Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.I. Die Zeit der Salier. ein zielbewußtes Vorgehen gegen den Islam führen konnte. GrafRoger hatte die verlorenen Gebiete Siziliens der römischen Kirche zurückgewonnen und ward dafür bald (1098) vom Papste mit jenen bedeutsamen, seine Herrschaft über die neuen Kirchen im Gegen- satz zu den sonstigen kurialen Ansprüchen bestätigenden Zugeständ- nissen belohnt, die später unter dem Namen "Monarchia Sicula" zusammengefaßt, die Jahrhunderte hindurch bis zu ihrer endgültigen Aufhebung durch Papst Pius IX. in der Geschichte des Landes eine so hervorragende Rolle gespielt haben. Dort hat sich nun in Urbans Kopfe die Idee Gregors VII. zu einem klaren Angriffs- plane gegen den Islam im Osten verdichtet, und bei ihm am aller- wenigsten darf man daran zweifeln, daß er sich dabei der ge- waltigen kirchlichen und politischen Vorteile vollauf bewußt war, welche dem Papsttum erwachsen mußten, wenn es die streitbare romanische Ritterschaft durch den Bann einer großen Idee um sich zu scharen verstand und in der Leitung einer allgemeineuropäischen Angelegenheit in die Rolle des Kaisertums eintrat. Der Aufschwung der päpstlichen Sache hatte Urban schon 1093 nach Rom zurück- geführt. Von da reiste er in den folgenden Jahren wie in einem Siegeszuge, dessen Hauptetappen die großen, losunggebenden Synoden von Piacenza und Clermont (1095) waren, durch Italien, Burgund und Frankreich, und als er dann, vom Strome der Begeisterung getragen, nach Rom zurückkehrte (1096), war die Stellung des gregorianischen Papsttums in Europa über jeden Zweifel hinaus ge- sichert, und das Gegenpapsttum verlor nun auch in Italien allmählich allen Boden unter den Füßen. Sein völliges Erlöschen sollte Urban nicht mehr erleben (+ 1099), aber auf seinen Nachfolger, den an geistiger Energie und diplomatischem Geschick weit hinter ihm zu- rückstehenden Paschalis II. (1099-1118), fiel nun der Glanz der großen Erfolge im Orient und hob sein Ansehen derart, daß das Gegenpapsttum nach dem Ableben Klemens' III. (1100) gänzlich zusammenbrach, und auch der Tod König Konrads (1101) den Verlust Italiens für das Reich nicht mehr rückgängig machen konnte. Für eine Schilderung des ersten Kreuzzuges selbst bietet die I. Die Zeit der Salier. ein zielbewußtes Vorgehen gegen den Islam führen konnte. GrafRoger hatte die verlorenen Gebiete Siziliens der römischen Kirche zurückgewonnen und ward dafür bald (1098) vom Papste mit jenen bedeutsamen, seine Herrschaft über die neuen Kirchen im Gegen- satz zu den sonstigen kurialen Ansprüchen bestätigenden Zugeständ- nissen belohnt, die später unter dem Namen „Monarchia Sicula“ zusammengefaßt, die Jahrhunderte hindurch bis zu ihrer endgültigen Aufhebung durch Papst Pius IX. in der Geschichte des Landes eine so hervorragende Rolle gespielt haben. Dort hat sich nun in Urbans Kopfe die Idee Gregors VII. zu einem klaren Angriffs- plane gegen den Islam im Osten verdichtet, und bei ihm am aller- wenigsten darf man daran zweifeln, daß er sich dabei der ge- waltigen kirchlichen und politischen Vorteile vollauf bewußt war, welche dem Papsttum erwachsen mußten, wenn es die streitbare romanische Ritterschaft durch den Bann einer großen Idee um sich zu scharen verstand und in der Leitung einer allgemeineuropäischen Angelegenheit in die Rolle des Kaisertums eintrat. Der Aufschwung der päpstlichen Sache hatte Urban schon 1093 nach Rom zurück- geführt. Von da reiste er in den folgenden Jahren wie in einem Siegeszuge, dessen Hauptetappen die großen, losunggebenden Synoden von Piacenza und Clermont (1095) waren, durch Italien, Burgund und Frankreich, und als er dann, vom Strome der Begeisterung getragen, nach Rom zurückkehrte (1096), war die Stellung des gregorianischen Papsttums in Europa über jeden Zweifel hinaus ge- sichert, und das Gegenpapsttum verlor nun auch in Italien allmählich allen Boden unter den Füßen. Sein völliges Erlöschen sollte Urban nicht mehr erleben († 1099), aber auf seinen Nachfolger, den an geistiger Energie und diplomatischem Geschick weit hinter ihm zu- rückstehenden Paschalis II. (1099‒1118), fiel nun der Glanz der großen Erfolge im Orient und hob sein Ansehen derart, daß das Gegenpapsttum nach dem Ableben Klemens' III. (1100) gänzlich zusammenbrach, und auch der Tod König Konrads (1101) den Verlust Italiens für das Reich nicht mehr rückgängig machen konnte. 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I. Die Zeit der Salier.
ein zielbewußtes Vorgehen gegen den Islam führen konnte. Graf
Roger hatte die verlorenen Gebiete Siziliens der römischen Kirche
zurückgewonnen und ward dafür bald (1098) vom Papste mit jenen
bedeutsamen, seine Herrschaft über die neuen Kirchen im Gegen-
satz zu den sonstigen kurialen Ansprüchen bestätigenden Zugeständ-
nissen belohnt, die später unter dem Namen „Monarchia Sicula“
zusammengefaßt, die Jahrhunderte hindurch bis zu ihrer endgültigen
Aufhebung durch Papst Pius IX. in der Geschichte des Landes
eine so hervorragende Rolle gespielt haben. Dort hat sich nun
in Urbans Kopfe die Idee Gregors VII. zu einem klaren Angriffs-
plane gegen den Islam im Osten verdichtet, und bei ihm am aller-
wenigsten darf man daran zweifeln, daß er sich dabei der ge-
waltigen kirchlichen und politischen Vorteile vollauf bewußt war,
welche dem Papsttum erwachsen mußten, wenn es die streitbare
romanische Ritterschaft durch den Bann einer großen Idee um sich
zu scharen verstand und in der Leitung einer allgemeineuropäischen
Angelegenheit in die Rolle des Kaisertums eintrat. Der Aufschwung
der päpstlichen Sache hatte Urban schon 1093 nach Rom zurück-
geführt. Von da reiste er in den folgenden Jahren wie in einem
Siegeszuge, dessen Hauptetappen die großen, losunggebenden Synoden
von Piacenza und Clermont (1095) waren, durch Italien, Burgund
und Frankreich, und als er dann, vom Strome der Begeisterung
getragen, nach Rom zurückkehrte (1096), war die Stellung des
gregorianischen Papsttums in Europa über jeden Zweifel hinaus ge-
sichert, und das Gegenpapsttum verlor nun auch in Italien allmählich
allen Boden unter den Füßen. Sein völliges Erlöschen sollte Urban
nicht mehr erleben († 1099), aber auf seinen Nachfolger, den an
geistiger Energie und diplomatischem Geschick weit hinter ihm zu-
rückstehenden Paschalis II. (1099‒1118), fiel nun der Glanz der
großen Erfolge im Orient und hob sein Ansehen derart, daß das
Gegenpapsttum nach dem Ableben Klemens' III. (1100) gänzlich
zusammenbrach, und auch der Tod König Konrads (1101) den
Verlust Italiens für das Reich nicht mehr rückgängig machen konnte.
Für eine Schilderung des ersten Kreuzzuges selbst bietet die
deutsche Geschichte keinen Raum; nur obenhin ward das Reich
von der großen Bewegung berührt. Auf den Durchzug der ersten
ungeordneten Bauernmassen von Westen her nach Ungarn, die von
den friedebedürftigen Deutschen nur mit Mißtrauen betrachtet
wurden, folgten neue Scharen, die gleich in den Rheinlanden den
Kampf gegen die Ungläubigen eröffneten, indem sie allenthalben
in den Städten die entsetzlichsten Judenmetzeleien heraufführten.
Allein in Mainz wurden über tausend Juden hingeschlachtet, was
der Erzbischof Ruthard trotz des Empfangs von Schutzgeldern
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