Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.Vorrede. Jrrthümer vor Warheiten, und allerley ab-geschmackte Einfälle gar vor göttliche Einge- bungen angenommen und ausgegeben wer- den. Man verthädiget jezuweilen die unge- reimtsten Meynungen bis aufs Blut, und zwei einander offenbar widersprechende Sätze, da- von einer nohtwendig falsch seyn muß, werden solchergestalt verfochten, daß einjeder den sei- nigen vor unüberwindlich, und denjenigen vor blind, einfältig und verstockt hält, der sol- ches nicht annehmen oder auf einige Weise in Zweiffel ziehen wil. Es ist aber denen Men- schen nicht genug, daß sie selber irren und den Wachsthum ihrer innerlichen Vollenkommen- heit hindern; sondern sie haben auch den schäd- lichen Wahn, ob wären sie verbunden, ihre Ein- fälle andern zugleich bekannt zu machen, und ihren Nechsten die Früchte ihrer Einbildung geniessen zu lassen. Also lassen sie sichs recht sauer werden, das Reich der Finsternüs zu vermehren, und sie meynen Wunder, was sie vor eine heilsame Arbeit ausgerichtet, wenn sie einige blöde Geister an sich ziehen und denen- selben ihre After-Begriffe beybringen können. Sie suchen dieses mit mehrerm oder wenigerm Eyfer ins Werck zu richten, nach dem ihr Zweck und Vorsatz solches zu erfodern scheinet, und dieser hat gemeiniglich seinen Grund in dem Wil-
Vorrede. Jrrthuͤmer vor Warheiten, und allerley ab-geſchmackte Einfaͤlle gar vor goͤttliche Einge- bungen angenommen und ausgegeben wer- den. Man verthaͤdiget jezuweilen die unge- reimtſten Meynungen bis aufs Blut, und zwei einander offenbar widerſprechende Saͤtze, da- von einer nohtwendig falſch ſeyn muß, werden ſolchergeſtalt verfochten, daß einjeder den ſei- nigen vor unuͤberwindlich, und denjenigen vor blind, einfaͤltig und verſtockt haͤlt, der ſol- ches nicht annehmen oder auf einige Weiſe in Zweiffel ziehen wil. Es iſt aber denen Men- ſchen nicht genug, daß ſie ſelber irren und den Wachsthum ihrer innerlichen Vollenkom̃en- heit hindern; ſondern ſie haben auch den ſchaͤd- lichen Wahn, ob waͤren ſie verbunden, ihre Ein- faͤlle andern zugleich bekannt zu machen, und ihren Nechſten die Fruͤchte ihrer Einbildung genieſſen zu laſſen. Alſo laſſen ſie ſichs recht ſauer werden, das Reich der Finſternuͤs zu vermehren, und ſie meynen Wunder, was ſie vor eine heilſame Arbeit ausgerichtet, wenn ſie einige bloͤde Geiſter an ſich ziehen und denen- ſelben ihre After-Begriffe beybringen koͤnnen. Sie ſuchen dieſes mit mehrerm oder wenigerm Eyfer ins Werck zu richten, nach dem ihr Zweck und Vorſatz ſolches zu erfodern ſcheinet, und dieſer hat gemeiniglich ſeinen Grund in dem Wil-
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Vorrede.
Jrrthuͤmer vor Warheiten, und allerley ab-
geſchmackte Einfaͤlle gar vor goͤttliche Einge-
bungen angenommen und ausgegeben wer-
den. Man verthaͤdiget jezuweilen die unge-
reimtſten Meynungen bis aufs Blut, und zwei
einander offenbar widerſprechende Saͤtze, da-
von einer nohtwendig falſch ſeyn muß, werden
ſolchergeſtalt verfochten, daß einjeder den ſei-
nigen vor unuͤberwindlich, und denjenigen
vor blind, einfaͤltig und verſtockt haͤlt, der ſol-
ches nicht annehmen oder auf einige Weiſe in
Zweiffel ziehen wil. Es iſt aber denen Men-
ſchen nicht genug, daß ſie ſelber irren und den
Wachsthum ihrer innerlichen Vollenkom̃en-
heit hindern; ſondern ſie haben auch den ſchaͤd-
lichen Wahn, ob waͤren ſie verbunden, ihre Ein-
faͤlle andern zugleich bekannt zu machen, und
ihren Nechſten die Fruͤchte ihrer Einbildung
genieſſen zu laſſen. Alſo laſſen ſie ſichs recht
ſauer werden, das Reich der Finſternuͤs zu
vermehren, und ſie meynen Wunder, was ſie
vor eine heilſame Arbeit ausgerichtet, wenn ſie
einige bloͤde Geiſter an ſich ziehen und denen-
ſelben ihre After-Begriffe beybringen koͤnnen.
Sie ſuchen dieſes mit mehrerm oder wenigerm
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dieſer hat gemeiniglich ſeinen Grund in dem
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