Harenberg, Johann Christoph: Vernünftige und Christliche Gedancken Uber die VAMPIRS Oder Bluhtsaugende Todten. Wolfenbüttel, 1733.hat, als Thomasius in dem Buche vom Wesen des Geistes. So viel ich aus des Rüdigers Lehren und den Erklährungen, so er darüber gegeben hat, erkenne, befinde ich, daß er zu jeder Würckung eine Berührung, so in einem cörperlichen Puncte geschiehet, erfordere. So bald wir nun dieses zugeben, folget weiter, daß auch die Seele aus zusammengesetzten Theilen bestehe, weil sie, nach des Herrn Rüdigers Meynung, in den Leib würcket, und der Leib wiederum seine unmittelbahre Würckung der Seele eindrücket. Daher denn dieser berühmte Mann dahin verfallen ist, daß er ausdrücklich gelehret hat, weßmassen die Seele aus ergäntzenden Theilen bestehe, und nur durch eine sonderbahre Gnade GOttes unsterblich sey. Es wird manchem wunderlich scheinen, wie man auf diese Weise die Erschaffung aller Dinge, so fern durch solche das mögliche, so nicht würcklich war, zur Würcklichkeit gebracht worden ist, erklähren könne. Denn wie kann man in dem, so nicht würcklich ist, ein punctum physicum finden, durch dessen Berührung die Würckung zu Stande gerichtet sey? Dieses hat der Herr Rüdiger auch selbst wahrgenommen, und deswegen kam es ihm bedencklich für, den gewöhnlichen Begriff, den wir von der Schöpfung haben, beyzubehalten. Es beliebte ihm demnach seine Meynung also auszudrücken, daß die Schöpfung in einer Darstellung der ausgedehnten Theile bestehe, welche vorhin nur ergäntzende oder integrantes waren. Wir wollen ein Exempel geben. Die kleinsten Eierchens eines Saamen-Körnleins bestehen aus ergäntzenden hat, als Thomasius in dem Buche vom Wesen des Geistes. So viel ich aus des Rüdigers Lehren und den Erklährungen, so er darüber gegeben hat, erkenne, befinde ich, daß er zu jeder Würckung eine Berührung, so in einem cörperlichen Puncte geschiehet, erfordere. So bald wir nun dieses zugeben, folget weiter, daß auch die Seele aus zusammengesetzten Theilen bestehe, weil sie, nach des Herrn Rüdigers Meynung, in den Leib würcket, und der Leib wiederum seine unmittelbahre Würckung der Seele eindrücket. Daher denn dieser berühmte Mann dahin verfallen ist, daß er ausdrücklich gelehret hat, weßmassen die Seele aus ergäntzenden Theilen bestehe, und nur durch eine sonderbahre Gnade GOttes unsterblich sey. Es wird manchem wunderlich scheinen, wie man auf diese Weise die Erschaffung aller Dinge, so fern durch solche das mögliche, so nicht würcklich war, zur Würcklichkeit gebracht worden ist, erklähren könne. Denn wie kann man in dem, so nicht würcklich ist, ein punctum physicum finden, durch dessen Berührung die Würckung zu Stande gerichtet sey? Dieses hat der Herr Rüdiger auch selbst wahrgenommen, und deswegen kam es ihm bedencklich für, den gewöhnlichen Begriff, den wir von der Schöpfung haben, beyzubehalten. Es beliebte ihm demnach seine Meynung also auszudrücken, daß die Schöpfung in einer Darstellung der ausgedehnten Theile bestehe, welche vorhin nur ergäntzende oder integrantes waren. Wir wollen ein Exempel geben. Die kleinsten Eierchens eines Saamen-Körnleins bestehen aus ergäntzenden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0065" n="67"/> hat, als <hi rendition="#aq">Thomasius</hi> in dem Buche vom <hi rendition="#fr">Wesen des Geistes</hi>. So viel ich aus des Rüdigers Lehren und den Erklährungen, so er darüber gegeben hat, erkenne, befinde ich, daß er zu jeder Würckung eine Berührung, so in einem cörperlichen Puncte geschiehet, erfordere. So bald wir nun dieses zugeben, folget weiter, daß auch die Seele aus zusammengesetzten Theilen bestehe, weil sie, nach des Herrn Rüdigers Meynung, in den Leib würcket, und der Leib wiederum seine unmittelbahre Würckung der Seele eindrücket. Daher denn dieser berühmte Mann dahin verfallen ist, daß er ausdrücklich gelehret hat, weßmassen die Seele aus ergäntzenden Theilen bestehe, und nur durch eine sonderbahre Gnade GOttes unsterblich sey. Es wird manchem wunderlich scheinen, wie man auf diese Weise die Erschaffung aller Dinge, so fern durch solche das mögliche, so nicht würcklich war, zur Würcklichkeit gebracht worden ist, erklähren könne. Denn wie kann man in dem, so nicht würcklich ist, ein <hi rendition="#aq">punctum physicum</hi> finden, durch dessen Berührung die Würckung zu Stande gerichtet sey? Dieses hat der Herr Rüdiger auch selbst wahrgenommen, und deswegen kam es ihm bedencklich für, den gewöhnlichen Begriff, den wir von der Schöpfung haben, beyzubehalten. Es beliebte ihm demnach seine Meynung also auszudrücken, daß die Schöpfung in einer Darstellung der ausgedehnten Theile bestehe, welche vorhin nur ergäntzende oder <hi rendition="#aq">integrantes</hi> waren. Wir wollen ein Exempel geben. Die kleinsten Eierchens eines Saamen-Körnleins bestehen aus ergäntzenden </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [67/0065]
hat, als Thomasius in dem Buche vom Wesen des Geistes. So viel ich aus des Rüdigers Lehren und den Erklährungen, so er darüber gegeben hat, erkenne, befinde ich, daß er zu jeder Würckung eine Berührung, so in einem cörperlichen Puncte geschiehet, erfordere. So bald wir nun dieses zugeben, folget weiter, daß auch die Seele aus zusammengesetzten Theilen bestehe, weil sie, nach des Herrn Rüdigers Meynung, in den Leib würcket, und der Leib wiederum seine unmittelbahre Würckung der Seele eindrücket. Daher denn dieser berühmte Mann dahin verfallen ist, daß er ausdrücklich gelehret hat, weßmassen die Seele aus ergäntzenden Theilen bestehe, und nur durch eine sonderbahre Gnade GOttes unsterblich sey. Es wird manchem wunderlich scheinen, wie man auf diese Weise die Erschaffung aller Dinge, so fern durch solche das mögliche, so nicht würcklich war, zur Würcklichkeit gebracht worden ist, erklähren könne. Denn wie kann man in dem, so nicht würcklich ist, ein punctum physicum finden, durch dessen Berührung die Würckung zu Stande gerichtet sey? Dieses hat der Herr Rüdiger auch selbst wahrgenommen, und deswegen kam es ihm bedencklich für, den gewöhnlichen Begriff, den wir von der Schöpfung haben, beyzubehalten. Es beliebte ihm demnach seine Meynung also auszudrücken, daß die Schöpfung in einer Darstellung der ausgedehnten Theile bestehe, welche vorhin nur ergäntzende oder integrantes waren. Wir wollen ein Exempel geben. Die kleinsten Eierchens eines Saamen-Körnleins bestehen aus ergäntzenden
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