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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Deß Academischen
wol fort. Wann sie Abends schlaffen giengen/ wur-
den sie nach kleinen dunckelen Koyn geführet/ da
Zween und Zween in einem schlechten Bette vorlieb
nehmen musten. Hielten sich nun diese Gefangenen
wol/ und der Wirth hatte keinen Verdacht auf sie/
so ließ er sie wol bißweilen außgehen/ und solcher Ge-
stalt gieng Venereus offt auß/ jedoch daß er allwege
seine schwere Kette am Fuß schleppete/ welche er aber
aufzuziehen wuste/ daß man sie nicht viel rappeln hö-
rete. Solcher Gestalt machte er sich bekandt in der
Stadt/ und sammlete noch offt einen Pfenning/ den
er extra verzehren kunte.

Als einsmahls Troll in der Nacht bey ihm lag/
klagte derselbe über grosse Bauch-Schmertzen/ und
wünschete nichts mehr/ als ein Trüncklein Brandte-
wein. Venereus sprach: Gut/ gut/ darzu wollen wir
schon kommen/ er sprang auf/ nahm einen langen
schmahlen Strick/ und band eine kleine gläserne Fla-
sche daran/ steckete solche durch das eyserne Gitter-
werck eines Mauerlochs hinauß/ und schrye: Gückery
kü/ kü/ wie ein junger Hahn. Die in dem andern
Kayn wusten nicht/ was solches bedeutete/ laureten
demnach fleissig auf. Troll selber fragete: Was er
damit wolte. Ach ihr seyd wol einfältig/ sprach Vene-
reus,
ihr könt ja wol gedencken/ daß das geile Frauen-
zimmer auf solch Hahnen-Geschrey bald erwachet/
ich habe mit unserer Nachbarin selber deßfalls schon
Abrede genommen/ und wann ich das Hahnen-Ge-
schrey beginne/ so wird sie bald mit Brandtewein
hertretten. Wie er nun inzwischen den Strick mit
der Flaschen hinab lässet/ bricht derselbe/ und die Fla-
sche fället an Stücken. Venereus nicht falu/ erwischte
einen Hut/ welcher einen zarten Bind-Faden um
sich hatte/ solchen lösete er ab/ und ließ ihn zum Loch

hinauß/

Deß Academiſchen
wol fort. Wann ſie Abends ſchlaffen giengen/ wur-
den ſie nach kleinen dunckelen Koyn gefuͤhret/ da
Zween und Zween in einem ſchlechten Bette vorlieb
nehmen muſten. Hielten ſich nun dieſe Gefangenen
wol/ und der Wirth hatte keinen Verdacht auf ſie/
ſo ließ er ſie wol bißweilen außgehen/ und ſolcher Ge-
ſtalt gieng Venereus offt auß/ jedoch daß er allwege
ſeine ſchwere Kette am Fuß ſchleppete/ welche er aber
aufzuziehen wuſte/ daß man ſie nicht viel rappeln hoͤ-
rete. Solcher Geſtalt machte er ſich bekandt in der
Stadt/ und ſammlete noch offt einen Pfenning/ den
er extra verzehren kunte.

Als einsmahls Troll in der Nacht bey ihm lag/
klagte derſelbe uͤber groſſe Bauch-Schmertzen/ und
wuͤnſchete nichts mehr/ als ein Truͤncklein Brandte-
wein. Venereus ſprach: Gut/ gut/ darzu wollen wir
ſchon kommen/ er ſprang auf/ nahm einen langen
ſchmahlen Strick/ und band eine kleine glaͤſerne Fla-
ſche daran/ ſteckete ſolche durch das eyſerne Gitter-
werck eines Mauerlochs hinauß/ und ſchrye: Guͤckery
kuͤ/ kuͤ/ wie ein junger Hahn. Die in dem andern
Kayn wuſten nicht/ was ſolches bedeutete/ laureten
demnach fleiſſig auf. Troll ſelber fragete: Was er
damit wolte. Ach ihr ſeyd wol einfaͤltig/ ſprach Vene-
reus,
ihr koͤnt ja wol gedencken/ daß das geile Frauen-
zimmer auf ſolch Hahnen-Geſchrey bald erwachet/
ich habe mit unſerer Nachbarin ſelber deßfalls ſchon
Abrede genommen/ und wann ich das Hahnen-Ge-
ſchrey beginne/ ſo wird ſie bald mit Brandtewein
hertretten. Wie er nun inzwiſchen den Strick mit
der Flaſchen hinab laͤſſet/ bricht derſelbe/ und die Fla-
ſche faͤllet an Stuͤcken. Venereus nicht falu/ erwiſchte
einen Hut/ welcher einen zarten Bind-Faden um
ſich hatte/ ſolchen loͤſete er ab/ und ließ ihn zum Loch

hinauß/
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[1024/1046] Deß Academiſchen wol fort. Wann ſie Abends ſchlaffen giengen/ wur- den ſie nach kleinen dunckelen Koyn gefuͤhret/ da Zween und Zween in einem ſchlechten Bette vorlieb nehmen muſten. Hielten ſich nun dieſe Gefangenen wol/ und der Wirth hatte keinen Verdacht auf ſie/ ſo ließ er ſie wol bißweilen außgehen/ und ſolcher Ge- ſtalt gieng Venereus offt auß/ jedoch daß er allwege ſeine ſchwere Kette am Fuß ſchleppete/ welche er aber aufzuziehen wuſte/ daß man ſie nicht viel rappeln hoͤ- rete. Solcher Geſtalt machte er ſich bekandt in der Stadt/ und ſammlete noch offt einen Pfenning/ den er extra verzehren kunte. Als einsmahls Troll in der Nacht bey ihm lag/ klagte derſelbe uͤber groſſe Bauch-Schmertzen/ und wuͤnſchete nichts mehr/ als ein Truͤncklein Brandte- wein. Venereus ſprach: Gut/ gut/ darzu wollen wir ſchon kommen/ er ſprang auf/ nahm einen langen ſchmahlen Strick/ und band eine kleine glaͤſerne Fla- ſche daran/ ſteckete ſolche durch das eyſerne Gitter- werck eines Mauerlochs hinauß/ und ſchrye: Guͤckery kuͤ/ kuͤ/ wie ein junger Hahn. Die in dem andern Kayn wuſten nicht/ was ſolches bedeutete/ laureten demnach fleiſſig auf. Troll ſelber fragete: Was er damit wolte. Ach ihr ſeyd wol einfaͤltig/ ſprach Vene- reus, ihr koͤnt ja wol gedencken/ daß das geile Frauen- zimmer auf ſolch Hahnen-Geſchrey bald erwachet/ ich habe mit unſerer Nachbarin ſelber deßfalls ſchon Abrede genommen/ und wann ich das Hahnen-Ge- ſchrey beginne/ ſo wird ſie bald mit Brandtewein hertretten. Wie er nun inzwiſchen den Strick mit der Flaſchen hinab laͤſſet/ bricht derſelbe/ und die Fla- ſche faͤllet an Stuͤcken. Venereus nicht falu/ erwiſchte einen Hut/ welcher einen zarten Bind-Faden um ſich hatte/ ſolchen loͤſete er ab/ und ließ ihn zum Loch hinauß/

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 1024. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/1046>, abgerufen am 22.11.2024.