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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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Die Zeit der Staufer.
stand noch in Frage --, suchte er mit gewandter Sophistik zu ver-
schleiern, daß allein das politische Interesse des Papsttums den
Ausschlag gab. Natürlich entschied er zugunsten Ottos, der bald
darauf seine früheren Anerbietungen urkundlich verbriefte und
Frieden mit Frankreich nach dem Wunsche der Kurie gelobte
(Neuß, 8. Juni 1201).

Und nun griff der Papst mit Energie in den Kampf ein,
bannte Philipp und seine Anhänger und suchte seine Stellung durch
eine zielbewußte Agitation zu unterhöhlen. Wie einst Gregor VII.
gegen die reichstreuen Bischöfe, so ging jetzt Innozenz mit klug
berechneter Abstufung von Strafen und Belohnungen, mit juris-
diktionellem Druck, erzwungenen Gehorsamseiden, Vorladungen,
Suspensionen und Bannungen gegen die geistlichen Unterzeichner
der Speyrer Protestation vor. Die einen stürzte er in schwere Ge-
wissensnöte, die andern trieb er zu offnem Abfall oder wohl gar,
wie Philipps eignen Kanzler, zu schmählichem Verrat an der Seite
ihres staufischen Herrn, der in seiner oft an Schwachheit grenzen-
den Arglosigkeit sich erst allmählich in einen solchen Kampf mit
vergifteten Waffen hineinfand. Indem dann der Papst bei allen
Neubesetzungen und Doppelwahlen, wie etwa in Mainz nach dem
Tode des Erzbischofs Konrad, rücksichtslos die welfischen Bewerber
zur Geltung brachte, wußte er die Reihen der stauferfreundlichen
Bischöfe noch mehr zu lichten. Diese Säule, auf der das deutsche
Königtum seit den Tagen Ottos des Großen zu allermeist geruht
hatte, geborsten im Investiturstreit, aber von Barbarossa aufs neue
mit eisernem Reif umspannt, brach damals für immer zusammen.

Manches andre kam hinzu, um die Macht Ottos IV. in den
beiden folgenden Jahren (1202/3) gewaltig anschwellen zu lassen:
der Anschluß auch weltlicher Fürsten, wie des Böhmen und
Thüringers, ein Abkommen mit dem Dänenkönig, dem Nordalbingien
und Slawien preisgegeben wurden, erneute Unterstützung Englands,
dessen König Johann, abermals in Krieg mit Frankreich verstrickt,
sich mit Otto zu Schutz und Trutz verbündete.

Indes bald zeigte es sich, daß die großen Erfolge des Welfen
doch mehr scheinbar waren. Die allgemeine Erschütterung der
Treue entzog auch ihm jeden festen Halt, und eben seine wachsende
Macht war es, die ihm Gegner schuf und den reißenden Abfall
erzeugte, der seit dem Jahre 1204 begann. Der eigne Bruder
Pfalzgraf Heinrich wandte sich von ihm, ja selbst der Schöpfer
seines Königtums Adolf von Köln, der nicht ohne Grund eine
Wiederherstellung des alten sächsischen Stammesherzogtums von
dem Welfen befürchtete. Als Philipp nun auch am Niederrhein
vordrang, vollzog der Erzbischof an dem rechten Orte Aachen an

Die Zeit der Staufer.
stand noch in Frage —, suchte er mit gewandter Sophistik zu ver-
schleiern, daß allein das politische Interesse des Papsttums den
Ausschlag gab. Natürlich entschied er zugunsten Ottos, der bald
darauf seine früheren Anerbietungen urkundlich verbriefte und
Frieden mit Frankreich nach dem Wunsche der Kurie gelobte
(Neuß, 8. Juni 1201).

Und nun griff der Papst mit Energie in den Kampf ein,
bannte Philipp und seine Anhänger und suchte seine Stellung durch
eine zielbewußte Agitation zu unterhöhlen. Wie einst Gregor VII.
gegen die reichstreuen Bischöfe, so ging jetzt Innozenz mit klug
berechneter Abstufung von Strafen und Belohnungen, mit juris-
diktionellem Druck, erzwungenen Gehorsamseiden, Vorladungen,
Suspensionen und Bannungen gegen die geistlichen Unterzeichner
der Speyrer Protestation vor. Die einen stürzte er in schwere Ge-
wissensnöte, die andern trieb er zu offnem Abfall oder wohl gar,
wie Philipps eignen Kanzler, zu schmählichem Verrat an der Seite
ihres staufischen Herrn, der in seiner oft an Schwachheit grenzen-
den Arglosigkeit sich erst allmählich in einen solchen Kampf mit
vergifteten Waffen hineinfand. Indem dann der Papst bei allen
Neubesetzungen und Doppelwahlen, wie etwa in Mainz nach dem
Tode des Erzbischofs Konrad, rücksichtslos die welfischen Bewerber
zur Geltung brachte, wußte er die Reihen der stauferfreundlichen
Bischöfe noch mehr zu lichten. Diese Säule, auf der das deutsche
Königtum seit den Tagen Ottos des Großen zu allermeist geruht
hatte, geborsten im Investiturstreit, aber von Barbarossa aufs neue
mit eisernem Reif umspannt, brach damals für immer zusammen.

Manches andre kam hinzu, um die Macht Ottos IV. in den
beiden folgenden Jahren (1202/3) gewaltig anschwellen zu lassen:
der Anschluß auch weltlicher Fürsten, wie des Böhmen und
Thüringers, ein Abkommen mit dem Dänenkönig, dem Nordalbingien
und Slawien preisgegeben wurden, erneute Unterstützung Englands,
dessen König Johann, abermals in Krieg mit Frankreich verstrickt,
sich mit Otto zu Schutz und Trutz verbündete.

Indes bald zeigte es sich, daß die großen Erfolge des Welfen
doch mehr scheinbar waren. Die allgemeine Erschütterung der
Treue entzog auch ihm jeden festen Halt, und eben seine wachsende
Macht war es, die ihm Gegner schuf und den reißenden Abfall
erzeugte, der seit dem Jahre 1204 begann. Der eigne Bruder
Pfalzgraf Heinrich wandte sich von ihm, ja selbst der Schöpfer
seines Königtums Adolf von Köln, der nicht ohne Grund eine
Wiederherstellung des alten sächsischen Stammesherzogtums von
dem Welfen befürchtete. Als Philipp nun auch am Niederrhein
vordrang, vollzog der Erzbischof an dem rechten Orte Aachen an

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[192/0200] Die Zeit der Staufer. stand noch in Frage —, suchte er mit gewandter Sophistik zu ver- schleiern, daß allein das politische Interesse des Papsttums den Ausschlag gab. Natürlich entschied er zugunsten Ottos, der bald darauf seine früheren Anerbietungen urkundlich verbriefte und Frieden mit Frankreich nach dem Wunsche der Kurie gelobte (Neuß, 8. Juni 1201). Und nun griff der Papst mit Energie in den Kampf ein, bannte Philipp und seine Anhänger und suchte seine Stellung durch eine zielbewußte Agitation zu unterhöhlen. Wie einst Gregor VII. gegen die reichstreuen Bischöfe, so ging jetzt Innozenz mit klug berechneter Abstufung von Strafen und Belohnungen, mit juris- diktionellem Druck, erzwungenen Gehorsamseiden, Vorladungen, Suspensionen und Bannungen gegen die geistlichen Unterzeichner der Speyrer Protestation vor. Die einen stürzte er in schwere Ge- wissensnöte, die andern trieb er zu offnem Abfall oder wohl gar, wie Philipps eignen Kanzler, zu schmählichem Verrat an der Seite ihres staufischen Herrn, der in seiner oft an Schwachheit grenzen- den Arglosigkeit sich erst allmählich in einen solchen Kampf mit vergifteten Waffen hineinfand. Indem dann der Papst bei allen Neubesetzungen und Doppelwahlen, wie etwa in Mainz nach dem Tode des Erzbischofs Konrad, rücksichtslos die welfischen Bewerber zur Geltung brachte, wußte er die Reihen der stauferfreundlichen Bischöfe noch mehr zu lichten. Diese Säule, auf der das deutsche Königtum seit den Tagen Ottos des Großen zu allermeist geruht hatte, geborsten im Investiturstreit, aber von Barbarossa aufs neue mit eisernem Reif umspannt, brach damals für immer zusammen. Manches andre kam hinzu, um die Macht Ottos IV. in den beiden folgenden Jahren (1202/3) gewaltig anschwellen zu lassen: der Anschluß auch weltlicher Fürsten, wie des Böhmen und Thüringers, ein Abkommen mit dem Dänenkönig, dem Nordalbingien und Slawien preisgegeben wurden, erneute Unterstützung Englands, dessen König Johann, abermals in Krieg mit Frankreich verstrickt, sich mit Otto zu Schutz und Trutz verbündete. Indes bald zeigte es sich, daß die großen Erfolge des Welfen doch mehr scheinbar waren. Die allgemeine Erschütterung der Treue entzog auch ihm jeden festen Halt, und eben seine wachsende Macht war es, die ihm Gegner schuf und den reißenden Abfall erzeugte, der seit dem Jahre 1204 begann. Der eigne Bruder Pfalzgraf Heinrich wandte sich von ihm, ja selbst der Schöpfer seines Königtums Adolf von Köln, der nicht ohne Grund eine Wiederherstellung des alten sächsischen Stammesherzogtums von dem Welfen befürchtete. Als Philipp nun auch am Niederrhein vordrang, vollzog der Erzbischof an dem rechten Orte Aachen an

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/200>, abgerufen am 24.11.2024.