Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

Bild:
<< vorherige Seite

Deß Academischen
Volck auf seine Seiten bringen möchte/ nennete er
alle Römische Bürger einen Jeden bey seinem Na-
men/ sagend: Das wäre ein Zeichen/ daß er sie alle
liebete/ sintemahl er ihrer aller Namen in seinem Ge-
dächtnüß hätte. Scipio aber kennete fast keinen/ wuste
auch derselben Namen nicht/ dem antwortete Scipio:
Es ist wahr/ mein Appi Claudi, daß ich niemahl dar-
nach getrachtet/ ihrer viel zu kennen/ dessen aber habe
ich mich allezeit beflissen/ daß Niemand in Rom seyn
möge/ der mich nicht kennen solte. Jch könte noch sehr
viel Exempel von vortrefflicher Leute fähiger und
scharffsinniger Memori oder Gedächtnüß dieses Orts
beybringen/ man kan aber solche bey dem Cicerone
und Quintiliano suchen und lesen/ ingleichem auch
bey dem Plinio im 7. Buch/ und bey denen Authoren/
welche Johannes Camertes über das 7. Cap. Solini
citi
ret und bemercket.

Das XII. Capitul/

Das Gedächtnüß kan leicht Schaden leyden. Es ist ein Unter-
scheid zwischen der Memori und Reminiscentz. Venereus
hat seltzame Liebes-Händel mit zwo Adelichen Damen.

GLeich wie es aber ein edel und vortreffliches
Ding um das Gedächtnüß/ also ist selbiges
auch sehr subtil und zärtlich/ also/ daß es
durch vielerley Sachen kan schadhafft gemacht/ ver-
derbet und verhindert werden/ als da seyn die Kranck-
heiten/ Wunden und Streiche auf dem Haupt/ das
Alter/ jäher Schrecken oder Entsetzen/ übermässige
Sorg und Bekümmernüß/ und dann sonderlich hohe
und gefährliche Fälle; Alle diese jetzt-erzehlte Stücke
bringen den Kräfften deß Gedächtnüsses Verletzung/
sintemahl sie dem Ort/ wo es seinen Sitz hat/ und
deren Organis oder Instrumenten Schaden zufügen/
und ist über das zu beobachten/ daß etliche an dem

Gedächt-

Deß Academiſchen
Volck auf ſeine Seiten bringen moͤchte/ nennete er
alle Roͤmiſche Buͤrger einen Jeden bey ſeinem Na-
men/ ſagend: Das waͤre ein Zeichen/ daß er ſie alle
liebete/ ſintemahl er ihrer aller Namen in ſeinem Ge-
daͤchtnuͤß haͤtte. Scipio aber kennete faſt keinen/ wuſte
auch derſelben Namen nicht/ dem antwortete Scipio:
Es iſt wahr/ mein Appi Claudi, daß ich niemahl dar-
nach getrachtet/ ihrer viel zu kennen/ deſſen aber habe
ich mich allezeit befliſſen/ daß Niemand in Rom ſeyn
moͤge/ der mich nicht kennen ſolte. Jch koͤnte noch ſehr
viel Exempel von vortrefflicher Leute faͤhiger und
ſcharffſinniger Memori oder Gedaͤchtnuͤß dieſes Orts
beybringen/ man kan aber ſolche bey dem Cicerone
und Quintiliano ſuchen und leſen/ ingleichem auch
bey dem Plinio im 7. Buch/ und bey denen Authoren/
welche Johannes Camertes uͤber das 7. Cap. Solini
citi
ret und bemercket.

Das XII. Capitul/

Das Gedaͤchtnuͤß kan leicht Schaden leyden. Es iſt ein Unter-
ſcheid zwiſchen der Memori und Reminiſcentz. Venereus
hat ſeltzame Liebes-Haͤndel mit zwo Adelichen Damen.

GLeich wie es aber ein edel und vortreffliches
Ding um das Gedaͤchtnuͤß/ alſo iſt ſelbiges
auch ſehr ſubtil und zaͤrtlich/ alſo/ daß es
durch vielerley Sachen kan ſchadhafft gemacht/ ver-
derbet und verhindert werden/ als da ſeyn die Kranck-
heiten/ Wunden und Streiche auf dem Haupt/ das
Alter/ jaͤher Schrecken oder Entſetzen/ uͤbermaͤſſige
Sorg und Bekuͤmmernuͤß/ und dann ſonderlich hohe
und gefaͤhrliche Faͤlle; Alle dieſe jetzt-erzehlte Stuͤcke
bringen den Kraͤfften deß Gedaͤchtnuͤſſes Verletzung/
ſintemahl ſie dem Ort/ wo es ſeinen Sitz hat/ und
deren Organis oder Inſtrumenten Schaden zufuͤgen/
und iſt uͤber das zu beobachten/ daß etliche an dem

Gedaͤcht-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0692" n="674"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Deß <hi rendition="#aq">Academi</hi>&#x017F;chen</hi></fw><lb/>
Volck auf &#x017F;eine Seiten bringen mo&#x0364;chte/ nennete er<lb/>
alle Ro&#x0364;mi&#x017F;che Bu&#x0364;rger einen Jeden bey &#x017F;einem Na-<lb/>
men/ &#x017F;agend: Das wa&#x0364;re ein Zeichen/ daß er &#x017F;ie alle<lb/>
liebete/ &#x017F;intemahl er ihrer aller Namen in &#x017F;einem Ge-<lb/>
da&#x0364;chtnu&#x0364;ß ha&#x0364;tte. <hi rendition="#aq">Scipio</hi> aber kennete fa&#x017F;t keinen/ wu&#x017F;te<lb/>
auch der&#x017F;elben Namen nicht/ dem antwortete <hi rendition="#aq">Scipio:</hi><lb/>
Es i&#x017F;t wahr/ mein <hi rendition="#aq">Appi Claudi,</hi> daß ich niemahl dar-<lb/>
nach getrachtet/ ihrer viel zu kennen/ de&#x017F;&#x017F;en aber habe<lb/>
ich mich allezeit befli&#x017F;&#x017F;en/ daß Niemand in Rom &#x017F;eyn<lb/>
mo&#x0364;ge/ der mich nicht kennen &#x017F;olte. Jch ko&#x0364;nte noch &#x017F;ehr<lb/>
viel Exempel von vortrefflicher Leute fa&#x0364;higer und<lb/>
&#x017F;charff&#x017F;inniger <hi rendition="#aq">Memori</hi> oder Geda&#x0364;chtnu&#x0364;ß die&#x017F;es Orts<lb/>
beybringen/ man kan aber &#x017F;olche bey dem <hi rendition="#aq">Cicerone</hi><lb/>
und <hi rendition="#aq">Quintiliano</hi> &#x017F;uchen und le&#x017F;en/ ingleichem auch<lb/>
bey dem <hi rendition="#aq">Plinio</hi> im 7. Buch/ und bey denen <hi rendition="#aq">Author</hi>en/<lb/>
welche Johannes Camertes u&#x0364;ber das 7. Cap. <hi rendition="#aq">Solini<lb/>
citi</hi>ret und bemercket.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">XII</hi>.</hi> Capitul/</hi> </head><lb/>
          <argument>
            <p><hi rendition="#fr">Das Geda&#x0364;chtnu&#x0364;ß kan leicht Schaden leyden. Es i&#x017F;t ein Unter-</hi><lb/>
&#x017F;cheid zwi&#x017F;chen der <hi rendition="#aq">Memori</hi> und <hi rendition="#aq">Remini&#x017F;cen</hi>tz. <hi rendition="#aq">Venereus</hi><lb/>
hat &#x017F;eltzame Liebes-Ha&#x0364;ndel mit zwo Adelichen Damen.</p>
          </argument><lb/>
          <p><hi rendition="#in">G</hi>Leich wie es aber ein edel und vortreffliches<lb/>
Ding um das Geda&#x0364;chtnu&#x0364;ß/ al&#x017F;o i&#x017F;t &#x017F;elbiges<lb/>
auch &#x017F;ehr <hi rendition="#aq">&#x017F;ubtil</hi> und za&#x0364;rtlich/ al&#x017F;o/ daß es<lb/>
durch vielerley Sachen kan &#x017F;chadhafft gemacht/ ver-<lb/>
derbet und verhindert werden/ als da &#x017F;eyn die Kranck-<lb/>
heiten/ Wunden und Streiche auf dem Haupt/ das<lb/>
Alter/ ja&#x0364;her Schrecken oder Ent&#x017F;etzen/ u&#x0364;berma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige<lb/>
Sorg und Beku&#x0364;mmernu&#x0364;ß/ und dann &#x017F;onderlich hohe<lb/>
und gefa&#x0364;hrliche Fa&#x0364;lle; Alle die&#x017F;e jetzt-erzehlte Stu&#x0364;cke<lb/>
bringen den Kra&#x0364;fften deß Geda&#x0364;chtnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;es Verletzung/<lb/>
&#x017F;intemahl &#x017F;ie dem Ort/ wo es &#x017F;einen Sitz hat/ und<lb/>
deren <hi rendition="#aq">Organis</hi> oder <hi rendition="#aq">In&#x017F;trument</hi>en Schaden zufu&#x0364;gen/<lb/>
und i&#x017F;t u&#x0364;ber das zu beobachten/ daß etliche an dem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Geda&#x0364;cht-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[674/0692] Deß Academiſchen Volck auf ſeine Seiten bringen moͤchte/ nennete er alle Roͤmiſche Buͤrger einen Jeden bey ſeinem Na- men/ ſagend: Das waͤre ein Zeichen/ daß er ſie alle liebete/ ſintemahl er ihrer aller Namen in ſeinem Ge- daͤchtnuͤß haͤtte. Scipio aber kennete faſt keinen/ wuſte auch derſelben Namen nicht/ dem antwortete Scipio: Es iſt wahr/ mein Appi Claudi, daß ich niemahl dar- nach getrachtet/ ihrer viel zu kennen/ deſſen aber habe ich mich allezeit befliſſen/ daß Niemand in Rom ſeyn moͤge/ der mich nicht kennen ſolte. Jch koͤnte noch ſehr viel Exempel von vortrefflicher Leute faͤhiger und ſcharffſinniger Memori oder Gedaͤchtnuͤß dieſes Orts beybringen/ man kan aber ſolche bey dem Cicerone und Quintiliano ſuchen und leſen/ ingleichem auch bey dem Plinio im 7. Buch/ und bey denen Authoren/ welche Johannes Camertes uͤber das 7. Cap. Solini citiret und bemercket. Das XII. Capitul/ Das Gedaͤchtnuͤß kan leicht Schaden leyden. Es iſt ein Unter- ſcheid zwiſchen der Memori und Reminiſcentz. Venereus hat ſeltzame Liebes-Haͤndel mit zwo Adelichen Damen. GLeich wie es aber ein edel und vortreffliches Ding um das Gedaͤchtnuͤß/ alſo iſt ſelbiges auch ſehr ſubtil und zaͤrtlich/ alſo/ daß es durch vielerley Sachen kan ſchadhafft gemacht/ ver- derbet und verhindert werden/ als da ſeyn die Kranck- heiten/ Wunden und Streiche auf dem Haupt/ das Alter/ jaͤher Schrecken oder Entſetzen/ uͤbermaͤſſige Sorg und Bekuͤmmernuͤß/ und dann ſonderlich hohe und gefaͤhrliche Faͤlle; Alle dieſe jetzt-erzehlte Stuͤcke bringen den Kraͤfften deß Gedaͤchtnuͤſſes Verletzung/ ſintemahl ſie dem Ort/ wo es ſeinen Sitz hat/ und deren Organis oder Inſtrumenten Schaden zufuͤgen/ und iſt uͤber das zu beobachten/ daß etliche an dem Gedaͤcht-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/692
Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 674. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/692>, abgerufen am 25.11.2024.