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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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Von der Rede Zierlichkeit.
reiche Zier unser Sprache verstehen lernen/ und
sich solcher Bemühung in allen Begebenheiten
zu bedienen wissen. Wir wollen nun auf die
Kunstquellen solcher zierlichen Veränderungen
sehen/ nachfolgendes besser zu untersuchen.

67. Fast eine jede Sache kan auf dreyerley
Art verändert werden. 1. Wann das Wort mit
einem gleichdeutenden Wort ausgesprochen und
geschrieben wird/ als der Wen/ die Strassen/
die B[a]hn/ das Gleiß. Diese gleichdeutende
Wörter geben wir eine Sache zuverstehen/ ob
wol unter denselben einesondere Unterscheid seyn
möchte. Jedoch dienet solche Abwechslung zu
grosser Zierlichkeit/ so wol den Reimen/ als den
wolklingenden Laut der Rede zuerfüllen/ und dz Ohr
zu belustigen. Diese aber müssen nicht mißbrau-
chet/ und durchdas Beywort unterschieden wer-
den. Zum Exempel: Sie gehen von der breiten
ausgebanten Strassen/ auf den schmalen ne-"
ben Weg/ Beyweg/ Abweg etc. Wie deß Phi-"
losophi Gebrauch ist/ alles auf das genäuste zu"
unterscheiden; also folget ihm hierinnen der"
Poet/ und beschreibet alles auf das genäuste/ als
ob es für Augen stünde.

68. Zum zweyten/ verändert man die Rede/
wann man den Leser oder Hörer durch unter-
schiedliche Wege/ gleichsam zu einem Ziel führet/
oder ihm unterschiedliche Bilder weiset/ die alle

einer-
E iij

Von der Rede Zierlichkeit.
reiche Zier unſer Sprache verſtehen lernen/ und
ſich ſolcher Bemuͤhung in allen Begebenheiten
zu bedienen wiſſen. Wir wollen nun auf die
Kunſtquellen ſolcher zierlichen Veraͤnderungen
ſehen/ nachfolgendes beſſer zu unterſuchen.

67. Faſt eine jede Sache kan auf dreyerley
Art veraͤndert werden. 1. Wann das Wort mit
einem gleichdeutenden Wort ausgeſprochen uñ
geſchrieben wird/ als der Wen/ die Straſſen/
die B[a]hn/ das Gleiß. Dieſe gleichdeutende
Woͤrter geben wir eine Sache zuverſtehen/ ob
wol unter denſelben eineſondere Unteꝛſcheid ſeyn
moͤchte. Jedoch dienet ſolche Abwechslung zu
groſſer Zierlichkeit/ ſo wol den Reimen/ als den
wolklingendẽ Laut der Rede zuerfuͤllẽ/ und dz Ohr
zu beluſtigen. Dieſe aber muͤſſen nicht mißbrau-
chet/ und durchdas Beywort unterſchieden wer-
den. Zum Exempel: Sie gehen von der breiten
ausgebanten Straſſen/ auf den ſchmalen ne-„
ben Weg/ Beyweg/ Abweg ꝛc. Wie deß Phi-„
loſophi Gebrauch iſt/ alles auf das genaͤuſte zu„
unterſcheiden; alſo folget ihm hierinnen der„
Poêt/ und beſchreibet alles auf das genaͤuſte/ als
ob es fuͤr Augen ſtuͤnde.

68. Zum zweyten/ veraͤndert man die Rede/
wann man den Leſer oder Hoͤrer durch unter-
ſchiedliche Wege/ gleichſam zu einem Ziel fuͤhret/
oder ihm unterſchiedliche Bilder weiſet/ die alle

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[69/0101] Von der Rede Zierlichkeit. reiche Zier unſer Sprache verſtehen lernen/ und ſich ſolcher Bemuͤhung in allen Begebenheiten zu bedienen wiſſen. Wir wollen nun auf die Kunſtquellen ſolcher zierlichen Veraͤnderungen ſehen/ nachfolgendes beſſer zu unterſuchen. 67. Faſt eine jede Sache kan auf dreyerley Art veraͤndert werden. 1. Wann das Wort mit einem gleichdeutenden Wort ausgeſprochen uñ geſchrieben wird/ als der Wen/ die Straſſen/ die Bahn/ das Gleiß. Dieſe gleichdeutende Woͤrter geben wir eine Sache zuverſtehen/ ob wol unter denſelben eineſondere Unteꝛſcheid ſeyn moͤchte. Jedoch dienet ſolche Abwechslung zu groſſer Zierlichkeit/ ſo wol den Reimen/ als den wolklingendẽ Laut der Rede zuerfuͤllẽ/ und dz Ohr zu beluſtigen. Dieſe aber muͤſſen nicht mißbrau- chet/ und durchdas Beywort unterſchieden wer- den. Zum Exempel: Sie gehen von der breiten ausgebanten Straſſen/ auf den ſchmalen ne-„ ben Weg/ Beyweg/ Abweg ꝛc. Wie deß Phi-„ loſophi Gebrauch iſt/ alles auf das genaͤuſte zu„ unterſcheiden; alſo folget ihm hierinnen der„ Poêt/ und beſchreibet alles auf das genaͤuſte/ als ob es fuͤr Augen ſtuͤnde. 68. Zum zweyten/ veraͤndert man die Rede/ wann man den Leſer oder Hoͤrer durch unter- ſchiedliche Wege/ gleichſam zu einem Ziel fuͤhret/ oder ihm unterſchiedliche Bilder weiſet/ die alle einer- E iij

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/101>, abgerufen am 21.11.2024.