Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648.

Bild:
<< vorherige Seite

Die neunde Stund.
Stuck/ und ist besser von einer Sache stillschwei-
gen/ als unverständig reden.

4. Jns gemein kan man von den Anfang/
Mittel
und Ende eines jeden Dinges genug zu
reden finden. Als wann man in den Trauergedichten
von dem Tod/ der ewigen Seeligkeit/ des Mensch-
lichen Lebens Kürtze/ Jammer und Eitelkeit han-
delt. Jn den Hochzeit- oder Festgedichten/ (wie
es die Niederländer nennen) führet man an von
des Ehestands und der Liebe Beschaffenheit/ von
dem Haushalten/ von dem Kindersegen/ etc. Jn
den Lobgedichten/ pflegt man der vorwesenden
Sache Vhrheber/ erforderten Fleiß/ Nutzen und
Frommen/ etc. zu betrachten und solches alles
oder nur ein Stuck derselben mit Poetischen Wor-
ten zu beschreiben.

5. Hier sollen aber alle Glieder des Gedichts
gleichgestaltet beysammengefüget seyn/ allermas-
sen eine lange Nasen zu einem kurtzen Fuß/ und
eine kleine Hand zu einem grossen Haubt/ sich ü-
belschicken würde. Sonderlich aber sihet man des
Poeten Kunst in der Beschreibung/ welche ein
redendes Gemähl/ und mit den natürlichen Wor-
ten eigentlichst ausgebildet seyn sol/ von welchel-
folget.

6. Drittens sind die Vmstände vornemlich
dreyerley/ welche zu feinen Erfindungen dienen

kön-

Die neunde Stund.
Stuck/ und iſt beſſer von einer Sache ſtillſchwei-
gen/ als unverſtaͤndig reden.

4. Jns gemein kan man von den Anfang/
Mittel
und Ende eines jeden Dinges genug zu
redẽ finden. Als wañ man in den Trauergedichten
von dem Tod/ der ewigen Seeligkeit/ des Menſch-
lichen Lebens Kuͤrtze/ Jammer und Eitelkeit han-
delt. Jn den Hochzeit- oder Feſtgedichten/ (wie
es die Niederlaͤnder nennen) fuͤhret man an von
des Eheſtands und der Liebe Beſchaffenheit/ von
dem Haushalten/ von dem Kinderſegen/ etc. Jn
den Lobgedichten/ pflegt man der vorweſenden
Sache Vhrheber/ erfordertẽ Fleiß/ Nutzen und
Frommen/ etc. zu betrachten und ſolches alles
oder nur ein Stuck derſelben mit Poetiſchen Wor-
ten zu beſchreiben.

5. Hier ſollen aber alle Glieder des Gedichts
gleichgeſtaltet beyſammengefuͤget ſeyn/ allermaſ-
ſen eine lange Naſen zu einem kurtzen Fuß/ und
eine kleine Hand zu einem groſſen Haubt/ ſich uͤ-
belſchicken wuͤrde. Sonderlich aber ſihet man des
Poeten Kunſt in der Beſchreibung/ welche ein
redendes Gemaͤhl/ und mit den natuͤrlichen Wor-
ten eigentlichſt ausgebildet ſeyn ſol/ von welchel-
folget.

6. Drittens ſind die Vmſtaͤnde vornemlich
dreyerley/ welche zu feinen Erfindungen dienen

koͤn-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0047" n="33"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die neunde Stund.</hi></fw><lb/>
Stuck/ und i&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;er von einer Sache &#x017F;till&#x017F;chwei-<lb/>
gen/ als unver&#x017F;ta&#x0364;ndig reden.</p><lb/>
        <p>4. Jns gemein kan man von den <hi rendition="#fr">Anfang/<lb/>
Mittel</hi> und <hi rendition="#fr">Ende</hi> eines jeden Dinges genug zu<lb/>
rede&#x0303; finden. Als wañ man in den Trauergedichten<lb/>
von dem Tod/ der ewigen Seeligkeit/ des Men&#x017F;ch-<lb/>
lichen Lebens Ku&#x0364;rtze/ Jammer und Eitelkeit han-<lb/>
delt. Jn den Hochzeit- oder Fe&#x017F;tgedichten/ (wie<lb/>
es die Niederla&#x0364;nder nennen) fu&#x0364;hret man an von<lb/>
des Ehe&#x017F;tands und der Liebe Be&#x017F;chaffenheit/ von<lb/>
dem Haushalten/ von dem Kinder&#x017F;egen/ etc. Jn<lb/>
den Lobgedichten/ pflegt man der vorwe&#x017F;enden<lb/>
Sache Vhrheber/ erforderte&#x0303; Fleiß/ Nutzen und<lb/>
Frommen/ etc. zu betrachten und &#x017F;olches alles<lb/>
oder nur ein Stuck der&#x017F;elben mit Poeti&#x017F;chen Wor-<lb/>
ten zu be&#x017F;chreiben.</p><lb/>
        <p>5. Hier &#x017F;ollen aber alle Glieder des Gedichts<lb/>
gleichge&#x017F;taltet bey&#x017F;ammengefu&#x0364;get &#x017F;eyn/ allerma&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en eine lange Na&#x017F;en zu einem kurtzen Fuß/ und<lb/>
eine kleine Hand zu einem gro&#x017F;&#x017F;en Haubt/ &#x017F;ich u&#x0364;-<lb/>
bel&#x017F;chicken wu&#x0364;rde. Sonderlich aber &#x017F;ihet man des<lb/>
Poeten Kun&#x017F;t in der Be&#x017F;chreibung/ welche ein<lb/>
redendes Gema&#x0364;hl/ und mit den natu&#x0364;rlichen Wor-<lb/>
ten eigentlich&#x017F;t ausgebildet &#x017F;eyn &#x017F;ol/ von welchel-<lb/>
folget.</p><lb/>
        <p>6. Drittens &#x017F;ind die Vm&#x017F;ta&#x0364;nde vornemlich<lb/>
dreyerley/ welche zu feinen Erfindungen dienen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ko&#x0364;n-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0047] Die neunde Stund. Stuck/ und iſt beſſer von einer Sache ſtillſchwei- gen/ als unverſtaͤndig reden. 4. Jns gemein kan man von den Anfang/ Mittel und Ende eines jeden Dinges genug zu redẽ finden. Als wañ man in den Trauergedichten von dem Tod/ der ewigen Seeligkeit/ des Menſch- lichen Lebens Kuͤrtze/ Jammer und Eitelkeit han- delt. Jn den Hochzeit- oder Feſtgedichten/ (wie es die Niederlaͤnder nennen) fuͤhret man an von des Eheſtands und der Liebe Beſchaffenheit/ von dem Haushalten/ von dem Kinderſegen/ etc. Jn den Lobgedichten/ pflegt man der vorweſenden Sache Vhrheber/ erfordertẽ Fleiß/ Nutzen und Frommen/ etc. zu betrachten und ſolches alles oder nur ein Stuck derſelben mit Poetiſchen Wor- ten zu beſchreiben. 5. Hier ſollen aber alle Glieder des Gedichts gleichgeſtaltet beyſammengefuͤget ſeyn/ allermaſ- ſen eine lange Naſen zu einem kurtzen Fuß/ und eine kleine Hand zu einem groſſen Haubt/ ſich uͤ- belſchicken wuͤrde. Sonderlich aber ſihet man des Poeten Kunſt in der Beſchreibung/ welche ein redendes Gemaͤhl/ und mit den natuͤrlichen Wor- ten eigentlichſt ausgebildet ſeyn ſol/ von welchel- folget. 6. Drittens ſind die Vmſtaͤnde vornemlich dreyerley/ welche zu feinen Erfindungen dienen koͤn-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/47
Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/47>, abgerufen am 21.11.2024.