Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

Bild:
<< vorherige Seite

Deß Academischen
vorbey/ daß er vor sie kam. Der Printz forschete/ was
solches bedeute? Er aber gab zur Antwort: Omnium
rerum vicissitudo,
alles hat seine Abwechslung; Deß
Tages reitet ihr vor/ und ich hinten nach/ so muß ich
deß Nachts ja auch den Vorzug haben/ folget mir
nur getreulich nach/ ego fidus ero vester praecursor.

Sie liessen ihn seines Weges reiten/ aber es
währete nicht lange/ da burtzelte er mit seinem Pferd
über einen Stein hin/ daß er zu Boden fiel/ wie ein
Klotz. Der Printz fragte ihn/ wie ihm geschehe? was
ihm schade? wo er geblieben wäre? Er antwortete
nichts anders/ als: Ita est illustrissimo Signoro. Wor-
auf Jener fortfuhr: Lebst du noch/ oder bist du todt?
bist du von dir selber gefallen/ oder hat dich das Pferd
herab geworffen? Miror sane, war seine Antwort/
daß ihr mich in einer Stock-finstern Nacht über zehe-
nerley Sachen fraget/ ich wolte/ daß ihr an meiner
Stelle läget/ so wolte ich sehen/ ob ihr auf alle solche
wunderliche Fragen im Finstern eine gnugsame Ant-
wort finden möchtet. Jch aber wil euch meine Mey-
nung kürtzlich sagen: Distinguendo inter voluntatem
spontaneam & coactam,
der Wille deß Menschen ist
bald freywillig/ bald gezwungen/ in diesem Fall war
mein Wille gezwungen/ dann/ wie mein Pferd stürtze-
te/ da wolte ich mich nicht wägern/ auch herab zu sin-
cken/ weil ich besorgete/ das Pferd würde mich sonsten
gar unter die Füsse bekommen haben/ das mir das
Hertz im Leib geknacket/ die Ribben geborsten/ der
Bauch zerschmettert/ die Leber und Lunge zerdrücket/
die Nieren zermalmet/ alle Blut-Adern zerquetschet/
und der gantze Leib von Blut und Blut besudelt wä-
re/ darüber wäre ich alsdann ipsissimo Menschen-
Fressori zu Theil worden/ und ihr hättet leicht bey den
Umligenden können querellirt/ oder angegeben wer-

den/

Deß Academiſchen
vorbey/ daß er vor ſie kam. Der Printz forſchete/ was
ſolches bedeute? Er aber gab zur Antwort: Omnium
rerum viciſſitudo,
alles hat ſeine Abwechslung; Deß
Tages reitet ihr vor/ und ich hinten nach/ ſo muß ich
deß Nachts ja auch den Vorzug haben/ folget mir
nur getreulich nach/ ego fidus ero veſter præcurſor.

Sie lieſſen ihn ſeines Weges reiten/ aber es
waͤhrete nicht lange/ da burtzelte er mit ſeinem Pferd
uͤber einen Stein hin/ daß er zu Boden fiel/ wie ein
Klotz. Der Printz fragte ihn/ wie ihm geſchehe? was
ihm ſchade? wo er geblieben waͤre? Er antwortete
nichts anders/ als: Ita eſt illuſtriſſimo Signoro. Wor-
auf Jener fortfuhr: Lebſt du noch/ oder biſt du todt?
biſt du von dir ſelber gefallen/ oder hat dich das Pferd
herab geworffen? Miror ſanè, war ſeine Antwort/
daß ihr mich in einer Stock-finſtern Nacht uͤber zehe-
nerley Sachen fraget/ ich wolte/ daß ihr an meiner
Stelle laͤget/ ſo wolte ich ſehen/ ob ihr auf alle ſolche
wunderliche Fragen im Finſtern eine gnugſame Ant-
wort finden moͤchtet. Jch aber wil euch meine Mey-
nung kuͤrtzlich ſagen: Diſtinguendo inter voluntatem
ſpontaneam & coactam,
der Wille deß Menſchen iſt
bald freywillig/ bald gezwungen/ in dieſem Fall war
mein Wille gezwungen/ dann/ wie mein Pferd ſtuͤrtze-
te/ da wolte ich mich nicht waͤgern/ auch herab zu ſin-
cken/ weil ich beſorgete/ das Pferd wuͤrde mich ſonſten
gar unter die Fuͤſſe bekommen haben/ das mir das
Hertz im Leib geknacket/ die Ribben geborſten/ der
Bauch zerſchmettert/ die Leber und Lunge zerdruͤcket/
die Nieren zermalmet/ alle Blut-Adern zerquetſchet/
und der gantze Leib von Blut und Blut beſudelt waͤ-
re/ daruͤber waͤre ich alsdann ipſiſſimo Menſchen-
Freſſori zu Theil worden/ und ihr haͤttet leicht bey den
Umligenden koͤnnen querellirt/ oder angegeben wer-

den/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0190" n="178"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Deß <hi rendition="#aq">Academi</hi>&#x017F;chen</hi></fw><lb/>
vorbey/ daß er vor &#x017F;ie kam. Der Printz for&#x017F;chete/ was<lb/>
&#x017F;olches bedeute? Er aber gab zur Antwort: <hi rendition="#aq">Omnium<lb/>
rerum vici&#x017F;&#x017F;itudo,</hi> alles hat &#x017F;eine Abwechslung; Deß<lb/>
Tages reitet ihr vor/ und ich hinten nach/ &#x017F;o muß ich<lb/>
deß Nachts ja auch den Vorzug haben/ folget mir<lb/>
nur getreulich nach/ <hi rendition="#aq">ego fidus ero ve&#x017F;ter præcur&#x017F;or.</hi></p><lb/>
          <p>Sie lie&#x017F;&#x017F;en ihn &#x017F;eines Weges reiten/ aber es<lb/>
wa&#x0364;hrete nicht lange/ da burtzelte er mit &#x017F;einem Pferd<lb/>
u&#x0364;ber einen Stein hin/ daß er zu Boden fiel/ wie ein<lb/>
Klotz. Der Printz fragte ihn/ wie ihm ge&#x017F;chehe? was<lb/>
ihm &#x017F;chade? wo er geblieben wa&#x0364;re? Er antwortete<lb/>
nichts anders/ als: <hi rendition="#aq">Ita e&#x017F;t illu&#x017F;tri&#x017F;&#x017F;imo Signoro.</hi> Wor-<lb/>
auf Jener fortfuhr: Leb&#x017F;t du noch/ oder bi&#x017F;t du todt?<lb/>
bi&#x017F;t du von dir &#x017F;elber gefallen/ oder hat dich das Pferd<lb/>
herab geworffen? <hi rendition="#aq">Miror &#x017F;anè,</hi> war &#x017F;eine Antwort/<lb/>
daß ihr mich in einer Stock-fin&#x017F;tern Nacht u&#x0364;ber zehe-<lb/>
nerley Sachen fraget/ ich wolte/ daß ihr an meiner<lb/>
Stelle la&#x0364;get/ &#x017F;o wolte ich &#x017F;ehen/ ob ihr auf alle &#x017F;olche<lb/>
wunderliche Fragen im Fin&#x017F;tern eine gnug&#x017F;ame Ant-<lb/>
wort finden mo&#x0364;chtet. Jch aber wil euch meine Mey-<lb/>
nung ku&#x0364;rtzlich &#x017F;agen: <hi rendition="#aq">Di&#x017F;tinguendo inter voluntatem<lb/>
&#x017F;pontaneam &amp; coactam,</hi> der Wille deß Men&#x017F;chen i&#x017F;t<lb/>
bald freywillig/ bald gezwungen/ in die&#x017F;em Fall war<lb/>
mein Wille gezwungen/ dann/ wie mein Pferd &#x017F;tu&#x0364;rtze-<lb/>
te/ da wolte ich mich nicht wa&#x0364;gern/ auch herab zu &#x017F;in-<lb/>
cken/ weil ich be&#x017F;orgete/ das Pferd wu&#x0364;rde mich &#x017F;on&#x017F;ten<lb/>
gar unter die Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e bekommen haben/ das mir das<lb/>
Hertz im Leib geknacket/ die Ribben gebor&#x017F;ten/ der<lb/>
Bauch zer&#x017F;chmettert/ die Leber und Lunge zerdru&#x0364;cket/<lb/>
die Nieren zermalmet/ alle Blut-Adern zerquet&#x017F;chet/<lb/>
und der gantze Leib von Blut und Blut be&#x017F;udelt wa&#x0364;-<lb/>
re/ daru&#x0364;ber wa&#x0364;re ich alsdann <hi rendition="#aq">ip&#x017F;i&#x017F;&#x017F;imo</hi> Men&#x017F;chen-<lb/><hi rendition="#aq">Fre&#x017F;&#x017F;ori</hi> zu Theil worden/ und ihr ha&#x0364;ttet leicht bey den<lb/>
Umligenden ko&#x0364;nnen <hi rendition="#aq">querelli</hi>rt/ oder angegeben wer-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den/</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0190] Deß Academiſchen vorbey/ daß er vor ſie kam. Der Printz forſchete/ was ſolches bedeute? Er aber gab zur Antwort: Omnium rerum viciſſitudo, alles hat ſeine Abwechslung; Deß Tages reitet ihr vor/ und ich hinten nach/ ſo muß ich deß Nachts ja auch den Vorzug haben/ folget mir nur getreulich nach/ ego fidus ero veſter præcurſor. Sie lieſſen ihn ſeines Weges reiten/ aber es waͤhrete nicht lange/ da burtzelte er mit ſeinem Pferd uͤber einen Stein hin/ daß er zu Boden fiel/ wie ein Klotz. Der Printz fragte ihn/ wie ihm geſchehe? was ihm ſchade? wo er geblieben waͤre? Er antwortete nichts anders/ als: Ita eſt illuſtriſſimo Signoro. Wor- auf Jener fortfuhr: Lebſt du noch/ oder biſt du todt? biſt du von dir ſelber gefallen/ oder hat dich das Pferd herab geworffen? Miror ſanè, war ſeine Antwort/ daß ihr mich in einer Stock-finſtern Nacht uͤber zehe- nerley Sachen fraget/ ich wolte/ daß ihr an meiner Stelle laͤget/ ſo wolte ich ſehen/ ob ihr auf alle ſolche wunderliche Fragen im Finſtern eine gnugſame Ant- wort finden moͤchtet. Jch aber wil euch meine Mey- nung kuͤrtzlich ſagen: Diſtinguendo inter voluntatem ſpontaneam & coactam, der Wille deß Menſchen iſt bald freywillig/ bald gezwungen/ in dieſem Fall war mein Wille gezwungen/ dann/ wie mein Pferd ſtuͤrtze- te/ da wolte ich mich nicht waͤgern/ auch herab zu ſin- cken/ weil ich beſorgete/ das Pferd wuͤrde mich ſonſten gar unter die Fuͤſſe bekommen haben/ das mir das Hertz im Leib geknacket/ die Ribben geborſten/ der Bauch zerſchmettert/ die Leber und Lunge zerdruͤcket/ die Nieren zermalmet/ alle Blut-Adern zerquetſchet/ und der gantze Leib von Blut und Blut beſudelt waͤ- re/ daruͤber waͤre ich alsdann ipſiſſimo Menſchen- Freſſori zu Theil worden/ und ihr haͤttet leicht bey den Umligenden koͤnnen querellirt/ oder angegeben wer- den/

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/190
Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/190>, abgerufen am 27.11.2024.