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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Deß Academischen
werden. Der HErr JEsus hat mit seinen schwachen Schafen
Mitleyden. GOtt der HErr sagte von dem heiligen Weg/ daß
die Thoren selbst darauf nicht irren sollen.

Klingenfeld warff dieses Wenige ein: Zu Cairo in Egy-
pten ist eine gute Gewonheit/ viel tausend Jungen sind da in den
Schulen/ und man lehret darinnen alle Dinge. Die Eltern sen-
den ihre Kinder von allen Landen dahin/ sonder Befehl/ was sie
lernen sollen. Die Lehrmeister erforschen ihre Natur und Zu-
neigung/ und lehren sie das Jenige/ worzu sie am besten bequem
seyn. Sie lassen sie nicht eher auß der Schul/ biß daß sie gantz
gelehrt sind. Jnnerhalb dieser Zeit darff Niemand zu den Kin-
dern/ auch die Eltern selbst nicht kommen.

Darauf ließ sich der Printz vernehmen: Das ist eine gute
Ordnung. Viel Kinder werden bey uns zu frühe auß den Schu-
len genommen. Man vermeynet/ daß sie gesch wind gnug wissen.
Quintilianus saget dahero sehr wol: Viel werden nicht weiß/
weil sie vermeynen/ weiß gnug zu seyn. Bion führete dieses
Wort offtmahls im Mund: Die Weißdünckelheit ist die Hinder-
nüß der Weißheit. Das haben die weise. Heyden so wol verstan-
den/ die/ ob sie schon selbst Meister gewesen/ sich doch nicht geschä-
met haben/ von andern/ die weiser waren/ zu lernen. Antisthenes
danckete seinen Schülern ab/ nachdem er den Socrarem gehöret
hatte/ und sagte zu ihnen: Suchet einen andern Meister/ dann
ich habe für mich auch einen Meister gefunden.

Der Podesta sprach jetzo: Wann auch viel Christen nicht
allzugeschwind gedächten/ daß sie weiß gnug wären/ sie solten
durch die Predigten/ und andere Ubungen/ mehr zunehmen. Es
gehet mit manchem her/ wie mit Dominicano, einem Mönch zu
Nazareth/ welcher weder lesen/ noch schreiben kunte. Der Meister
Gerardus wolte es ihn lehren/ Dominicanus aber sagte: Jch kan
GOtt wol durch mein Leben gefallen/ wann ich schon das A. B. C.
nicht lerne. Also meynen viel/ daß sie GOtt mit einem dummen
Leben sonder Weißheit gefallen mögen. Zu wünschen wäre es/
daß viel Weltweise mit einer solchen Aufmerckung JEsum hö-
reten daß sie dardurch alle andere Weißheit für Thorheit achten
könten? Aber es gehet mit der Kirchen/ wie mit der Schulen.
Wann man was Böses gelernet hat/ ehe man hinein kommen/ so
kan und wil man sich dessen nicht gern abgewöhnen.

Darfür sind/ sprach der Printz/ viel Lehrmeister sehr sorg-
fältig gewesen. Timotheus fragete einen Schüler/ der die Sing-
Kunst bey ihm lernen wolte: Ober zuvor bey einem andern

Meister

Deß Academiſchen
werden. Der HErꝛ JEſus hat mit ſeinen ſchwachen Schafen
Mitleyden. GOtt der HErꝛ ſagte von dem heiligen Weg/ daß
die Thoren ſelbſt darauf nicht irren ſollen.

Klingenfeld warff dieſes Wenige ein: Zu Cairo in Egy-
pten iſt eine gute Gewonheit/ viel tauſend Jungen ſind da in den
Schulen/ und man lehret darinnen alle Dinge. Die Eltern ſen-
den ihre Kinder von allen Landen dahin/ ſonder Befehl/ was ſie
lernen ſollen. Die Lehrmeiſter erforſchen ihre Natur und Zu-
neigung/ und lehren ſie das Jenige/ worzu ſie am beſten bequem
ſeyn. Sie laſſen ſie nicht eher auß der Schul/ biß daß ſie gantz
gelehrt ſind. Jnnerhalb dieſer Zeit darff Niemand zu den Kin-
dern/ auch die Eltern ſelbſt nicht kommen.

Darauf ließ ſich der Printz vernehmen: Das iſt eine gute
Ordnung. Viel Kinder werden bey uns zu fruͤhe auß den Schu-
len genommen. Man vermeynet/ daß ſie geſch wind gnug wiſſen.
Quintilianus ſaget dahero ſehr wol: Viel werden nicht weiß/
weil ſie vermeynen/ weiß gnug zu ſeyn. Bion fuͤhrete dieſes
Wort offtmahls im Mund: Die Weißduͤnckelheit iſt die Hinder-
nuͤß der Weißheit. Das haben die weiſe. Heyden ſo wol verſtan-
den/ die/ ob ſie ſchon ſelbſt Meiſter geweſen/ ſich doch nicht geſchaͤ-
met haben/ von andern/ die weiſer waren/ zu lernen. Antiſthenes
danckete ſeinen Schuͤlern ab/ nachdem er den Socrarem gehoͤret
hatte/ und ſagte zu ihnen: Suchet einen andern Meiſter/ dann
ich habe fuͤr mich auch einen Meiſter gefunden.

Der Podeſtà ſprach jetzo: Wann auch viel Chriſten nicht
allzugeſchwind gedaͤchten/ daß ſie weiß gnug waͤren/ ſie ſolten
durch die Predigten/ und andere Ubungen/ mehr zunehmen. Es
gehet mit manchem her/ wie mit Dominicano, einem Moͤnch zu
Nazareth/ welcher weder leſen/ noch ſchreiben kunte. Der Meiſter
Gerardus wolte es ihn lehren/ Dominicanus aber ſagte: Jch kan
GOtt wol durch mein Leben gefallen/ wañ ich ſchon das A. B. C.
nicht lerne. Alſo meynen viel/ daß ſie GOtt mit einem dummen
Leben ſonder Weißheit gefallen moͤgen. Zu wuͤnſchen waͤre es/
daß viel Weltweiſe mit einer ſolchen Aufmerckung JEſum hoͤ-
reten daß ſie dardurch alle andere Weißheit fuͤr Thorheit achten
koͤnten? Aber es gehet mit der Kirchen/ wie mit der Schulen.
Wann man was Boͤſes gelernet hat/ ehe man hinein kommen/ ſo
kan und wil man ſich deſſen nicht gern abgewoͤhnen.

Darfuͤr ſind/ ſprach der Printz/ viel Lehrmeiſter ſehr ſorg-
faͤltig geweſen. Timotheus fragete einen Schuͤler/ der die Sing-
Kunſt bey ihm lernen wolte: Ober zuvor bey einem andern

Meiſter
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[388/0402] Deß Academiſchen werden. Der HErꝛ JEſus hat mit ſeinen ſchwachen Schafen Mitleyden. GOtt der HErꝛ ſagte von dem heiligen Weg/ daß die Thoren ſelbſt darauf nicht irren ſollen. Klingenfeld warff dieſes Wenige ein: Zu Cairo in Egy- pten iſt eine gute Gewonheit/ viel tauſend Jungen ſind da in den Schulen/ und man lehret darinnen alle Dinge. Die Eltern ſen- den ihre Kinder von allen Landen dahin/ ſonder Befehl/ was ſie lernen ſollen. Die Lehrmeiſter erforſchen ihre Natur und Zu- neigung/ und lehren ſie das Jenige/ worzu ſie am beſten bequem ſeyn. Sie laſſen ſie nicht eher auß der Schul/ biß daß ſie gantz gelehrt ſind. Jnnerhalb dieſer Zeit darff Niemand zu den Kin- dern/ auch die Eltern ſelbſt nicht kommen. Darauf ließ ſich der Printz vernehmen: Das iſt eine gute Ordnung. Viel Kinder werden bey uns zu fruͤhe auß den Schu- len genommen. Man vermeynet/ daß ſie geſch wind gnug wiſſen. Quintilianus ſaget dahero ſehr wol: Viel werden nicht weiß/ weil ſie vermeynen/ weiß gnug zu ſeyn. Bion fuͤhrete dieſes Wort offtmahls im Mund: Die Weißduͤnckelheit iſt die Hinder- nuͤß der Weißheit. Das haben die weiſe. Heyden ſo wol verſtan- den/ die/ ob ſie ſchon ſelbſt Meiſter geweſen/ ſich doch nicht geſchaͤ- met haben/ von andern/ die weiſer waren/ zu lernen. Antiſthenes danckete ſeinen Schuͤlern ab/ nachdem er den Socrarem gehoͤret hatte/ und ſagte zu ihnen: Suchet einen andern Meiſter/ dann ich habe fuͤr mich auch einen Meiſter gefunden. Der Podeſtà ſprach jetzo: Wann auch viel Chriſten nicht allzugeſchwind gedaͤchten/ daß ſie weiß gnug waͤren/ ſie ſolten durch die Predigten/ und andere Ubungen/ mehr zunehmen. Es gehet mit manchem her/ wie mit Dominicano, einem Moͤnch zu Nazareth/ welcher weder leſen/ noch ſchreiben kunte. Der Meiſter Gerardus wolte es ihn lehren/ Dominicanus aber ſagte: Jch kan GOtt wol durch mein Leben gefallen/ wañ ich ſchon das A. B. C. nicht lerne. Alſo meynen viel/ daß ſie GOtt mit einem dummen Leben ſonder Weißheit gefallen moͤgen. Zu wuͤnſchen waͤre es/ daß viel Weltweiſe mit einer ſolchen Aufmerckung JEſum hoͤ- reten daß ſie dardurch alle andere Weißheit fuͤr Thorheit achten koͤnten? Aber es gehet mit der Kirchen/ wie mit der Schulen. Wann man was Boͤſes gelernet hat/ ehe man hinein kommen/ ſo kan und wil man ſich deſſen nicht gern abgewoͤhnen. Darfuͤr ſind/ ſprach der Printz/ viel Lehrmeiſter ſehr ſorg- faͤltig geweſen. Timotheus fragete einen Schuͤler/ der die Sing- Kunſt bey ihm lernen wolte: Ober zuvor bey einem andern Meiſter

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/402>, abgerufen am 22.11.2024.