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Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.

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nehmen lasterhafte Menschen aus der Langmüh-
tigkeit Gottes noch vielmehr einen Schein-Grund/
das Gemüht bey ihren Sünden einzuschläffern:
Wie läst sich aber daher behaupten/ daß GOttes
Langmuht den Lastern die Thür öfne?

Jmmittelst ist es eine unstreitige Warheit/
daß nach der Beschaffenheit des Dippelschen Sy-
stematis
denen sündlichen Neigungen der Men-
schen viel Raum und Platz gemacht werde. Es
wird darin dem Heyland der Welt die Achtung/
welche ihm als Mittlern zwischen GOtt und
Menschen gehöret genommen und davor ein Be-
griff substituiret/ der ihn so weit herunter setzt/ daß
er mit seinen Aposteln und Märtyrern fast in ei-
ne Classe kommt/ und ihm wenig mehr übrig bleibt
als daß er etwa primus inter pares (Erl. quaest. 67.)
J. C. Dippel siehet die Vergebung der Sünden
nicht als Gnaden-Werck Gottes an; Er meynet
die begange Sünden fallen bey der Sinnes-An-
derung von selbst weg. Damit gehen also alle
Begriff/ die wir uns von Christo als dem Sün-
den-Büsser machen/ auf einmahl fort. Sie kön-
nen folglich auch das Gemüht nicht zur Gegen-
Liebe bewegen. Alle Vorstellungen/ daß der Hey-
land unter der Last unserer Missethaten sich für
uns in den Todt dahin gegeben/ gelten nichts. Da-
mit sind dann auch die Bewegungs-Gründe/
welche die Schrifft selbst für die kräftigsten aus-
gibt (2 Cor. V. 15. Eph. V. 2. Col. III. 5. Tit. II.
14.) verlohren. Diese Dippelsche Lehre muß

über



nehmen laſterhafte Menſchen aus der Langmuͤh-
tigkeit Gottes noch vielmehr einen Schein-Grund/
das Gemuͤht bey ihren Suͤnden einzuſchlaͤffern:
Wie laͤſt ſich aber daher behaupten/ daß GOttes
Langmuht den Laſtern die Thuͤr oͤfne?

Jmmittelſt iſt es eine unſtreitige Warheit/
daß nach der Beſchaffenheit des Dippelſchen Sy-
ſtematis
denen ſuͤndlichen Neigungen der Men-
ſchen viel Raum und Platz gemacht werde. Es
wird darin dem Heyland der Welt die Achtung/
welche ihm als Mittlern zwiſchen GOtt und
Menſchen gehoͤret genommen und davor ein Be-
griff ſubſtituiret/ der ihn ſo weit herunter ſetzt/ daß
er mit ſeinen Apoſteln und Maͤrtyrern faſt in ei-
ne Claſſe kommt/ und ihm wenig mehr uͤbrig bleibt
als daß er etwa primus inter pares (Erl. quæſt. 67.)
J. C. Dippel ſiehet die Vergebung der Suͤnden
nicht als Gnaden-Werck Gottes an; Er meynet
die begange Suͤnden fallen bey der Sinnes-An-
derung von ſelbſt weg. Damit gehen alſo alle
Begriff/ die wir uns von Chriſto als dem Suͤn-
den-Buͤſſer machen/ auf einmahl fort. Sie koͤn-
nen folglich auch das Gemuͤht nicht zur Gegen-
Liebe bewegen. Alle Vorſtellungen/ daß der Hey-
land unter der Laſt unſerer Miſſethaten ſich fuͤr
uns in den Todt dahin gegeben/ gelten nichts. Da-
mit ſind dann auch die Bewegungs-Gruͤnde/
welche die Schrifft ſelbſt fuͤr die kraͤftigſten aus-
gibt (2 Cor. V. 15. Eph. V. 2. Col. III. 5. Tit. II.
14.) verlohren. Dieſe Dippelſche Lehre muß

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[164/0216] nehmen laſterhafte Menſchen aus der Langmuͤh- tigkeit Gottes noch vielmehr einen Schein-Grund/ das Gemuͤht bey ihren Suͤnden einzuſchlaͤffern: Wie laͤſt ſich aber daher behaupten/ daß GOttes Langmuht den Laſtern die Thuͤr oͤfne? Jmmittelſt iſt es eine unſtreitige Warheit/ daß nach der Beſchaffenheit des Dippelſchen Sy- ſtematis denen ſuͤndlichen Neigungen der Men- ſchen viel Raum und Platz gemacht werde. Es wird darin dem Heyland der Welt die Achtung/ welche ihm als Mittlern zwiſchen GOtt und Menſchen gehoͤret genommen und davor ein Be- griff ſubſtituiret/ der ihn ſo weit herunter ſetzt/ daß er mit ſeinen Apoſteln und Maͤrtyrern faſt in ei- ne Claſſe kommt/ und ihm wenig mehr uͤbrig bleibt als daß er etwa primus inter pares (Erl. quæſt. 67.) J. C. Dippel ſiehet die Vergebung der Suͤnden nicht als Gnaden-Werck Gottes an; Er meynet die begange Suͤnden fallen bey der Sinnes-An- derung von ſelbſt weg. Damit gehen alſo alle Begriff/ die wir uns von Chriſto als dem Suͤn- den-Buͤſſer machen/ auf einmahl fort. Sie koͤn- nen folglich auch das Gemuͤht nicht zur Gegen- Liebe bewegen. Alle Vorſtellungen/ daß der Hey- land unter der Laſt unſerer Miſſethaten ſich fuͤr uns in den Todt dahin gegeben/ gelten nichts. Da- mit ſind dann auch die Bewegungs-Gruͤnde/ welche die Schrifft ſelbſt fuͤr die kraͤftigſten aus- gibt (2 Cor. V. 15. Eph. V. 2. Col. III. 5. Tit. II. 14.) verlohren. Dieſe Dippelſche Lehre muß uͤber

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Zitationshilfe: Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/216>, abgerufen am 21.11.2024.