Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648.Die eilffte Stund. einer Vnthat und erschröcklichen Grausamkeit/welche wir hören oder sehen. Solche Gemüts- bewegung findet sich/ wann wir ein Laster scheuen ernstlich und plötzlich straffen/ daß wir in unsrem Gewissen auch befinden; und wir werden zu Mit- leiden veranlasst/ wann wir einen Vnschuldigen viel Vbel leiden sehen. Der Held/ welchen der Poet in dem Trauerspiel aufführet sol ein Exem- pel seyn aller vollkommenen Tugenden/ und von der Vntreue seiner Freunde/ und Feinde betrübet werden; jedoch dergestalt/ daß er sich in allen Be- gebenheiten großmütig erweise und den Schmer- tzen/ welcher mit Seufftzen/ Erhebung der Stimm/ und vielen Klagworten hervorbricht/ mit Tapfer- keit überwinde. 14. * Scaliger hält unter andern für einen Feh- der * l. 1. Poet. c. 2. 1.
Die eilffte Stund. einer Vnthat und erſchroͤcklichen Grauſamkeit/welche wir hoͤren oder ſehen. Solche Gemuͤts- bewegung findet ſich/ wann wir ein Laſter ſcheuen ernſtlich und ploͤtzlich ſtraffen/ daß wir in unſrem Gewiſſen auch befinden; und wir werden zu Mit- leiden veranlaſſt/ wann wir einen Vnſchuldigen viel Vbel leiden ſehen. Der Held/ welchen der Poet in dem Trauerſpiel auffuͤhret ſol ein Exem- pel ſeyn aller vollkommenen Tugenden/ und von der Vntreue ſeiner Freunde/ und Feinde betruͤbet werden; jedoch dergeſtalt/ daß er ſich in allen Be- gebenheiten großmuͤtig erweiſe und den Schmer- tzen/ welcher mit Seufftzẽ/ Erhebung der Stim̃/ und vielen Klagworten hervorbricht/ mit Tapfer- keit uͤberwinde. 14. * Scaliger haͤlt unter andern fuͤr einen Feh- der * l. 1. Poet. c. 2. 1.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0098" n="84"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die eilffte Stund.</hi></fw><lb/> einer Vnthat und erſchroͤcklichen Grauſamkeit/<lb/> welche wir hoͤren oder ſehen. Solche Gemuͤts-<lb/> bewegung findet ſich/ wann wir ein Laſter ſcheuen<lb/> ernſtlich und ploͤtzlich ſtraffen/ daß wir in unſrem<lb/> Gewiſſen auch befinden; und wir werden zu Mit-<lb/> leiden veranlaſſt/ wann wir einen Vnſchuldigen<lb/> viel Vbel leiden ſehen. Der Held/ welchen der<lb/> Poet in dem Trauerſpiel auffuͤhret ſol ein Exem-<lb/> pel ſeyn aller vollkommenen Tugenden/ und von<lb/> der Vntreue ſeiner Freunde/ und Feinde betruͤbet<lb/> werden; jedoch dergeſtalt/ daß er ſich in allen Be-<lb/> gebenheiten großmuͤtig erweiſe und den Schmer-<lb/> tzen/ welcher mit Seufftzẽ/ Erhebung der Stim̃/<lb/> und vielen Klagworten hervorbricht/ mit Tapfer-<lb/> keit uͤberwinde.</p><lb/> <p>14. <note place="foot" n="*"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">l. 1. Poet. c. 2. 1.</hi></hi></note> Scaliger haͤlt unter andern fuͤr einen Feh-<lb/> ler/ wañ iemand beyſeits redend eingefuͤhret wird/<lb/> daß es die Zuhoͤrer vernemen koͤnnen/ welche viel-<lb/> mals entfernet; der aber auf der Binne na-<lb/> hend darbeyſtehet/ ſol es nicht hoͤren. Etliche ant-<lb/> worten/ daß der Schauplatz vorgeſtellet werde/<lb/> als eine Statt/ oder ein Land/ in welchem wol viel<lb/> zugleich reden/ und doch nicht voneinander gehoͤ-<lb/> ret werden koͤnne. Dieſes aber kan der Zuſe-<lb/> her nicht errahten/ man vermelde es dañ/ und pfle-<lb/> gen ſolche Perſonen/ auch mehrmals miteinan-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [84/0098]
Die eilffte Stund.
einer Vnthat und erſchroͤcklichen Grauſamkeit/
welche wir hoͤren oder ſehen. Solche Gemuͤts-
bewegung findet ſich/ wann wir ein Laſter ſcheuen
ernſtlich und ploͤtzlich ſtraffen/ daß wir in unſrem
Gewiſſen auch befinden; und wir werden zu Mit-
leiden veranlaſſt/ wann wir einen Vnſchuldigen
viel Vbel leiden ſehen. Der Held/ welchen der
Poet in dem Trauerſpiel auffuͤhret ſol ein Exem-
pel ſeyn aller vollkommenen Tugenden/ und von
der Vntreue ſeiner Freunde/ und Feinde betruͤbet
werden; jedoch dergeſtalt/ daß er ſich in allen Be-
gebenheiten großmuͤtig erweiſe und den Schmer-
tzen/ welcher mit Seufftzẽ/ Erhebung der Stim̃/
und vielen Klagworten hervorbricht/ mit Tapfer-
keit uͤberwinde.
14. * Scaliger haͤlt unter andern fuͤr einen Feh-
ler/ wañ iemand beyſeits redend eingefuͤhret wird/
daß es die Zuhoͤrer vernemen koͤnnen/ welche viel-
mals entfernet; der aber auf der Binne na-
hend darbeyſtehet/ ſol es nicht hoͤren. Etliche ant-
worten/ daß der Schauplatz vorgeſtellet werde/
als eine Statt/ oder ein Land/ in welchem wol viel
zugleich reden/ und doch nicht voneinander gehoͤ-
ret werden koͤnne. Dieſes aber kan der Zuſe-
her nicht errahten/ man vermelde es dañ/ und pfle-
gen ſolche Perſonen/ auch mehrmals miteinan-
der
* l. 1. Poet. c. 2. 1.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |