Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.
Vorrede. beurtheilen lassen. Die Glaubens-Warhei-ten von unserer Seligkeit müssen freylich in Gottes Wort gesuchet werden: es ist aber dabey für sich klar, daß solches suchen ohne den rechten Gebrauch unserer Seelen Kräfte un- möglich geschehen könne: ja in der Schrift wer- den viele Warheiten, die mit der Ordnung des Heyls eine genaue Verbindung haben, als solche, die man aus dem Licht der Natur mit zulänglicher Uberführung erkennen kan, voraus gesetzt. Eine jede Uberzeugung also, die in der Seele entstehen soll, muß entweder aus der Vernunft oder aus der Schrift den Ursprung nehmen. Die Uberzeugung aus blosser Vernunft kennet man bey dem nohtwendigen Beyfall. Man muß die Warheit solchergestalt empfinden, daß es nicht in unser Gewalt stehe, dieselbe mehr zu leugnen. Die höchste Stuffe der Uberzeugung ist, wenn wir überführt, daß das Gegentheil unmöglich. Mit der Uberzeugung aus der Schrift muß Be- a 4
Vorrede. beurtheilen laſſen. Die Glaubens-Warhei-ten von unſerer Seligkeit muͤſſen freylich in Gottes Wort geſuchet werden: es iſt aber dabey fuͤr ſich klar, daß ſolches ſuchen ohne den rechten Gebrauch unſerer Seelen Kraͤfte un- moͤglich geſchehen koͤnne: ja in der Schrift wer- den viele Warheiten, die mit der Ordnung des Heyls eine genaue Verbindung haben, als ſolche, die man aus dem Licht der Natur mit zulaͤnglicher Uberfuͤhrung erkennen kan, voraus geſetzt. Eine jede Uberzeugung alſo, die in der Seele entſtehen ſoll, muß entweder aus der Vernunft oder aus der Schrift den Urſprung nehmen. Die Uberzeugung aus bloſſer Vernunft kennet man bey dem nohtwendigen Beyfall. Man muß die Warheit ſolchergeſtalt empfinden, daß es nicht in unſer Gewalt ſtehe, dieſelbe mehr zu leugnen. Die hoͤchſte Stuffe der Uberzeugung iſt, wenn wir uͤberfuͤhrt, daß das Gegentheil unmoͤglich. Mit der Uberzeugung aus der Schrift muß Be- a 4
<TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0019" n="7"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/> beurtheilen laſſen. Die Glaubens-Warhei-<lb/> ten von unſerer Seligkeit muͤſſen freylich in<lb/> Gottes Wort geſuchet werden: es iſt aber<lb/> dabey fuͤr ſich klar, daß ſolches ſuchen ohne den<lb/> rechten Gebrauch unſerer Seelen Kraͤfte un-<lb/> moͤglich geſchehen koͤnne: ja in der Schrift wer-<lb/> den viele Warheiten, die mit der Ordnung<lb/> des Heyls eine genaue Verbindung haben,<lb/> als ſolche, die man aus dem Licht der Natur<lb/> mit zulaͤnglicher Uberfuͤhrung erkennen kan,<lb/> voraus geſetzt. Eine jede Uberzeugung alſo,<lb/> die in der Seele entſtehen ſoll, muß entweder<lb/> aus der Vernunft oder aus der Schrift den<lb/> Urſprung nehmen. Die <hi rendition="#fr">Uberzeugung aus<lb/> bloſſer Vernunft</hi> kennet man bey <hi rendition="#fr">dem<lb/> nohtwendigen Beyfall.</hi> Man muß die<lb/> Warheit ſolchergeſtalt empfinden, daß es nicht<lb/> in unſer Gewalt ſtehe, dieſelbe mehr zu leugnen.<lb/> Die hoͤchſte Stuffe der Uberzeugung iſt, wenn<lb/> wir uͤberfuͤhrt, daß das Gegentheil unmoͤglich.</p><lb/> <p>Mit der Uberzeugung aus der Schrift muß<lb/> es der Natur der Sachen nach freylich eine<lb/> andere Beſchaffenheit haben. Hie kommt<lb/> es darauf an, daß wir unter denen Woͤrtern<lb/> und Redens-Arten uns die Begriffe machen,<lb/> welche die Verfaſſer darin haben ausdruͤcken<lb/> wollen. Sie haben ihre Begriffe in Woͤrter,<lb/> und der Leſer muß die Woͤrter wiederum in<lb/> <fw place="bottom" type="sig">a 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Be-</fw><lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [7/0019]
Vorrede.
beurtheilen laſſen. Die Glaubens-Warhei-
ten von unſerer Seligkeit muͤſſen freylich in
Gottes Wort geſuchet werden: es iſt aber
dabey fuͤr ſich klar, daß ſolches ſuchen ohne den
rechten Gebrauch unſerer Seelen Kraͤfte un-
moͤglich geſchehen koͤnne: ja in der Schrift wer-
den viele Warheiten, die mit der Ordnung
des Heyls eine genaue Verbindung haben,
als ſolche, die man aus dem Licht der Natur
mit zulaͤnglicher Uberfuͤhrung erkennen kan,
voraus geſetzt. Eine jede Uberzeugung alſo,
die in der Seele entſtehen ſoll, muß entweder
aus der Vernunft oder aus der Schrift den
Urſprung nehmen. Die Uberzeugung aus
bloſſer Vernunft kennet man bey dem
nohtwendigen Beyfall. Man muß die
Warheit ſolchergeſtalt empfinden, daß es nicht
in unſer Gewalt ſtehe, dieſelbe mehr zu leugnen.
Die hoͤchſte Stuffe der Uberzeugung iſt, wenn
wir uͤberfuͤhrt, daß das Gegentheil unmoͤglich.
Mit der Uberzeugung aus der Schrift muß
es der Natur der Sachen nach freylich eine
andere Beſchaffenheit haben. Hie kommt
es darauf an, daß wir unter denen Woͤrtern
und Redens-Arten uns die Begriffe machen,
welche die Verfaſſer darin haben ausdruͤcken
wollen. Sie haben ihre Begriffe in Woͤrter,
und der Leſer muß die Woͤrter wiederum in
Be-
a 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/19 |
| Zitationshilfe: | Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/19>, abgerufen am 03.12.2024. |
