Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.Vorrede. Willen des Fleisches: Die Begierde, einengrossen Namen in der Welt zu haben; wegen besonderer Einsichten und Schärffe des Ver- standes bewundert zu werden; denen, welchen man übel wil, Verdruß und Unruh zu erre- gen und auch jezuweilen nach Befindung der Umstände denen Einfältigen das Geld aus dem Beutel zu locken, macht die Menschen emsig, sinnreich und hitzig, ihre selbsterwehlte Begriffe als unüberwindliche Warheiten zu verthädigen, und ohne Schaam und Scheu mit Mund und Schriften auszubreiten. Ge- schiehet solches mit einer muntern Schreib- Art, mit einem Spiel-Werck schönklingen- der Wörter und Redens-Arten, wenn sie gleich unverständlich und nichts bedeuten; mit dem Zeugnüß eines Eyfers für die War- heit; der Liebe zu dem Heyl anderer Men- schen; der verbindlichkeit GOttes Ehre aus- zubreiten; so finden solche Leute nicht nur bey vielen Aufmercksamkeit, sondern auch bey et- lichen Glauben und Beyfall. Und diß ist eben nicht zu bewundern. Die wenigsten haben ein Gefühl der Warheit: dahingegen ist der gröste Hauffen zur Leichtgläubigkeit, zu Neue- rungen und zu Veränderungen geneigt. Die Menschen wollen sich immer verbessern; solt es auch selbst in der Religion und denen Glau- a 2
Vorrede. Willen des Fleiſches: Die Begierde, einengroſſen Namen in der Welt zu haben; wegen beſonderer Einſichten und Schaͤrffe des Ver- ſtandes bewundert zu werden; denen, welchen man uͤbel wil, Verdruß und Unruh zu erre- gen und auch jezuweilen nach Befindung der Umſtaͤnde denen Einfaͤltigen das Geld aus dem Beutel zu locken, macht die Menſchen emſig, ſinnreich und hitzig, ihre ſelbſterwehlte Begriffe als unuͤberwindliche Warheiten zu verthaͤdigen, und ohne Schaam und Scheu mit Mund und Schriften auszubreiten. Ge- ſchiehet ſolches mit einer muntern Schreib- Art, mit einem Spiel-Werck ſchoͤnklingen- der Woͤrter und Redens-Arten, wenn ſie gleich unverſtaͤndlich und nichts bedeuten; mit dem Zeugnuͤß eines Eyfers fuͤr die War- heit; der Liebe zu dem Heyl anderer Men- ſchen; der verbindlichkeit GOttes Ehre aus- zubreiten; ſo finden ſolche Leute nicht nur bey vielen Aufmerckſamkeit, ſondern auch bey et- lichen Glauben und Beyfall. Und diß iſt eben nicht zu bewundern. Die wenigſten haben ein Gefuͤhl der Warheit: dahingegen iſt der groͤſte Hauffen zur Leichtglaͤubigkeit, zu Neue- rungen und zu Veraͤnderungen geneigt. Die Menſchen wollen ſich immer verbeſſern; ſolt es auch ſelbſt in der Religion und denen Glau- a 2
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Vorrede.
Willen des Fleiſches: Die Begierde, einen
groſſen Namen in der Welt zu haben; wegen
beſonderer Einſichten und Schaͤrffe des Ver-
ſtandes bewundert zu werden; denen, welchen
man uͤbel wil, Verdruß und Unruh zu erre-
gen und auch jezuweilen nach Befindung der
Umſtaͤnde denen Einfaͤltigen das Geld aus
dem Beutel zu locken, macht die Menſchen
emſig, ſinnreich und hitzig, ihre ſelbſterwehlte
Begriffe als unuͤberwindliche Warheiten zu
verthaͤdigen, und ohne Schaam und Scheu
mit Mund und Schriften auszubreiten. Ge-
ſchiehet ſolches mit einer muntern Schreib-
Art, mit einem Spiel-Werck ſchoͤnklingen-
der Woͤrter und Redens-Arten, wenn ſie
gleich unverſtaͤndlich und nichts bedeuten;
mit dem Zeugnuͤß eines Eyfers fuͤr die War-
heit; der Liebe zu dem Heyl anderer Men-
ſchen; der verbindlichkeit GOttes Ehre aus-
zubreiten; ſo finden ſolche Leute nicht nur bey
vielen Aufmerckſamkeit, ſondern auch bey et-
lichen Glauben und Beyfall. Und diß iſt eben
nicht zu bewundern. Die wenigſten haben
ein Gefuͤhl der Warheit: dahingegen iſt der
groͤſte Hauffen zur Leichtglaͤubigkeit, zu Neue-
rungen und zu Veraͤnderungen geneigt. Die
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