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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans I. Buch.
voll Milch in den Leib hinein soffe. Er fühlete aber/
daß ihm solches noch nicht helffen wolte/ dannenhero
bewoge er den Venereum, der gleicher Gestalt sehr
hungerig war/ daß er mit ihm in das Dorff gieng/ da
wolten sie vor den Bauren-Häusern singen/ ob sie
etwan noch etwas von der Mildigkeit der Hauß-Leu-
ten erlangen möchten. Als diese hinauß getretten
waren/ kam ein anderer Fremdling zu Pferd/ und
kehrete bey diesem Wirth gleicher Gestalt ein/ dieser
hatte sich mit einem Stück Gebratenes versehen/
weil er wol wuste/ daß man hier wenig zu essen bekä-
me/ er setzte sich demnach in einen Winckel an einen
kleinen Tisch/ und verzehrete das Wenige/ so er mit-
gebracht hatte. Darauf seuffzete er/ und die Thränen
schossen ihm auß den Augen. Klingenfeld tratt zu
ihm/ und sprach: Vatter/ was habt ihr vor ein Anli-
gen/ daß ihr so bekümmert seyd? Jch bin/ sprach die-
ser/ ein Kauffmann von Bormio, und darff meiner
Nahrung halben keine Sorge tragen/ aber das Ge-
schick hat mich mit einem grossen Unglück beleget.
Meine einzige Tochter habe ich in ein Kloster verlo-
bet/ und wie nunmehro die Zeit ihrer Einkleidung
heran tritt/ gibt sich ein feiner Gesell an/ der ihrer zur
Ehe begehret. Sie wil darauf gerne vom Kloster-
Gelübde loß seyn/ und weiß nicht/ wie sie es machen
soll. Hat sich also seit ehegestern verlohren/ und ich
weiß nicht/ wohin sie mag gekommen seyn/ solchem
nach habe mich heute aufgesetzet/ sie zu suchen/ ob ich
sie wieder finden möchte. Jch glaube/ unser Bischoff
sey capabel, sie von ihrem Gelübde zu absolviren.

Gebet euch zufrieden/ mein Freund/ antwortete
ihm Klingenfeld/ ich hoffe/ ihr sollet noch diesen Abend
guten Bericht von eurer verlohrnen Tochter erlan-
gen. Wie soll das zugehen? forschete der bekümmer-

te Vat-

Romans I. Buch.
voll Milch in den Leib hinein ſoffe. Er fuͤhlete aber/
daß ihm ſolches noch nicht helffen wolte/ dannenhero
bewoge er den Venereum, der gleicher Geſtalt ſehr
hungerig war/ daß er mit ihm in das Dorff gieng/ da
wolten ſie vor den Bauren-Haͤuſern ſingen/ ob ſie
etwan noch etwas von der Mildigkeit der Hauß-Leu-
ten erlangen moͤchten. Als dieſe hinauß getretten
waren/ kam ein anderer Fremdling zu Pferd/ und
kehrete bey dieſem Wirth gleicher Geſtalt ein/ dieſer
hatte ſich mit einem Stuͤck Gebratenes verſehen/
weil er wol wuſte/ daß man hier wenig zu eſſen bekaͤ-
me/ er ſetzte ſich demnach in einen Winckel an einen
kleinen Tiſch/ und verzehrete das Wenige/ ſo er mit-
gebracht hatte. Darauf ſeuffzete er/ und die Thraͤnen
ſchoſſen ihm auß den Augen. Klingenfeld tratt zu
ihm/ und ſprach: Vatter/ was habt ihr vor ein Anli-
gen/ daß ihr ſo bekuͤmmert ſeyd? Jch bin/ ſprach die-
ſer/ ein Kauffmann von Bormio, und darff meiner
Nahrung halben keine Sorge tragen/ aber das Ge-
ſchick hat mich mit einem groſſen Ungluͤck beleget.
Meine einzige Tochter habe ich in ein Kloſter verlo-
bet/ und wie nunmehro die Zeit ihrer Einkleidung
heran tritt/ gibt ſich ein feiner Geſell an/ der ihrer zur
Ehe begehret. Sie wil darauf gerne vom Kloſter-
Geluͤbde loß ſeyn/ und weiß nicht/ wie ſie es machen
ſoll. Hat ſich alſo ſeit ehegeſtern verlohren/ und ich
weiß nicht/ wohin ſie mag gekommen ſeyn/ ſolchem
nach habe mich heute aufgeſetzet/ ſie zu ſuchen/ ob ich
ſie wieder finden moͤchte. Jch glaube/ unſer Biſchoff
ſey capabel, ſie von ihrem Geluͤbde zu abſolviren.

Gebet euch zufrieden/ mein Freund/ antwortete
ihm Klingenfeld/ ich hoffe/ ihr ſollet noch dieſen Abend
guten Bericht von eurer verlohrnen Tochter erlan-
gen. Wie ſoll das zugehen? forſchete der bekuͤmmer-

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[525/0541] Romans I. Buch. voll Milch in den Leib hinein ſoffe. Er fuͤhlete aber/ daß ihm ſolches noch nicht helffen wolte/ dannenhero bewoge er den Venereum, der gleicher Geſtalt ſehr hungerig war/ daß er mit ihm in das Dorff gieng/ da wolten ſie vor den Bauren-Haͤuſern ſingen/ ob ſie etwan noch etwas von der Mildigkeit der Hauß-Leu- ten erlangen moͤchten. Als dieſe hinauß getretten waren/ kam ein anderer Fremdling zu Pferd/ und kehrete bey dieſem Wirth gleicher Geſtalt ein/ dieſer hatte ſich mit einem Stuͤck Gebratenes verſehen/ weil er wol wuſte/ daß man hier wenig zu eſſen bekaͤ- me/ er ſetzte ſich demnach in einen Winckel an einen kleinen Tiſch/ und verzehrete das Wenige/ ſo er mit- gebracht hatte. Darauf ſeuffzete er/ und die Thraͤnen ſchoſſen ihm auß den Augen. Klingenfeld tratt zu ihm/ und ſprach: Vatter/ was habt ihr vor ein Anli- gen/ daß ihr ſo bekuͤmmert ſeyd? Jch bin/ ſprach die- ſer/ ein Kauffmann von Bormio, und darff meiner Nahrung halben keine Sorge tragen/ aber das Ge- ſchick hat mich mit einem groſſen Ungluͤck beleget. Meine einzige Tochter habe ich in ein Kloſter verlo- bet/ und wie nunmehro die Zeit ihrer Einkleidung heran tritt/ gibt ſich ein feiner Geſell an/ der ihrer zur Ehe begehret. Sie wil darauf gerne vom Kloſter- Geluͤbde loß ſeyn/ und weiß nicht/ wie ſie es machen ſoll. Hat ſich alſo ſeit ehegeſtern verlohren/ und ich weiß nicht/ wohin ſie mag gekommen ſeyn/ ſolchem nach habe mich heute aufgeſetzet/ ſie zu ſuchen/ ob ich ſie wieder finden moͤchte. Jch glaube/ unſer Biſchoff ſey capabel, ſie von ihrem Geluͤbde zu abſolviren. Gebet euch zufrieden/ mein Freund/ antwortete ihm Klingenfeld/ ich hoffe/ ihr ſollet noch dieſen Abend guten Bericht von eurer verlohrnen Tochter erlan- gen. Wie ſoll das zugehen? forſchete der bekuͤmmer- te Vat-

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/541>, abgerufen am 22.11.2024.