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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Deß Academischen
sagte sie/ weil der Vatter/ als dessen Geld sie in Ver-
wahrung hatte/ keine Rechnung von ihr forderte.
Und also ritte Venereus seines Weges/ und kam zwey
Stunden Nachmittag allererst zu Lindau an/ da er
sich in eine Herberge legte/ und wie er in den Eß-Saal
kam/ etwas Speise zunehmen/ sahe er ein überauß
schönes Conterfait an der Wand hangen/ welches ei-
ne Dame fürstellete. Venereus fand an diesem nicht
allein eine sonderbare Kunst deß Meisters/ sondern
eine übermässige Schönheit der geschilderten Per-
son/ welche er unter dem Essen stäts betrachtete/ und
seine Augen weit mehr daran/ als seinen Magen an
den Tractamenten wäydete. Nachdem er endlich
seinen Hunger gestillet/ kam der Hauß-Wirth auß
dem Feld herein/ den er fragte: Was dieses für ein
Conterfait, und ob es dem Original ähnlich seye?
Der Wirth sprach: Mein Herr/ ihr sehet allhier eine
Adeliche Dame, welche vor 2. Jahren schon verheyra-
thet gewesen/ aber mit ihrem Ehe-Herrn annoch in
einer unfruchtbaren Ehe sitzet/ welches ihr etwas nahe
gehet/ sie ist weit schöner/ und so schön/ daß es allen
Mahlern in der Welt/ solte man auch auß ihnen al-
len nur einen einzigen Künstler machen/ ohnmöglich
ist/ ihre Schönheit vollkommen abzubilden. Jhr
sehet zwar allhier einen Entwurff ihrer äusserlichen
Gestalt/ aber die Schönheit ihrer Seelen ist unver-
gleichlich/ allermassen sie den höchsten Grad aller
Haupt-Tugenden besitzet/ indem sie gegen Jederman
freundlich/ freygebig/ keusch/ und überauß andächtig
ist/ dahero ein Jeder wünschet/ daß sie mit Leibes-
Erben beseeliget werde/ damit die Nach-Welt einen
Abdruck solchen unvergleichlichen Geschöpffs behal-
ten und sehen möge.

Venereus forschete/ ob der Edelmann/ dem sie

verhey-

Deß Academiſchen
ſagte ſie/ weil der Vatter/ als deſſen Geld ſie in Ver-
wahrung hatte/ keine Rechnung von ihr forderte.
Und alſo ritte Venereus ſeines Weges/ und kam zwey
Stunden Nachmittag allererſt zu Lindau an/ da er
ſich in eine Herberge legte/ und wie er in den Eß-Saal
kam/ etwas Speiſe zunehmen/ ſahe er ein uͤberauß
ſchoͤnes Conterfait an der Wand hangen/ welches ei-
ne Dame fuͤrſtellete. Venereus fand an dieſem nicht
allein eine ſonderbare Kunſt deß Meiſters/ ſondern
eine uͤbermaͤſſige Schoͤnheit der geſchilderten Per-
ſon/ welche er unter dem Eſſen ſtaͤts betrachtete/ und
ſeine Augen weit mehr daran/ als ſeinen Magen an
den Tractamenten waͤydete. Nachdem er endlich
ſeinen Hunger geſtillet/ kam der Hauß-Wirth auß
dem Feld herein/ den er fragte: Was dieſes fuͤr ein
Conterfait, und ob es dem Original aͤhnlich ſeye?
Der Wirth ſprach: Mein Herꝛ/ ihr ſehet allhier eine
Adeliche Dame, welche vor 2. Jahren ſchon verheyra-
thet geweſen/ aber mit ihrem Ehe-Herꝛn annoch in
einer unfruchtbaren Ehe ſitzet/ welches ihr etwas nahe
gehet/ ſie iſt weit ſchoͤner/ und ſo ſchoͤn/ daß es allen
Mahlern in der Welt/ ſolte man auch auß ihnen al-
len nur einen einzigen Kuͤnſtler machen/ ohnmoͤglich
iſt/ ihre Schoͤnheit vollkommen abzubilden. Jhr
ſehet zwar allhier einen Entwurff ihrer aͤuſſerlichen
Geſtalt/ aber die Schoͤnheit ihrer Seelen iſt unver-
gleichlich/ allermaſſen ſie den hoͤchſten Grad aller
Haupt-Tugenden beſitzet/ indem ſie gegen Jederman
freundlich/ freygebig/ keuſch/ und uͤberauß andaͤchtig
iſt/ dahero ein Jeder wuͤnſchet/ daß ſie mit Leibes-
Erben beſeeliget werde/ damit die Nach-Welt einen
Abdruck ſolchen unvergleichlichen Geſchoͤpffs behal-
ten und ſehen moͤge.

Venereus forſchete/ ob der Edelmann/ dem ſie

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[692/0710] Deß Academiſchen ſagte ſie/ weil der Vatter/ als deſſen Geld ſie in Ver- wahrung hatte/ keine Rechnung von ihr forderte. Und alſo ritte Venereus ſeines Weges/ und kam zwey Stunden Nachmittag allererſt zu Lindau an/ da er ſich in eine Herberge legte/ und wie er in den Eß-Saal kam/ etwas Speiſe zunehmen/ ſahe er ein uͤberauß ſchoͤnes Conterfait an der Wand hangen/ welches ei- ne Dame fuͤrſtellete. Venereus fand an dieſem nicht allein eine ſonderbare Kunſt deß Meiſters/ ſondern eine uͤbermaͤſſige Schoͤnheit der geſchilderten Per- ſon/ welche er unter dem Eſſen ſtaͤts betrachtete/ und ſeine Augen weit mehr daran/ als ſeinen Magen an den Tractamenten waͤydete. Nachdem er endlich ſeinen Hunger geſtillet/ kam der Hauß-Wirth auß dem Feld herein/ den er fragte: Was dieſes fuͤr ein Conterfait, und ob es dem Original aͤhnlich ſeye? Der Wirth ſprach: Mein Herꝛ/ ihr ſehet allhier eine Adeliche Dame, welche vor 2. Jahren ſchon verheyra- thet geweſen/ aber mit ihrem Ehe-Herꝛn annoch in einer unfruchtbaren Ehe ſitzet/ welches ihr etwas nahe gehet/ ſie iſt weit ſchoͤner/ und ſo ſchoͤn/ daß es allen Mahlern in der Welt/ ſolte man auch auß ihnen al- len nur einen einzigen Kuͤnſtler machen/ ohnmoͤglich iſt/ ihre Schoͤnheit vollkommen abzubilden. Jhr ſehet zwar allhier einen Entwurff ihrer aͤuſſerlichen Geſtalt/ aber die Schoͤnheit ihrer Seelen iſt unver- gleichlich/ allermaſſen ſie den hoͤchſten Grad aller Haupt-Tugenden beſitzet/ indem ſie gegen Jederman freundlich/ freygebig/ keuſch/ und uͤberauß andaͤchtig iſt/ dahero ein Jeder wuͤnſchet/ daß ſie mit Leibes- Erben beſeeliget werde/ damit die Nach-Welt einen Abdruck ſolchen unvergleichlichen Geſchoͤpffs behal- ten und ſehen moͤge. Venereus forſchete/ ob der Edelmann/ dem ſie verhey-

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 692. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/710>, abgerufen am 22.11.2024.