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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648.

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Die zehende Stund.
uns mehr/ als was wir leichtlich gewinnen;
und gleichwie ein Safft/ durch ein Glas/

fährter fort/ schöner scheinet/ also gefället
uns die Wahrheit in einem schönen Gleich-
niß: Oder/ wie der Sonnen Stral ver-
mittelst eines Hohlspiegels hefftiger bren-
net/ also durchdringet und beflammet auch
die Gleichniß der Menschen Sinn.

2. Die Vergleichung aber bestehet in einem/
oder mehr Stücken/ und findet sich oft in gantz
widrigen Sachen. Jn einem Stück lässet sich
vergleichen der Geitz/ und die Wassersucht/ nem-
lich in der Begierd; ein Ackersmann mit der O-
meis/ wegen der Arbeit/ die Krohen mit den Ehe-
gatten/ wegen ihrer Einigkeit.

3. Jn vielen Stucken bestehet die Gleichniß/
wann zwey gegeneinander gehalten und durch al-
le Theile betrachtet werden/ wie dorten * der Ochs
sich beklagt über der Menschen Vmbarmhertzig-
keit/ folgenden Jnhalts: Bin ich/ sagt er/ so ein
geringes Thier/ aller Verständnis und
Hirns beraubt/ wie mich die jenigen nen-
nen/ welche Menschen heissen/ und sich den
unvernünftigen Thieren gleich verhalten?
Jch bin sowol nach der Natur erzeuget/
als sie; Jch bin sowol mit einem lebendi-

gen
* Bey Arnob. advers. gentes.

Die zehende Stund.
uns mehr/ als was wir leichtlich gewiñen;
und gleichwie ein Safft/ durch ein Glas/

faͤhrter fort/ ſchoͤner ſcheinet/ alſo gefaͤllet
uns die Wahrheit in einem ſchoͤnẽ Gleich-
niß: Oder/ wie der Sonnen Stral ver-
mittelſt eines Hohlſpiegels hefftiger bren-
net/ alſo durchdringet und beflam̃et auch
die Gleichniß der Menſchen Sinn.

2. Die Vergleichung aber beſtehet in einem/
oder mehr Stuͤcken/ und findet ſich oft in gantz
widrigen Sachen. Jn einem Stuͤck laͤſſet ſich
vergleichen der Geitz/ und die Waſſerſucht/ nem-
lich in der Begierd; ein Ackersmann mit der O-
meiſ/ wegen der Arbeit/ die Krohen mit den Ehe-
gatten/ wegen ihrer Einigkeit.

3. Jn vielen Stucken beſtehet die Gleichniß/
wann zwey gegeneinander gehalten und durch al-
le Theile betrachtet werden/ wie dorten * der Ochs
ſich beklagt uͤber der Menſchen Vmbarmhertzig-
keit/ folgenden Jnhalts: Bin ich/ ſagt er/ ſo ein
geringes Thier/ aller Verſtaͤndnis und
Hirns beraubt/ wie mich die jenigen nen-
nen/ welche Menſchen heiſſen/ und ſich dẽ
unvernuͤnftigen Thieren gleich verhalten?
Jch bin ſowol nach der Natur erzeuget/
als ſie; Jch bin ſowol mit einem lebendi-

gen
* Bey Arnob. adverſ. gentes.
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[50/0064] Die zehende Stund. uns mehr/ als was wir leichtlich gewiñen; und gleichwie ein Safft/ durch ein Glas/ faͤhrter fort/ ſchoͤner ſcheinet/ alſo gefaͤllet uns die Wahrheit in einem ſchoͤnẽ Gleich- niß: Oder/ wie der Sonnen Stral ver- mittelſt eines Hohlſpiegels hefftiger bren- net/ alſo durchdringet und beflam̃et auch die Gleichniß der Menſchen Sinn. 2. Die Vergleichung aber beſtehet in einem/ oder mehr Stuͤcken/ und findet ſich oft in gantz widrigen Sachen. Jn einem Stuͤck laͤſſet ſich vergleichen der Geitz/ und die Waſſerſucht/ nem- lich in der Begierd; ein Ackersmann mit der O- meiſ/ wegen der Arbeit/ die Krohen mit den Ehe- gatten/ wegen ihrer Einigkeit. 3. Jn vielen Stucken beſtehet die Gleichniß/ wann zwey gegeneinander gehalten und durch al- le Theile betrachtet werden/ wie dorten * der Ochs ſich beklagt uͤber der Menſchen Vmbarmhertzig- keit/ folgenden Jnhalts: Bin ich/ ſagt er/ ſo ein geringes Thier/ aller Verſtaͤndnis und Hirns beraubt/ wie mich die jenigen nen- nen/ welche Menſchen heiſſen/ und ſich dẽ unvernuͤnftigen Thieren gleich verhalten? Jch bin ſowol nach der Natur erzeuget/ als ſie; Jch bin ſowol mit einem lebendi- gen * Bey Arnob. adverſ. gentes.

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/64>, abgerufen am 24.11.2024.