Richards Löwenherz (1199) von England im Stich gelassen, sein Königtum schien sich, wie er selbst schrieb, „in Staub und Asche aufzulösen“. Da endlich trat Innozenz III. in einer berühmt gewordenen Denkschrift (Deliberatio) mit seiner Entscheidung hervor (Ende 1200). Indem er mit scheinbarer Unparteilichkeit die Rechte der drei Thronbewerber erörterte — denn auch Friedrichs II. Anspruch 1) Durch Krabbo, Neues Arch. 27, 515 ff. ist festgestellt, daß 1198 von Otto zwar Verhandlungen mit dem Papste eingeleitet, aber noch keine eid- lichen und urkundlichen Zusicherungen gegeben wurden. 2) Dies Jahresdatum darf jetzt gegenüber früheren Schwankungen als sichergestellt gelten.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/199>, abgerufen am 24.11.2024.