Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.X. bildet werden/ darunter jedesmahl die füglichstenauszuwehlen/ welche nemlich von sichbaren und nicht unsichtbaren Sachen handlen. Betrachtet man die Vorbilder deß Alten Testaments/ und hält sie gegen der Erfüllung deß Neuen Testa- ments/ so wird erhellen/ daß das Alte/ so auf Christum abgesehen/ nachdenklich erfüllet wor- den/ und daß nicht nur die Wort/ sondern auch die Geschichte geistliche Geheimnissen ausgebil- det/ wie hiervon zu lesen die Vorrede der Sonn- tags Andachten. Diese Bildkunst/ und Sinn- bild-Kunst dienet nicht nur dem Redner zu be- weglicher Darstellung seiner Sachen/ sondern auch den Poeten/ wann er solche Gemähle seinen Versen schicklich beybringen/ und von derglei- chen Erfindungen seinen Jnhalt absehen kan. Mancher blätterte lang in einem Buch: so bald er aber ein Figur sihet hält er still und lieset/ was beygeschrieben ist. Wie ein Königlicher Palast mit vielen Seulen/ Bildern/ Rosen und derglei- chen gezieret ist/ also machet auch die Mahlerey und Bilderey ein Gedicht prächtig/ ansehlich und beliebet. "99. Es hat aber das Bild § 93. besagter Wach-
X. bildet werden/ darunter jedesmahl die fuͤglichſtenauszuwehlen/ welche nemlich von ſichbaren und nicht unſichtbaren Sachen handlen. Betrachtet man die Vorbilder deß Alten Teſtaments/ und haͤlt ſie gegen der Erfuͤllung deß Neuen Teſta- ments/ ſo wird erhellen/ daß das Alte/ ſo auf Chriſtum abgeſehen/ nachdenklich erfuͤllet wor- den/ und daß nicht nur die Wort/ ſondern auch die Geſchichte geiſtliche Geheimniſſen ausgebil- det/ wie hiervon zu leſen die Vorrede der Sonn- tags Andachten. Dieſe Bildkunſt/ und Sinn- bild-Kunſt dienet nicht nur dem Redner zu be- weglicher Darſtellung ſeiner Sachen/ ſondern auch den Poëten/ wann er ſolche Gemaͤhle ſeinen Verſen ſchicklich beybringen/ und von derglei- chen Erfindungen ſeinen Jnhalt abſehen kan. Mancher blaͤtterte lang in einem Buch: ſo bald er aber ein Figur ſihet haͤlt er ſtill und lieſet/ was beygeſchrieben iſt. Wie ein Koͤniglicher Palaſt mit vielen Seulen/ Bildern/ Roſen und derglei- chen gezieret iſt/ alſo machet auch die Mahlerey und Bilderey ein Gedicht praͤchtig/ anſehlich und beliebet. „99. Es hat aber das Bild § 93. beſagter Wach-
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X.
bildet werden/ darunter jedesmahl die fuͤglichſten
auszuwehlen/ welche nemlich von ſichbaren und
nicht unſichtbaren Sachen handlen. Betrachtet
man die Vorbilder deß Alten Teſtaments/ und
haͤlt ſie gegen der Erfuͤllung deß Neuen Teſta-
ments/ ſo wird erhellen/ daß das Alte/ ſo auf
Chriſtum abgeſehen/ nachdenklich erfuͤllet wor-
den/ und daß nicht nur die Wort/ ſondern auch
die Geſchichte geiſtliche Geheimniſſen ausgebil-
det/ wie hiervon zu leſen die Vorrede der Sonn-
tags Andachten. Dieſe Bildkunſt/ und Sinn-
bild-Kunſt dienet nicht nur dem Redner zu be-
weglicher Darſtellung ſeiner Sachen/ ſondern
auch den Poëten/ wann er ſolche Gemaͤhle ſeinen
Verſen ſchicklich beybringen/ und von derglei-
chen Erfindungen ſeinen Jnhalt abſehen kan.
Mancher blaͤtterte lang in einem Buch: ſo bald
er aber ein Figur ſihet haͤlt er ſtill und lieſet/ was
beygeſchrieben iſt. Wie ein Koͤniglicher Palaſt
mit vielen Seulen/ Bildern/ Roſen und derglei-
chen gezieret iſt/ alſo machet auch die Mahlerey
und Bilderey ein Gedicht praͤchtig/ anſehlich und
beliebet.
„99. Es hat aber das Bild § 93. beſagter
„Maſſen ſeine Deutung entweder von der na-
„tuͤrlichen Eigenſchaft/ oder von dem einſtimmi-
gen Satzung und Beliebung der Menſchen/ o-
der von beeden zugleich. Wann der Haan die
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