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Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.

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richtet/ nicht aber bey demjenigen/ zu welchem es
gerichtet ist. l. c. p. 51. von Christo sagt er zwar/
daß er uns von der Sünde selbst errette und den Geist
aus den Lüsten dieser Welt befreye und in das Himmli-
sche Wesen versetze.
p. 104. Fragt man aber genau
nach/ wie solches geschehe/ so kommt es wieder auf
die Consilia medica von der Liebe an. Also verlangt
Christus alles und gibt nichts. Er sagt zwar:
Christus habe durch Gehorsahm und Leyden durch Absti-
nen
tz und Verleugnung seine augenommenen Menschheit
in das göttliche Wesen versetzet/ nicht als durch Verdienste/
sondern als durch unumgängliche
Medicinen und Con-
ditiones
die verlohrne Seligkeit wiederum in die Creatur
einzuführen.
Aber wer kan sich hieraus den Begriff
machen/ daß ein solcher Christus uns wozu nütz
sey? (quaest. 68. p. 164.) Alles/ was sich nach diesem Di-
scurs
gedencken läst/ bestehet darin/ daß man an
Christi Exempel/ sehen könne/ wie man die Tugend
unter Creutz und Leyden üben müsse. Nach dem
Dippelschen Systemate kan auch dem Menschen zur
Vermehrung seiner innerlichen Stärcke nichts ge-
geben werden/ denn vermöge der Freyheit hat er
schon alles. Es fehlet ihm nicht am Vollenbrin-
gen/ wenn er nur das Wollen hat. Er kan/ wenn
er will. p. 17. Da nun solcher Jrrthum die
Menschen in dem Wahn von eigener Krafft er-
hält; so müssen sie die Mittel/ wodurch solche soll
gestärcket werden/ gering achten. Jn dem sie aber
gleichwol schwach sind; so müssen sie in ihrem
natürlichen Elende und Verderben stecken blei-
ben. Also ist ein Dippelscher Christ so weit von

GOtt
M 3



richtet/ nicht aber bey demjenigen/ zu welchem es
gerichtet iſt. l. c. p. 51. von Chriſto ſagt er zwar/
daß er uns von der Suͤnde ſelbſt errette und den Geiſt
aus den Luͤſten dieſer Welt befreye und in das Himmli-
ſche Weſen verſetze.
p. 104. Fragt man aber genau
nach/ wie ſolches geſchehe/ ſo kommt es wieder auf
die Conſilia medica von der Liebe an. Alſo verlangt
Chriſtus alles und gibt nichts. Er ſagt zwar:
Chriſtus habe durch Gehorſahm und Leyden durch Abſti-
nen
tz und Verleugnung ſeine augenommenen Menſchheit
in das goͤttliche Weſen verſetzet/ nicht als durch Verdienſte/
ſondern als durch unumgaͤngliche
Medicinen und Con-
ditiones
die verlohrne Seligkeit wiederum in die Creatur
einzufuͤhren.
Aber wer kan ſich hieraus den Begriff
machen/ daß ein ſolcher Chriſtus uns wozu nuͤtz
ſey? (quæſt. 68. p. 164.) Alles/ was ſich nach dieſem Di-
ſcurs
gedencken laͤſt/ beſtehet darin/ daß man an
Chriſti Exempel/ ſehen koͤnne/ wie man die Tugend
unter Creutz und Leyden uͤben muͤſſe. Nach dem
Dippelſchen Syſtemate kan auch dem Menſchen zur
Vermehrung ſeiner innerlichen Staͤrcke nichts ge-
geben werden/ denn vermoͤge der Freyheit hat er
ſchon alles. Es fehlet ihm nicht am Vollenbrin-
gen/ wenn er nur das Wollen hat. Er kan/ wenn
er will. p. 17. Da nun ſolcher Jrrthum die
Menſchen in dem Wahn von eigener Krafft er-
haͤlt; ſo muͤſſen ſie die Mittel/ wodurch ſolche ſoll
geſtaͤrcket werden/ gering achten. Jn dem ſie aber
gleichwol ſchwach ſind; ſo muͤſſen ſie in ihrem
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M 3
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[181/0233] richtet/ nicht aber bey demjenigen/ zu welchem es gerichtet iſt. l. c. p. 51. von Chriſto ſagt er zwar/ daß er uns von der Suͤnde ſelbſt errette und den Geiſt aus den Luͤſten dieſer Welt befreye und in das Himmli- ſche Weſen verſetze. p. 104. Fragt man aber genau nach/ wie ſolches geſchehe/ ſo kommt es wieder auf die Conſilia medica von der Liebe an. Alſo verlangt Chriſtus alles und gibt nichts. Er ſagt zwar: Chriſtus habe durch Gehorſahm und Leyden durch Abſti- nentz und Verleugnung ſeine augenommenen Menſchheit in das goͤttliche Weſen verſetzet/ nicht als durch Verdienſte/ ſondern als durch unumgaͤngliche Medicinen und Con- ditiones die verlohrne Seligkeit wiederum in die Creatur einzufuͤhren. Aber wer kan ſich hieraus den Begriff machen/ daß ein ſolcher Chriſtus uns wozu nuͤtz ſey? (quæſt. 68. p. 164.) Alles/ was ſich nach dieſem Di- ſcurs gedencken laͤſt/ beſtehet darin/ daß man an Chriſti Exempel/ ſehen koͤnne/ wie man die Tugend unter Creutz und Leyden uͤben muͤſſe. Nach dem Dippelſchen Syſtemate kan auch dem Menſchen zur Vermehrung ſeiner innerlichen Staͤrcke nichts ge- geben werden/ denn vermoͤge der Freyheit hat er ſchon alles. Es fehlet ihm nicht am Vollenbrin- gen/ wenn er nur das Wollen hat. Er kan/ wenn er will. p. 17. Da nun ſolcher Jrrthum die Menſchen in dem Wahn von eigener Krafft er- haͤlt; ſo muͤſſen ſie die Mittel/ wodurch ſolche ſoll geſtaͤrcket werden/ gering achten. Jn dem ſie aber gleichwol ſchwach ſind; ſo muͤſſen ſie in ihrem natuͤrlichen Elende und Verderben ſtecken blei- ben. Alſo iſt ein Dippelſcher Chriſt ſo weit von GOtt M 3

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Zitationshilfe: Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/233>, abgerufen am 21.11.2024.