Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.

Bild:
<< vorherige Seite


XIV.
Ob nicht/ da der Mensch vermö-
ge der Freyheit auf unterschiedliche
Art und Weise sein Thun und Las-
sen einrichten und seinen Willen be-
stimmen kan/ unter allen mögli-
chen eine müsse die Beste und Vol-
lenkommenste seyn?

Erläuterung.

Der in dieser Frage enthaltene Satz wird
von dem/ der ihn recht einsieht/ nicht geleugnet
werden mögen. Die Würckungen unserer Thaten
geben zur Genüge zu erkennen/ daß sie/ was die
Güte derselben betrifft/ sich nicht einander gleich
sind. Es kan unmöglich einerley seyn/ ob man
seines Nechsten Weib beschläfft oder dasselbe
von der Unkeuschheit abmahnet: ob man jemand
sein Geld nimmt/ oder ihm einen Allmosen rei-
chet: ob man jemand Wunden schlägt/ oder ihm
dieselbe verbindet. Sind also die Thaten nicht
von gleicher Art; so müssen etliche in ihrer Gat-
tung die Besten seyn/ welche wir tugendhaft
nennen: daß sie aber solche werden/ muß kein ei-
niger Umstand/ der ihre Vollenkommenheit aus-
macht/ fehlen. Schomeri Theol. mor. C. II. §. 3.
Sie sind also von denen übrigen/ die man Laster-
hafft nennet/ wie das Vollenkommene von dem

Un-


XIV.
Ob nicht/ da der Menſch vermoͤ-
ge der Freyheit auf unterſchiedliche
Art und Weiſe ſein Thun und Laſ-
ſen einrichten und ſeinen Willen be-
ſtimmen kan/ unter allen moͤgli-
chen eine muͤſſe die Beſte und Vol-
lenkommenſte ſeyn?

Erlaͤuterung.

Der in dieſer Frage enthaltene Satz wird
von dem/ der ihn recht einſieht/ nicht geleugnet
werden moͤgen. Die Wuͤrckungen unſerer Thaten
geben zur Genuͤge zu erkennen/ daß ſie/ was die
Guͤte derſelben betrifft/ ſich nicht einander gleich
ſind. Es kan unmoͤglich einerley ſeyn/ ob man
ſeines Nechſten Weib beſchlaͤfft oder daſſelbe
von der Unkeuſchheit abmahnet: ob man jemand
ſein Geld nimmt/ oder ihm einen Allmoſen rei-
chet: ob man jemand Wunden ſchlaͤgt/ oder ihm
dieſelbe verbindet. Sind alſo die Thaten nicht
von gleicher Art; ſo muͤſſen etliche in ihrer Gat-
tung die Beſten ſeyn/ welche wir tugendhaft
nennen: daß ſie aber ſolche werden/ muß kein ei-
niger Umſtand/ der ihre Vollenkommenheit aus-
macht/ fehlen. Schomeri Theol. mor. C. II. §. 3.
Sie ſind alſo von denen uͤbrigen/ die man Laſter-
hafft nennet/ wie das Vollenkommene von dem

Un-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0078" n="26"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">XIV.</hi><lb/> <hi rendition="#b">Ob nicht/ da der Men&#x017F;ch vermo&#x0364;-<lb/>
ge der Freyheit auf unter&#x017F;chiedliche<lb/>
Art und Wei&#x017F;e &#x017F;ein Thun und La&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en einrichten und &#x017F;einen Willen be-<lb/>
&#x017F;timmen kan/ unter allen mo&#x0364;gli-<lb/>
chen eine mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e die Be&#x017F;te und Vol-<lb/>
lenkommen&#x017F;te &#x017F;eyn?</hi> </head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Erla&#x0364;uterung.</hi> </hi> </p><lb/>
          <p>Der in die&#x017F;er Frage enthaltene Satz wird<lb/>
von dem/ der ihn recht ein&#x017F;ieht/ nicht geleugnet<lb/>
werden mo&#x0364;gen. Die Wu&#x0364;rckungen un&#x017F;erer Thaten<lb/>
geben zur Genu&#x0364;ge zu erkennen/ daß &#x017F;ie/ was die<lb/>
Gu&#x0364;te der&#x017F;elben betrifft/ &#x017F;ich nicht einander gleich<lb/>
&#x017F;ind. Es kan unmo&#x0364;glich einerley &#x017F;eyn/ ob man<lb/>
&#x017F;eines Nech&#x017F;ten Weib be&#x017F;chla&#x0364;fft oder da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
von der Unkeu&#x017F;chheit abmahnet: ob man jemand<lb/>
&#x017F;ein Geld nimmt/ oder ihm einen Allmo&#x017F;en rei-<lb/>
chet: ob man jemand Wunden &#x017F;chla&#x0364;gt/ oder ihm<lb/>
die&#x017F;elbe verbindet. Sind al&#x017F;o die Thaten nicht<lb/>
von gleicher Art; &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en etliche in ihrer Gat-<lb/>
tung die Be&#x017F;ten &#x017F;eyn/ welche wir tugendhaft<lb/>
nennen: daß &#x017F;ie aber &#x017F;olche werden/ muß kein ei-<lb/>
niger Um&#x017F;tand/ der ihre Vollenkommenheit aus-<lb/>
macht/ fehlen. <hi rendition="#aq">Schomeri Theol. mor. C. II.</hi> §. 3.<lb/>
Sie &#x017F;ind al&#x017F;o von denen u&#x0364;brigen/ die man La&#x017F;ter-<lb/>
hafft nennet/ wie das Vollenkommene von dem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Un-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0078] XIV. Ob nicht/ da der Menſch vermoͤ- ge der Freyheit auf unterſchiedliche Art und Weiſe ſein Thun und Laſ- ſen einrichten und ſeinen Willen be- ſtimmen kan/ unter allen moͤgli- chen eine muͤſſe die Beſte und Vol- lenkommenſte ſeyn? Erlaͤuterung. Der in dieſer Frage enthaltene Satz wird von dem/ der ihn recht einſieht/ nicht geleugnet werden moͤgen. Die Wuͤrckungen unſerer Thaten geben zur Genuͤge zu erkennen/ daß ſie/ was die Guͤte derſelben betrifft/ ſich nicht einander gleich ſind. Es kan unmoͤglich einerley ſeyn/ ob man ſeines Nechſten Weib beſchlaͤfft oder daſſelbe von der Unkeuſchheit abmahnet: ob man jemand ſein Geld nimmt/ oder ihm einen Allmoſen rei- chet: ob man jemand Wunden ſchlaͤgt/ oder ihm dieſelbe verbindet. Sind alſo die Thaten nicht von gleicher Art; ſo muͤſſen etliche in ihrer Gat- tung die Beſten ſeyn/ welche wir tugendhaft nennen: daß ſie aber ſolche werden/ muß kein ei- niger Umſtand/ der ihre Vollenkommenheit aus- macht/ fehlen. Schomeri Theol. mor. C. II. §. 3. Sie ſind alſo von denen uͤbrigen/ die man Laſter- hafft nennet/ wie das Vollenkommene von dem Un-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/78
Zitationshilfe: Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/78>, abgerufen am 26.11.2024.