Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.Deß Academischen und werden in kurtzer Zeit Meister/ wann andere nochLehr-Jungen sind/ und die Zeit ihres Lebens verblei- ben. Sie gleichen der Sonnen/ die sich nicht ermü- det/ um die gantze Welt zu lauffen/ und alle Winckel zu beleuchten/ ihr Vevstand machet alles hell und ei- genständig. Also muß der Theologus, oder Lehrer deß Worts GOttes/ der Jurist und Artzt/ sich der Histo- rien oder Geschichte bedienen; Der Erste/ die Bibel zu verstehen/ derselben Lehren in den Predigten ein- zuziehen/ und andere mit gleichständigen Fällen zu trösten. Der Jurist muß die Begebenheiten gegen einander halten/ und auß Gleichen gleiches Urtheil zu schöpffen wissen. Der Artzt aber muß den Kran- cken mit einer lustigen Erzehlung/ so wol den trau- rigen Verstand/ als den krancken Leib/ heilen können. Solchen viel Lehr-gierigen hoch-gestirnten Gei- Hergegen haben sich gewisse gelehrte Leute auf Gestalt
Deß Academiſchen und werden in kurtzer Zeit Meiſter/ wann andere nochLehr-Jungen ſind/ und die Zeit ihres Lebens verblei- ben. Sie gleichen der Sonnen/ die ſich nicht ermuͤ- det/ um die gantze Welt zu lauffen/ und alle Winckel zu beleuchten/ ihr Vevſtand machet alles hell und ei- genſtaͤndig. Alſo muß der Theologus, oder Lehrer deß Worts GOttes/ der Juriſt und Artzt/ ſich der Hiſto- rien oder Geſchichte bedienen; Der Erſte/ die Bibel zu verſtehen/ derſelben Lehren in den Predigten ein- zuziehen/ und andere mit gleichſtaͤndigen Faͤllen zu troͤſten. Der Juriſt muß die Begebenheiten gegen einander halten/ und auß Gleichen gleiches Urtheil zu ſchoͤpffen wiſſen. Der Artzt aber muß den Kran- cken mit einer luſtigen Erzehlung/ ſo wol den trau- rigen Verſtand/ als den krancken Leib/ heilen koͤnnen. Solchen viel Lehr-gierigen hoch-geſtirnten Gei- Hergegen haben ſich gewiſſe gelehrte Leute auf Geſtalt
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Deß Academiſchen
und werden in kurtzer Zeit Meiſter/ wann andere noch
Lehr-Jungen ſind/ und die Zeit ihres Lebens verblei-
ben. Sie gleichen der Sonnen/ die ſich nicht ermuͤ-
det/ um die gantze Welt zu lauffen/ und alle Winckel
zu beleuchten/ ihr Vevſtand machet alles hell und ei-
genſtaͤndig. Alſo muß der Theologus, oder Lehrer deß
Worts GOttes/ der Juriſt und Artzt/ ſich der Hiſto-
rien oder Geſchichte bedienen; Der Erſte/ die Bibel
zu verſtehen/ derſelben Lehren in den Predigten ein-
zuziehen/ und andere mit gleichſtaͤndigen Faͤllen zu
troͤſten. Der Juriſt muß die Begebenheiten gegen
einander halten/ und auß Gleichen gleiches Urtheil
zu ſchoͤpffen wiſſen. Der Artzt aber muß den Kran-
cken mit einer luſtigen Erzehlung/ ſo wol den trau-
rigen Verſtand/ als den krancken Leib/ heilen koͤnnen.
Solchen viel Lehr-gierigen hoch-geſtirnten Gei-
ſtern iſt faſt die weitſchweiffige Welt zu klein/ wie
dem Alexander, deſſen Lehrmeiſter Ariſtoteles dem
Ehrgeitz in den Wiſſenſchafften eigentlich nachgeah-
met/ und ſich fuͤr einen Monarchen in der Philoſophie
aufgeworffen/ der aller anderer Meynungen bezwun-
gen/ und beſieget. Zu unſern Zeiten iſt Picus Miran-
dulanus, die beeden Scaligeri, Salmaſius, und viel an-
dere/ beruͤhmt/ welche nicht in vielen/ ſondern faſt al-
len Sachen zugleich das hoͤchſte Lob erlanget. Ja/
man kan keine Sache Grund-richtig erkundigen/
man wiſſe dann von vielen andern zugleich; Wie
man keine abſonderliche Land-Taffel verſtehen kan/
man habe dann die gantze Welt-Kugel zuvor geſe-
hen/ und derſelben Zirckel unterſcheiden lernen.
Hergegen haben ſich gewiſſe gelehrte Leute auf
ſonderbare Materien geleget/ und es darinn ſo weit
gebracht/ daß man einem derſelben in ſothaner Ma-
terie mehr glaubet/ als 10. oder 20. andern. Solcher
Geſtalt
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