Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648.Die eilffte Stund. welchen in dem VI. Theil der Gesprächspiele Mel-dung beschehen. Der Weltberühmte Heinsius vermeint/ daß solches dem Poeten nicht angehöre/ weil Aristoteles nicht darvon geschrieben/ und gleichwie die Rede eine Rede ist/ welche in Schrif- ten verfasset und nicht gehöret wird/ also sey auch das Trauerspiel in seiner Vollkommenheit/ ohne würkliche Handlung. Es fraget aber Mesnar- diere/ * wem dann solche Auszierung des Schau- platzes zustehe? Wie ein Feldheer nicht ein Lust- haus zu der Wahlstatt seiner Schlacht wehlet/ sondern den Ort/ (ob es Sand/ Stein/ Letten/ etc.) desselben Höhe/ Wasser/ Erdrich/ und alle Be- schaffenheit wol erkundiget/ wo er Ehre einzulegen gedenket; also sol gewisslich auch der Poet die Zu- gehör des Schauplatzes/ auf welchem sein Ge- dicht vorgestellet werden sol/ als ein Stück seiner Kunst verstehen/ und anzuordnen wissen/ und hierinnen keinen andern einen Theil seines Lobs überlassen. So oft ein andres Land/ oder eine an- dre Statt vonnöhten/ so oft sol sich der Schau- platz verändern. Die Gefangenen sollen aus dem Gefängniß reden. 17. Mit dem Trauerspiel hat eine grosse Ver- art/ * f. 441.
Die eilffte Stund. welchen in dem VI. Theil der Geſpraͤchſpiele Mel-dung beſchehen. Der Weltberuͤhmte Heinſius vermeint/ daß ſolches dem Poeten nicht angehoͤre/ weil Ariſtoteles nicht darvon geſchrieben/ und gleichwie die Rede eine Rede iſt/ welche in Schrif- ten verfaſſet und nicht gehoͤret wird/ alſo ſey auch das Trauerſpiel in ſeiner Vollkommenheit/ ohne wuͤrkliche Handlung. Es fraget aber Meſnar- diere/ * wem dann ſolche Auszierung des Schau- platzes zuſtehe? Wie ein Feldheer nicht ein Luſt- haus zu der Wahlſtatt ſeiner Schlacht wehlet/ ſondern den Ort/ (ob es Sand/ Stein/ Letten/ ꝛc.) deſſelben Hoͤhe/ Waſſer/ Erdrich/ und alle Be- ſchaffenheit wol erkundiget/ wo er Ehre einzulegen gedenket; alſo ſol gewiſſlich auch der Poet die Zu- gehoͤr des Schauplatzes/ auf welchem ſein Ge- dicht vorgeſtellet werden ſol/ als ein Stuͤck ſeiner Kunſt verſtehen/ und anzuordnen wiſſen/ und hierinnen keinen andern einen Theil ſeines Lobs uͤberlaſſen. So oft ein andres Land/ oder eine an- dre Statt vonnoͤhten/ ſo oft ſol ſich der Schau- platz veraͤndern. Die Gefangenen ſollen aus dem Gefaͤngniß reden. 17. Mit dem Trauerſpiel hat eine groſſe Ver- art/ * f. 441.
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Die eilffte Stund.
welchen in dem VI. Theil der Geſpraͤchſpiele Mel-
dung beſchehen. Der Weltberuͤhmte Heinſius
vermeint/ daß ſolches dem Poeten nicht angehoͤre/
weil Ariſtoteles nicht darvon geſchrieben/ und
gleichwie die Rede eine Rede iſt/ welche in Schrif-
ten verfaſſet und nicht gehoͤret wird/ alſo ſey auch
das Trauerſpiel in ſeiner Vollkommenheit/ ohne
wuͤrkliche Handlung. Es fraget aber Meſnar-
diere/ * wem dann ſolche Auszierung des Schau-
platzes zuſtehe? Wie ein Feldheer nicht ein Luſt-
haus zu der Wahlſtatt ſeiner Schlacht wehlet/
ſondern den Ort/ (ob es Sand/ Stein/ Letten/ ꝛc.)
deſſelben Hoͤhe/ Waſſer/ Erdrich/ und alle Be-
ſchaffenheit wol erkundiget/ wo er Ehre einzulegen
gedenket; alſo ſol gewiſſlich auch der Poet die Zu-
gehoͤr des Schauplatzes/ auf welchem ſein Ge-
dicht vorgeſtellet werden ſol/ als ein Stuͤck ſeiner
Kunſt verſtehen/ und anzuordnen wiſſen/ und
hierinnen keinen andern einen Theil ſeines Lobs
uͤberlaſſen. So oft ein andres Land/ oder eine an-
dre Statt vonnoͤhten/ ſo oft ſol ſich der Schau-
platz veraͤndern. Die Gefangenen ſollen aus dem
Gefaͤngniß reden.
17. Mit dem Trauerſpiel hat eine groſſe Ver-
wandſchaft das Heldenlied/ welches tapfere Tha-
ten/ ſo zu einem Spiel viel zu lang/ in einer Reim-
art/
* f. 441.
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