Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

Bild:
<< vorherige Seite

Deß Academischen
zum Essen genöthiget/ allwo diese ihm alles Haar-
kltin erzehlete/ wie sie sich auß ihres eyfferigen Man-
nes Klauen loß gewürcket/ welche Spitzfündigkeit
der Jtaliäner bey einem Teutschen Weibes-Bild
nimmermehr gesucht hätte. Uber der Mahlzeit for-
schete die Adeliche alte Mutter/ worauf sich Venereus
legete/ und warum er also in der Fremde herum wal-
lete? Er gab zu verstehen/ daß er ein Musen-Kind/
welches die Wissenschafften und freyen Künste/ als
die in aller Welt hoch geachtet würden/ auf den Uni-
versit
äten suchete; Forschete auch hingegen/ warum
sie keinen von ihren dreyen wackern Söhnen hätte
studiren lassen? Sie antwortete ihm/ daß sie ihre
Kinder allzulieb darzu hätte/ daß sie solche in abgele-
gene Oerter hätte senden sollen. Als ihr aber Vene-
reus
entgegen hielte/ daß man allenthalben redliche
Leute finde/ die sich fremder Kinder von Hertzen wür-
den annehmen/ da schüttelte sie den Kopff/ und sagte:
Mein Herr/ ich kan der jenigen Geschicht nimmer-
mehr vergessen/ welche sich mit einem Knaben in
Preussen zugetragen/ dahin er von seinen Eltern auch
Studirens halben geschickt/ aber bald hernach verloh-
ren/ und erst nach etlichen Jahren wieder gefunden
worden. Weil nun Venereus hiervon gern ein Meh-
rers gewust hätte/ erzehlete ihm die Adeliche Mutter
folgende nachdenckliche Geschicht/ so sie in Casp.
Hennebergers Preußnischer Land-Tafel/ pag. 225.
gelesen hatte.

Das X. Capitul/

Eine nachdenckliche Geschicht von einem verlohrnen Schü-
ler/ der endlich wieder gefunden ist. Exempel etlicher berühmten
Männer/ die von ihnen selber gelehrt worden.

ES wohnete/ sprach sie/ unter dem Hertzogen von Cur-
land zu Dürben ein reicher Pfarr-Herr/ mit Namen
Johannes Dimler/ der hatte einen Sohn/ von etwa

16. Jah-

Deß Academiſchen
zum Eſſen genoͤthiget/ allwo dieſe ihm alles Haar-
kltin erzehlete/ wie ſie ſich auß ihres eyfferigen Man-
nes Klauen loß gewuͤrcket/ welche Spitzfuͤndigkeit
der Jtaliaͤner bey einem Teutſchen Weibes-Bild
nimmermehr geſucht haͤtte. Uber der Mahlzeit for-
ſchete die Adeliche alte Mutter/ worauf ſich Venereus
legete/ und warum er alſo in der Fremde herum wal-
lete? Er gab zu verſtehen/ daß er ein Muſen-Kind/
welches die Wiſſenſchafften und freyen Kuͤnſte/ als
die in aller Welt hoch geachtet wuͤrden/ auf den Uni-
verſit
aͤten ſuchete; Forſchete auch hingegen/ warum
ſie keinen von ihren dreyen wackern Soͤhnen haͤtte
ſtudiren laſſen? Sie antwortete ihm/ daß ſie ihre
Kinder allzulieb darzu haͤtte/ daß ſie ſolche in abgele-
gene Oerter haͤtte ſenden ſollen. Als ihr aber Vene-
reus
entgegen hielte/ daß man allenthalben redliche
Leute finde/ die ſich fremder Kinder von Hertzen wuͤr-
den annehmen/ da ſchuͤttelte ſie den Kopff/ und ſagte:
Mein Herꝛ/ ich kan der jenigen Geſchicht nimmer-
mehr vergeſſen/ welche ſich mit einem Knaben in
Preuſſen zugetragen/ dahin er von ſeinen Eltern auch
Studirens halben geſchickt/ aber bald hernach verloh-
ren/ und erſt nach etlichen Jahren wieder gefunden
worden. Weil nun Venereus hiervon gern ein Meh-
rers gewuſt haͤtte/ erzehlete ihm die Adeliche Mutter
folgende nachdenckliche Geſchicht/ ſo ſie in Caſp.
Hennebergers Preußniſcher Land-Tafel/ pag. 225.
geleſen hatte.

Das X. Capitul/

Eine nachdenckliche Geſchicht von einem verlohrnen Schuͤ-
ler/ der endlich wieder gefunden iſt. Exempel etlicher beruͤhmten
Maͤnner/ die von ihnen ſelber gelehrt worden.

ES wohnete/ ſprach ſie/ unter dem Hertzogen von Cur-
land zu Duͤrben ein reicher Pfarꝛ-Herꝛ/ mit Namen
Johannes Dimler/ der hatte einen Sohn/ von etwa

16. Jah-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0664" n="646"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Deß <hi rendition="#aq">Academi</hi>&#x017F;chen</hi></fw><lb/>
zum E&#x017F;&#x017F;en geno&#x0364;thiget/ allwo die&#x017F;e ihm alles Haar-<lb/>
kltin erzehlete/ wie &#x017F;ie &#x017F;ich auß ihres eyfferigen Man-<lb/>
nes Klauen loß gewu&#x0364;rcket/ welche Spitzfu&#x0364;ndigkeit<lb/>
der Jtalia&#x0364;ner bey einem Teut&#x017F;chen Weibes-Bild<lb/>
nimmermehr ge&#x017F;ucht ha&#x0364;tte. Uber der Mahlzeit for-<lb/>
&#x017F;chete die Adeliche alte Mutter/ worauf &#x017F;ich <hi rendition="#aq">Venereus</hi><lb/>
legete/ und warum er al&#x017F;o in der Fremde herum wal-<lb/>
lete? Er gab zu ver&#x017F;tehen/ daß er ein <hi rendition="#aq">Mu&#x017F;</hi>en-Kind/<lb/>
welches die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften und freyen Ku&#x0364;n&#x017F;te/ als<lb/>
die in aller Welt hoch geachtet wu&#x0364;rden/ auf den <hi rendition="#aq">Uni-<lb/>
ver&#x017F;it</hi>a&#x0364;ten &#x017F;uchete; For&#x017F;chete auch hingegen/ warum<lb/>
&#x017F;ie keinen von ihren dreyen wackern So&#x0364;hnen ha&#x0364;tte<lb/><hi rendition="#aq">&#x017F;tudi</hi>ren la&#x017F;&#x017F;en? Sie antwortete ihm/ daß &#x017F;ie ihre<lb/>
Kinder allzulieb darzu ha&#x0364;tte/ daß &#x017F;ie &#x017F;olche in abgele-<lb/>
gene Oerter ha&#x0364;tte &#x017F;enden &#x017F;ollen. Als ihr aber <hi rendition="#aq">Vene-<lb/>
reus</hi> entgegen hielte/ daß man allenthalben redliche<lb/>
Leute finde/ die &#x017F;ich fremder Kinder von Hertzen wu&#x0364;r-<lb/>
den annehmen/ da &#x017F;chu&#x0364;ttelte &#x017F;ie den Kopff/ und &#x017F;agte:<lb/>
Mein Her&#xA75B;/ ich kan der jenigen Ge&#x017F;chicht nimmer-<lb/>
mehr verge&#x017F;&#x017F;en/ welche &#x017F;ich mit einem Knaben in<lb/>
Preu&#x017F;&#x017F;en zugetragen/ dahin er von &#x017F;einen Eltern auch<lb/><hi rendition="#aq">Studi</hi>rens halben ge&#x017F;chickt/ aber bald hernach verloh-<lb/>
ren/ und er&#x017F;t nach etlichen Jahren wieder gefunden<lb/>
worden. Weil nun <hi rendition="#aq">Venereus</hi> hiervon gern ein Meh-<lb/>
rers gewu&#x017F;t ha&#x0364;tte/ erzehlete ihm die Adeliche Mutter<lb/>
folgende nachdenckliche Ge&#x017F;chicht/ &#x017F;o &#x017F;ie in Ca&#x017F;p.<lb/>
Hennebergers Preußni&#x017F;cher Land-Tafel/ <hi rendition="#aq">pag.</hi> 225.<lb/>
gele&#x017F;en hatte.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq">X.</hi> Capitul/</hi> </head><lb/>
          <argument>
            <p><hi rendition="#fr">Eine nachdenckliche Ge&#x017F;chicht von einem <hi rendition="#g">verlohrnen</hi> Schu&#x0364;-</hi><lb/>
ler/ der endlich wieder gefunden i&#x017F;t. Exempel etlicher beru&#x0364;hmten<lb/>
Ma&#x0364;nner/ die von ihnen &#x017F;elber gelehrt worden.</p>
          </argument><lb/>
          <p><hi rendition="#in">E</hi>S wohnete/ &#x017F;prach &#x017F;ie/ unter dem Hertzogen von Cur-<lb/>
land zu Du&#x0364;rben ein reicher Pfar&#xA75B;-Her&#xA75B;/ mit Namen<lb/>
Johannes Dimler/ der hatte einen Sohn/ von etwa<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">16. Jah-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[646/0664] Deß Academiſchen zum Eſſen genoͤthiget/ allwo dieſe ihm alles Haar- kltin erzehlete/ wie ſie ſich auß ihres eyfferigen Man- nes Klauen loß gewuͤrcket/ welche Spitzfuͤndigkeit der Jtaliaͤner bey einem Teutſchen Weibes-Bild nimmermehr geſucht haͤtte. Uber der Mahlzeit for- ſchete die Adeliche alte Mutter/ worauf ſich Venereus legete/ und warum er alſo in der Fremde herum wal- lete? Er gab zu verſtehen/ daß er ein Muſen-Kind/ welches die Wiſſenſchafften und freyen Kuͤnſte/ als die in aller Welt hoch geachtet wuͤrden/ auf den Uni- verſitaͤten ſuchete; Forſchete auch hingegen/ warum ſie keinen von ihren dreyen wackern Soͤhnen haͤtte ſtudiren laſſen? Sie antwortete ihm/ daß ſie ihre Kinder allzulieb darzu haͤtte/ daß ſie ſolche in abgele- gene Oerter haͤtte ſenden ſollen. Als ihr aber Vene- reus entgegen hielte/ daß man allenthalben redliche Leute finde/ die ſich fremder Kinder von Hertzen wuͤr- den annehmen/ da ſchuͤttelte ſie den Kopff/ und ſagte: Mein Herꝛ/ ich kan der jenigen Geſchicht nimmer- mehr vergeſſen/ welche ſich mit einem Knaben in Preuſſen zugetragen/ dahin er von ſeinen Eltern auch Studirens halben geſchickt/ aber bald hernach verloh- ren/ und erſt nach etlichen Jahren wieder gefunden worden. Weil nun Venereus hiervon gern ein Meh- rers gewuſt haͤtte/ erzehlete ihm die Adeliche Mutter folgende nachdenckliche Geſchicht/ ſo ſie in Caſp. Hennebergers Preußniſcher Land-Tafel/ pag. 225. geleſen hatte. Das X. Capitul/ Eine nachdenckliche Geſchicht von einem verlohrnen Schuͤ- ler/ der endlich wieder gefunden iſt. Exempel etlicher beruͤhmten Maͤnner/ die von ihnen ſelber gelehrt worden. ES wohnete/ ſprach ſie/ unter dem Hertzogen von Cur- land zu Duͤrben ein reicher Pfarꝛ-Herꝛ/ mit Namen Johannes Dimler/ der hatte einen Sohn/ von etwa 16. Jah-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/664
Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 646. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/664>, abgerufen am 22.11.2024.