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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans I. Buch.
gehöret hat/ und sagt der weise König Salomon hiervon also:
Wer antwortet/ oder urtheilet/ ehe er (gnugsam) anhöret/ dem
ist es Narheit und Schande. Und Syrach/ c. 11/ 8. Du solft nicht
urtheilen/ ehe du die Sache höreft/ erkenne es zuvor/ und straffe
es dann; Laß die Leute zuvor außreden.
7. Soll der belobte Richter in allen denen Sachen/ welche
er zu beurtheilen unternimmet/ geübet seyn/ und selbsten Hand
mit angeleget haben; Massen unter der blossen Betrachtung
und Außübung eine grosse Klufft befeftiget ist/ daß diese und jene
offt nicht zusammen kommen/ und gleichet jene der Seelen/ diese
dem Leib/ welches beydes zugleich einen vernünfftigen Menschen
machet.

Einen so begabten Richter wollen wir allemahl
gerne leyden/ und erwünschen; Ja/ wann ein gelehr-
ter Rath mit so beschriebenen Leuten besetzet seyn sol-
te/ ist nicht zu zweiffeln/ sie solten alle Strittigkeiten/
so unter den Gelehrten schweben/ vergleichen/ und ih-
nen solten alle fromme Hertzen zufallen.

Wo findet man aber so begabte Leute? Wenig
werden sich dieser Ubertrefflichkeiten rühmen können/
und eben deßwegen ist es besser/ daß sie mit ihrem Ur-
theil zuruck halten/ oder doch ihr Mißfallen und Wol-
gefallen ferner nicht erstrecken/ als sie verstehen und
begreiffen können; Mit gebührendem Zweiffel/ ob
alles/ was sie verworffen/ auch verwerfflich sey/ und
ob nicht andern beliebe/ was ihnen verächtlich vor-
komme? Einem Schuster ist es keine Schande/ wann
er kein Kleid machen kan; Wie auch einem Schnei-
der/ daß er keine Schuhe zu machen weiß. Also ist es
auch einem Rechts-Gelehrten nicht nachtheilig/
wann er kein Mathematicus nicht ist.

Der Podesta, der allezeit mehr auf seinen Bü-
chern zu Hauß gelegen/ als die Collegia in seiner Ju-
gend frequentiret hatte/ forschete anjetzo von dem
Magnifico, was ihn düncke: Ob die Belesung der
Bücher/ oder die lebendige Stimme/ dienlicher sey/

andere
Romans I. Buch.
gehoͤret hat/ und ſagt der weiſe Koͤnig Salomon hiervon alſo:
Wer antwortet/ oder urtheilet/ ehe er (gnugſam) anhoͤret/ dem
iſt es Narheit und Schande. Und Syrach/ c. 11/ 8. Du ſolft nicht
urtheilen/ ehe du die Sache hoͤreft/ erkenne es zuvor/ und ſtraffe
es dann; Laß die Leute zuvor außreden.
7. Soll der belobte Richter in allen denen Sachen/ welche
er zu beurtheilen unternimmet/ geuͤbet ſeyn/ und ſelbſten Hand
mit angeleget haben; Maſſen unter der bloſſen Betrachtung
und Außuͤbung eine groſſe Klufft befeftiget iſt/ daß dieſe und jene
offt nicht zuſammen kommen/ und gleichet jene der Seelen/ dieſe
dem Leib/ welches beydes zugleich einen vernuͤnfftigen Menſchen
machet.

Einen ſo begabten Richter wollen wir allemahl
gerne leyden/ und erwuͤnſchen; Ja/ wann ein gelehr-
ter Rath mit ſo beſchriebenen Leuten beſetzet ſeyn ſol-
te/ iſt nicht zu zweiffeln/ ſie ſolten alle Strittigkeiten/
ſo unter den Gelehrten ſchweben/ vergleichen/ und ih-
nen ſolten alle fromme Hertzen zufallen.

Wo findet man aber ſo begabte Leute? Wenig
werden ſich dieſer Ubertrefflichkeiten ruͤhmen koͤnnen/
und eben deßwegen iſt es beſſer/ daß ſie mit ihrem Ur-
theil zuruck halten/ oder doch ihr Mißfallen und Wol-
gefallen ferner nicht erſtrecken/ als ſie verſtehen und
begreiffen koͤnnen; Mit gebuͤhrendem Zweiffel/ ob
alles/ was ſie verworffen/ auch verwerfflich ſey/ und
ob nicht andern beliebe/ was ihnen veraͤchtlich vor-
komme? Einem Schuſter iſt es keine Schande/ wann
er kein Kleid machen kan; Wie auch einem Schnei-
der/ daß er keine Schuhe zu machen weiß. Alſo iſt es
auch einem Rechts-Gelehrten nicht nachtheilig/
wann er kein Mathematicus nicht iſt.

Der Podeſtà, der allezeit mehr auf ſeinen Buͤ-
chern zu Hauß gelegen/ als die Collegia in ſeiner Ju-
gend frequentiret hatte/ forſchete anjetzo von dem
Magnifico, was ihn duͤncke: Ob die Beleſung der
Buͤcher/ oder die lebendige Stimme/ dienlicher ſey/

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[445/0459] Romans I. Buch. gehoͤret hat/ und ſagt der weiſe Koͤnig Salomon hiervon alſo: Wer antwortet/ oder urtheilet/ ehe er (gnugſam) anhoͤret/ dem iſt es Narheit und Schande. Und Syrach/ c. 11/ 8. Du ſolft nicht urtheilen/ ehe du die Sache hoͤreft/ erkenne es zuvor/ und ſtraffe es dann; Laß die Leute zuvor außreden. 7. Soll der belobte Richter in allen denen Sachen/ welche er zu beurtheilen unternimmet/ geuͤbet ſeyn/ und ſelbſten Hand mit angeleget haben; Maſſen unter der bloſſen Betrachtung und Außuͤbung eine groſſe Klufft befeftiget iſt/ daß dieſe und jene offt nicht zuſammen kommen/ und gleichet jene der Seelen/ dieſe dem Leib/ welches beydes zugleich einen vernuͤnfftigen Menſchen machet. Einen ſo begabten Richter wollen wir allemahl gerne leyden/ und erwuͤnſchen; Ja/ wann ein gelehr- ter Rath mit ſo beſchriebenen Leuten beſetzet ſeyn ſol- te/ iſt nicht zu zweiffeln/ ſie ſolten alle Strittigkeiten/ ſo unter den Gelehrten ſchweben/ vergleichen/ und ih- nen ſolten alle fromme Hertzen zufallen. Wo findet man aber ſo begabte Leute? Wenig werden ſich dieſer Ubertrefflichkeiten ruͤhmen koͤnnen/ und eben deßwegen iſt es beſſer/ daß ſie mit ihrem Ur- theil zuruck halten/ oder doch ihr Mißfallen und Wol- gefallen ferner nicht erſtrecken/ als ſie verſtehen und begreiffen koͤnnen; Mit gebuͤhrendem Zweiffel/ ob alles/ was ſie verworffen/ auch verwerfflich ſey/ und ob nicht andern beliebe/ was ihnen veraͤchtlich vor- komme? Einem Schuſter iſt es keine Schande/ wann er kein Kleid machen kan; Wie auch einem Schnei- der/ daß er keine Schuhe zu machen weiß. Alſo iſt es auch einem Rechts-Gelehrten nicht nachtheilig/ wann er kein Mathematicus nicht iſt. Der Podeſtà, der allezeit mehr auf ſeinen Buͤ- chern zu Hauß gelegen/ als die Collegia in ſeiner Ju- gend frequentiret hatte/ forſchete anjetzo von dem Magnifico, was ihn duͤncke: Ob die Beleſung der Buͤcher/ oder die lebendige Stimme/ dienlicher ſey/ andere

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/459>, abgerufen am 22.11.2024.