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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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I. Die Zeit der Salier.

Der steile Canossafelsen mit seiner damals uneinnehmbaren,
aber räumlich beschränkten Burganlage erhebt sich etwa fünfzig Meter
hoch aus dem von Giesbachschluchten zerrissenen, unwirtlichen
Plateau des zur Poebene abfallenden Apennin. Wahrscheinlich an
seinem Fuße hat Heinrich mit wenigen Begleitern drei Tage lang
geweilt und sich in der kirchlichen Büßertracht, mit nackten Füßen
und härenem Gewande, trotz strenger Winterkälte wiederholt vor
dem Burgtor einlaßheischend gezeigt. Ein zeitweiliges Bußestehen
wird sich kaum in Abrede stellen lassen,1) aber daß der König
drei Tage und Nächte ohne Unterbrechung auf Eis und Schnee
gestanden habe, ist eine schon von den Zeitgenossen vorgenommene
Übertreibung, die bis in unsere Tage fortwirkt. Vielmehr verging
zum mindesten ein Teil der Zeit unter Verhandlungen Heinrichs
mit dem Papste durch Mittelspersonen, wie seinen Taufpaten Abt
Hugo von Cluny und seine Verwandte Gräfin Mathilde. Dieser
gelang es denn auch endlich, wohl am 28. Januar 1077, vom
Papste die Zulassung zu erwirken.2) In Bußtracht vor Gregor er-
scheinend, verpflichtete sich Heinrich durch den Eid der anwesen-
den Reichsfürsten, in seinem Streite mit den deutschen Gegnern inner-
halb einer zu bestimmenden Frist die Vermittlung oder den Schied-
spruch des Papstes anzuerkennen und dessen Reise nach Deutsch-
land weder selbst, noch durch seine Anhänger zu gefährden. Darauf
vollzog Gregor die Lösung vom Banne und erteilte dem König
das Abendmahl, das er indes nicht wie Lambert von Hersfeld

unterworfen gewesen. Grundlegend für die Erkenntnis des äußeren Hergangs
waren die Untersuchungen von Holder-Egger (Neues Arch. 19), die von
Meyer v. Knonau, Deutsche Zeitschr. f. Gesch. II, Otto, Mitt. d. Inst. f.
öst. Gesch. (18), Haller, Neue Jahrb. f. d. klass. Altertum usw. 1906 in
einzelnen Punkten weitergeführt wurden. Als die sichersten Quellen haben
der eigene, immerhin tendenziös färbende Bericht Gregors an die deutschen
Fürsten (Jaffe, Bibl. II, 256) und das urkundliche Versprechen Heinrichs (M.
G. Const. I, 115) zu gelten. Daneben kommt vor allem der spätere Donizo
(vgl. oben S. 4) wegen seiner Lokalkenntnis in Betracht.
1) Ausschlaggebend namentlich die meist übersehene Stelle Donizo II, 675 ff.
2) Die entscheidende Zusammenkunft zwischen Heinrich und Mathilde
fand nach Donizo in einer Kapelle des heiligen Nikolaus statt, über deren
Lage die Forscher neuerdings streiten. Nach meiner Kenntnis der Örtlichkeit
muß ich ihre Verlegung in die Burg selbst, wo nur die Kapelle des Apollonius-
klosters in Betracht kommt, völlig ablehnen. Am Fuße des Felsens könnte
sie gelegen haben; da aber eine Nikolauskapelle in der Burg Montegiovanni
(Montezane) bei dem nördlich gelegenen Bianello existiert hat, so scheint mir
die darauf gerichtete Vermutung von Campanini (Canossa, Guida storica illus-
trata 1894 S. 91 ff.) durch die Bemerkungen Bresslaus (N. Arch. 33, 531),
daß jene Nikolauskapelle nicht vor 1285 nachweisbar ist, noch keineswegs
abgetan. Heinrich müßte dann, verzweifelt, schon im Begriff gewesen sein,
nach Norden abzuziehen, wie Donizo andeutet ("Cumque -- rex -- recedere
vellet cappellam sancti petit -- Nicholai").
I. Die Zeit der Salier.

Der steile Canossafelsen mit seiner damals uneinnehmbaren,
aber räumlich beschränkten Burganlage erhebt sich etwa fünfzig Meter
hoch aus dem von Giesbachschluchten zerrissenen, unwirtlichen
Plateau des zur Poebene abfallenden Apennin. Wahrscheinlich an
seinem Fuße hat Heinrich mit wenigen Begleitern drei Tage lang
geweilt und sich in der kirchlichen Büßertracht, mit nackten Füßen
und härenem Gewande, trotz strenger Winterkälte wiederholt vor
dem Burgtor einlaßheischend gezeigt. Ein zeitweiliges Bußestehen
wird sich kaum in Abrede stellen lassen,1) aber daß der König
drei Tage und Nächte ohne Unterbrechung auf Eis und Schnee
gestanden habe, ist eine schon von den Zeitgenossen vorgenommene
Übertreibung, die bis in unsere Tage fortwirkt. Vielmehr verging
zum mindesten ein Teil der Zeit unter Verhandlungen Heinrichs
mit dem Papste durch Mittelspersonen, wie seinen Taufpaten Abt
Hugo von Cluny und seine Verwandte Gräfin Mathilde. Dieser
gelang es denn auch endlich, wohl am 28. Januar 1077, vom
Papste die Zulassung zu erwirken.2) In Bußtracht vor Gregor er-
scheinend, verpflichtete sich Heinrich durch den Eid der anwesen-
den Reichsfürsten, in seinem Streite mit den deutschen Gegnern inner-
halb einer zu bestimmenden Frist die Vermittlung oder den Schied-
spruch des Papstes anzuerkennen und dessen Reise nach Deutsch-
land weder selbst, noch durch seine Anhänger zu gefährden. Darauf
vollzog Gregor die Lösung vom Banne und erteilte dem König
das Abendmahl, das er indes nicht wie Lambert von Hersfeld

unterworfen gewesen. Grundlegend für die Erkenntnis des äußeren Hergangs
waren die Untersuchungen von Holder-Egger (Neues Arch. 19), die von
Meyer v. Knonau, Deutsche Zeitschr. f. Gesch. II, Otto, Mitt. d. Inst. f.
öst. Gesch. (18), Haller, Neue Jahrb. f. d. klass. Altertum usw. 1906 in
einzelnen Punkten weitergeführt wurden. Als die sichersten Quellen haben
der eigene, immerhin tendenziös färbende Bericht Gregors an die deutschen
Fürsten (Jaffé, Bibl. II, 256) und das urkundliche Versprechen Heinrichs (M.
G. Const. I, 115) zu gelten. Daneben kommt vor allem der spätere Donizo
(vgl. oben S. 4) wegen seiner Lokalkenntnis in Betracht.
1) Ausschlaggebend namentlich die meist übersehene Stelle Donizo II, 675 ff.
2) Die entscheidende Zusammenkunft zwischen Heinrich und Mathilde
fand nach Donizo in einer Kapelle des heiligen Nikolaus statt, über deren
Lage die Forscher neuerdings streiten. Nach meiner Kenntnis der Örtlichkeit
muß ich ihre Verlegung in die Burg selbst, wo nur die Kapelle des Apollonius-
klosters in Betracht kommt, völlig ablehnen. Am Fuße des Felsens könnte
sie gelegen haben; da aber eine Nikolauskapelle in der Burg Montegiovanni
(Montezane) bei dem nördlich gelegenen Bianello existiert hat, so scheint mir
die darauf gerichtete Vermutung von Campanini (Canossa, Guida storica illus-
trata 1894 S. 91 ff.) durch die Bemerkungen Bresslaus (N. Arch. 33, 531),
daß jene Nikolauskapelle nicht vor 1285 nachweisbar ist, noch keineswegs
abgetan. Heinrich müßte dann, verzweifelt, schon im Begriff gewesen sein,
nach Norden abzuziehen, wie Donizo andeutet („Cumque — rex — recedere
vellet cappellam sancti petit — Nicholai“).
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[52/0060] I. Die Zeit der Salier. Der steile Canossafelsen mit seiner damals uneinnehmbaren, aber räumlich beschränkten Burganlage erhebt sich etwa fünfzig Meter hoch aus dem von Giesbachschluchten zerrissenen, unwirtlichen Plateau des zur Poebene abfallenden Apennin. Wahrscheinlich an seinem Fuße hat Heinrich mit wenigen Begleitern drei Tage lang geweilt und sich in der kirchlichen Büßertracht, mit nackten Füßen und härenem Gewande, trotz strenger Winterkälte wiederholt vor dem Burgtor einlaßheischend gezeigt. Ein zeitweiliges Bußestehen wird sich kaum in Abrede stellen lassen, 1) aber daß der König drei Tage und Nächte ohne Unterbrechung auf Eis und Schnee gestanden habe, ist eine schon von den Zeitgenossen vorgenommene Übertreibung, die bis in unsere Tage fortwirkt. Vielmehr verging zum mindesten ein Teil der Zeit unter Verhandlungen Heinrichs mit dem Papste durch Mittelspersonen, wie seinen Taufpaten Abt Hugo von Cluny und seine Verwandte Gräfin Mathilde. Dieser gelang es denn auch endlich, wohl am 28. Januar 1077, vom Papste die Zulassung zu erwirken. 2) In Bußtracht vor Gregor er- scheinend, verpflichtete sich Heinrich durch den Eid der anwesen- den Reichsfürsten, in seinem Streite mit den deutschen Gegnern inner- halb einer zu bestimmenden Frist die Vermittlung oder den Schied- spruch des Papstes anzuerkennen und dessen Reise nach Deutsch- land weder selbst, noch durch seine Anhänger zu gefährden. Darauf vollzog Gregor die Lösung vom Banne und erteilte dem König das Abendmahl, das er indes nicht wie Lambert von Hersfeld 2) 1) Ausschlaggebend namentlich die meist übersehene Stelle Donizo II, 675 ff. 2) Die entscheidende Zusammenkunft zwischen Heinrich und Mathilde fand nach Donizo in einer Kapelle des heiligen Nikolaus statt, über deren Lage die Forscher neuerdings streiten. Nach meiner Kenntnis der Örtlichkeit muß ich ihre Verlegung in die Burg selbst, wo nur die Kapelle des Apollonius- klosters in Betracht kommt, völlig ablehnen. Am Fuße des Felsens könnte sie gelegen haben; da aber eine Nikolauskapelle in der Burg Montegiovanni (Montezane) bei dem nördlich gelegenen Bianello existiert hat, so scheint mir die darauf gerichtete Vermutung von Campanini (Canossa, Guida storica illus- trata 1894 S. 91 ff.) durch die Bemerkungen Bresslaus (N. Arch. 33, 531), daß jene Nikolauskapelle nicht vor 1285 nachweisbar ist, noch keineswegs abgetan. Heinrich müßte dann, verzweifelt, schon im Begriff gewesen sein, nach Norden abzuziehen, wie Donizo andeutet („Cumque — rex — recedere vellet cappellam sancti petit — Nicholai“). 2) unterworfen gewesen. Grundlegend für die Erkenntnis des äußeren Hergangs waren die Untersuchungen von Holder-Egger (Neues Arch. 19), die von Meyer v. Knonau, Deutsche Zeitschr. f. Gesch. II, Otto, Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch. (18), Haller, Neue Jahrb. f. d. klass. Altertum usw. 1906 in einzelnen Punkten weitergeführt wurden. Als die sichersten Quellen haben der eigene, immerhin tendenziös färbende Bericht Gregors an die deutschen Fürsten (Jaffé, Bibl. II, 256) und das urkundliche Versprechen Heinrichs (M. G. Const. I, 115) zu gelten. Daneben kommt vor allem der spätere Donizo (vgl. oben S. 4) wegen seiner Lokalkenntnis in Betracht.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/60>, abgerufen am 24.11.2024.