Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648.

Bild:
<< vorherige Seite

Die eilffte Stund.
art/ durch und durch beschreibet. Wir wollen ein
kurtzes Exempel einer einschichtigen Erzehlung
aus Hironymo * anführen und dasselbe benamen
Nicedam/ oder den Sieg der Keuschheit.
Der Jnhalt verhält sich kürtzlich also: Der Ty-
rann Decius hat einen Jüngling in eines lieblichen
Gartens Sommerhaus führen/ und durch eine
angestellte Dirn zur Wollust wollen verleiten las-
sen; als ihm aber Hände und Füsse gebunden/ hat
er ihm selbsten die Zunge abgebissen/ und der gei-
len Metzen in das Angesicht gespeyet. Diese Ge-
schichte kan also ausgedichtet werden.

Wie? raset ohne Rast der Menschen Lust.
beginnen/
und wil in fernem Land gefährten Sieg
gewinnen/
da/ leider/ in uns selbst des Feinds er-
grimmte Hand/
(ich sage Fleisch und Blut) mit hellem
Liebesbrand.
beflammet unser Hertz. Vernunft liegt in
der Aschen/
unreinen Sündenwust die Threnen solten
waschen/
nach
* In vita S. Pauli c. 3. Baronius An. 253.
G iij

Die eilffte Stund.
art/ durch und durch beſchreibet. Wir wollen ein
kurtzes Exempel einer einſchichtigen Erzehlung
aus Hironymo * anfuͤhren und daſſelbe benamẽ
Nicedam/ oder den Sieg der Keuſchheit.
Der Jnhalt verhaͤlt ſich kuͤrtzlich alſo: Der Ty-
rann Decius hat einen Juͤngling in eines lieblichẽ
Gartens Sommerhaus fuͤhren/ und durch eine
angeſtellte Dirn zur Wolluſt wollen verleiten laſ-
ſen; als ihm aber Haͤnde und Fuͤſſe gebunden/ hat
er ihm ſelbſten die Zunge abgebiſſen/ und der gei-
len Metzen in das Angeſicht geſpeyet. Dieſe Ge-
ſchichte kan alſo ausgedichtet werden.

Wie? raſet ohne Raſt der Menſchen Luſt.
beginnen/
und wil in fernem Land gefaͤhrten Sieg
gewinnen/
da/ leider/ in uns ſelbſt des Feinds er-
grimmte Hand/
(ich ſage Fleiſch und Blut) mit hellem
Liebesbrand.
beflammet unſer Hertz. Vernunft liegt in
der Aſchen/
unreinen Suͤndenwuſt die Threnen ſolten
waſchen/
nach
* In vita S. Pauli c. 3. Baronius An. 253.
G iij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0101" n="87"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die eilffte Stund.</hi></fw><lb/>
art/ durch und durch be&#x017F;chreibet. Wir wollen ein<lb/>
kurtzes Exempel einer ein&#x017F;chichtigen Erzehlung<lb/>
aus Hironymo <note place="foot" n="*"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">In vita S. Pauli c. 3. Baronius An. 253.</hi></hi></note> anfu&#x0364;hren und da&#x017F;&#x017F;elbe bename&#x0303;<lb/><hi rendition="#fr">Nicedam/</hi> oder den <hi rendition="#fr">Sieg der Keu&#x017F;chheit.</hi><lb/>
Der Jnhalt verha&#x0364;lt &#x017F;ich ku&#x0364;rtzlich al&#x017F;o: Der Ty-<lb/>
rann Decius hat einen Ju&#x0364;ngling in eines liebliche&#x0303;<lb/>
Gartens Sommerhaus fu&#x0364;hren/ und durch eine<lb/>
ange&#x017F;tellte Dirn zur Wollu&#x017F;t wollen verleiten la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en; als ihm aber Ha&#x0364;nde und Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e gebunden/ hat<lb/>
er ihm &#x017F;elb&#x017F;ten die Zunge abgebi&#x017F;&#x017F;en/ und der gei-<lb/>
len Metzen in das Ange&#x017F;icht ge&#x017F;peyet. Die&#x017F;e Ge-<lb/>
&#x017F;chichte kan al&#x017F;o ausgedichtet werden.</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l> <hi rendition="#fr">Wie? ra&#x017F;et ohne Ra&#x017F;t der Men&#x017F;chen Lu&#x017F;t.</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">beginnen/</hi> </hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">und wil in fernem Land gefa&#x0364;hrten Sieg</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#et">gewinnen/</hi> </hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">da/ leider/ in uns &#x017F;elb&#x017F;t des Feinds er-</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#et">grimmte Hand/</hi> </hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">(ich &#x017F;age Flei&#x017F;ch und Blut) mit hellem</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#et">Liebesbrand.</hi> </hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">beflammet un&#x017F;er Hertz. Vernunft liegt in</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#et">der A&#x017F;chen/</hi> </hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">unreinen Su&#x0364;ndenwu&#x017F;t die Threnen &#x017F;olten</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#et">wa&#x017F;chen/</hi> </hi> </l><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">G iij</fw>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">nach</hi> </fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0101] Die eilffte Stund. art/ durch und durch beſchreibet. Wir wollen ein kurtzes Exempel einer einſchichtigen Erzehlung aus Hironymo * anfuͤhren und daſſelbe benamẽ Nicedam/ oder den Sieg der Keuſchheit. Der Jnhalt verhaͤlt ſich kuͤrtzlich alſo: Der Ty- rann Decius hat einen Juͤngling in eines lieblichẽ Gartens Sommerhaus fuͤhren/ und durch eine angeſtellte Dirn zur Wolluſt wollen verleiten laſ- ſen; als ihm aber Haͤnde und Fuͤſſe gebunden/ hat er ihm ſelbſten die Zunge abgebiſſen/ und der gei- len Metzen in das Angeſicht geſpeyet. Dieſe Ge- ſchichte kan alſo ausgedichtet werden. Wie? raſet ohne Raſt der Menſchen Luſt. beginnen/ und wil in fernem Land gefaͤhrten Sieg gewinnen/ da/ leider/ in uns ſelbſt des Feinds er- grimmte Hand/ (ich ſage Fleiſch und Blut) mit hellem Liebesbrand. beflammet unſer Hertz. Vernunft liegt in der Aſchen/ unreinen Suͤndenwuſt die Threnen ſolten waſchen/ nach * In vita S. Pauli c. 3. Baronius An. 253. G iij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/101
Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/101>, abgerufen am 14.05.2024.