Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.derselben zu bestraffen. Es ist aber für sich klar/ daß diese Macht nicht fort eine Verbindlichkeit in sich fasse/ daß der Gesetzgeber dieselbe ohn Unterschied müste ausüben und es ihm keineswe- ges erlaubt sey/ davon nachzulassen und jemanden/ die nach dem Gesetz verwirckte Straffen zu schencken. Imperatori, spricht Augustinus, licet revocare sententiam & reum mortis absolvere & ei ignoscere, quia non est subjectus legibus, qui ha- bet in potestate leges ferre. Seneca gibt zwar von dieser Gnade eine richtige Beschreibung/ wenn er sagt: venia est poenae meritae remissio. L. de Clem. c. VII. er meynet aber/ daß es einem Weisen nicht zustehe/ solche zu ertheilen. Ei ignoscitur/ sind seine Worte/ qui puniri debuit, sapiens autem ni- hil facit, quod non debet. Es hat aber Hugo Grotius de Jure B. & P. Lib. II. c. XX. §. XXI. bereits angemerckt/ daß dieser Grund sehr schwach und betrieglich. Wie kan daher/ daß der Ubertreter schuldig ist/ die Straffe zu leyden/ folgen/ daß der Gesetzgeber schuldig sey/ dieselbe von ihm zu nehmen: es würde auf eben solche Art folgen/ daß weil der Schuldiger schuldig ist zu bezahlen/ der Gläubiger auch schuldig und gehal- ten wäre/ die Bezahlung anzunehmen. Es müs- sen höhere und wichtigere Gründe seyn/ dafern dieser Satz des Senecae solte bewiesen werden. Es scheinet auch/ als wenn er selbst hierin gewancket/ denn wenn er den Neronem will zur Gnade und Sanft-
derſelben zu beſtraffen. Es iſt aber fuͤr ſich klar/ daß dieſe Macht nicht fort eine Verbindlichkeit in ſich faſſe/ daß der Geſetzgeber dieſelbe ohn Unterſchied muͤſte ausuͤben und es ihm keineswe- ges erlaubt ſey/ davon nachzulaſſen und jemanden/ die nach dem Geſetz verwirckte Straffen zu ſchencken. Imperatori, ſpricht Auguſtinus, licet revocare ſententiam & reum mortis abſolvere & ei ignoſcere, quia non eſt ſubjectus legibus, qui ha- bet in poteſtate leges ferre. Seneca gibt zwar von dieſer Gnade eine richtige Beſchreibung/ wenn er ſagt: venia eſt pœnæ meritæ remiſſio. L. de Clem. c. VII. er meynet aber/ daß es einem Weiſen nicht zuſtehe/ ſolche zu ertheilen. Ei ignoſcitur/ ſind ſeine Worte/ qui puniri debuit, ſapiens autem ni- hil facit, quod non debet. Es hat aber Hugo Grotius de Jure B. & P. Lib. II. c. XX. §. XXI. bereits angemerckt/ daß dieſer Grund ſehr ſchwach und betrieglich. Wie kan daher/ daß der Ubertreter ſchuldig iſt/ die Straffe zu leyden/ folgen/ daß der Geſetzgeber ſchuldig ſey/ dieſelbe von ihm zu nehmen: es wuͤrde auf eben ſolche Art folgen/ daß weil der Schuldiger ſchuldig iſt zu bezahlen/ der Glaͤubiger auch ſchuldig und gehal- ten waͤre/ die Bezahlung anzunehmen. Es muͤſ- ſen hoͤhere und wichtigere Gruͤnde ſeyn/ dafern dieſer Satz des Senecæ ſolte bewieſen werden. Es ſcheinet auch/ als wenn er ſelbſt hierin gewancket/ denn wenn er den Neronem will zur Gnade und Sanft-
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ges erlaubt ſey/ davon nachzulaſſen und jemanden/
die nach dem Geſetz verwirckte Straffen zu
ſchencken. Imperatori, ſpricht Auguſtinus, licet
revocare ſententiam & reum mortis abſolvere &
ei ignoſcere, quia non eſt ſubjectus legibus, qui ha-
bet in poteſtate leges ferre. Seneca gibt zwar von
dieſer Gnade eine richtige Beſchreibung/ wenn er
ſagt: venia eſt pœnæ meritæ remiſſio. L. de Clem.
c. VII. er meynet aber/ daß es einem Weiſen nicht
zuſtehe/ ſolche zu ertheilen. Ei ignoſcitur/ ſind
ſeine Worte/ qui puniri debuit, ſapiens autem ni-
hil facit, quod non debet. Es hat aber Hugo
Grotius de Jure B. & P. Lib. II. c. XX. §. XXI.
bereits angemerckt/ daß dieſer Grund ſehr
ſchwach und betrieglich. Wie kan daher/ daß
der Ubertreter ſchuldig iſt/ die Straffe zu leyden/
folgen/ daß der Geſetzgeber ſchuldig ſey/ dieſelbe
von ihm zu nehmen: es wuͤrde auf eben ſolche
Art folgen/ daß weil der Schuldiger ſchuldig iſt zu
bezahlen/ der Glaͤubiger auch ſchuldig und gehal-
ten waͤre/ die Bezahlung anzunehmen. Es muͤſ-
ſen hoͤhere und wichtigere Gruͤnde ſeyn/ dafern
dieſer Satz des Senecæ ſolte bewieſen werden. Es
ſcheinet auch/ als wenn er ſelbſt hierin gewancket/
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